Flüchtlinge: Was Keller wirklich sagte
„Grünen-Politikerin will syrisches Dorf in Lettland ansiedeln“: Mit dieser Schlagzeile gehen die deutschen Medien in den Weltflüchtlingstag. Doch sie ist falsch. Und das eigentliche Anliegen geht auch noch unter.
Skandal im Europaparlament! Linksradikale Grüne wollen Osteuropa übervorteilen und überfremden! So wurden die Äußerungen der Grünen-Fraktionschefin S. Keller präsentiert.
„Man muss sich bei solchen Vorschlägen nicht wundern, wenn sich die Menschen von der EU abwenden“, empört sich M. Ferber (CSU). „Mit solchen Ideen richten die Grünen erheblichen innereuropäischen Schaden an.“
Doch „solche Ideen“ haben die Grünen gar nicht. Keller hat etwas ganz anderes gesagt: Wenn man schon Flüchtlinge umsiedle, dann nach Möglichkeit doch bitte dahin, wo schon welche aus demselben Dorf leben.
Von Lettland sei keine Rede gewesen, beteuert die ehemalige Spitzenkandidatin der Grünen für die Europawahl. Und statt auf Zwangs-Umsiedlung wie die EU-Kommission setzt sie auf einen neuen Solidaritätsmechanismus.
Doch ausgerechnet am Weltflüchtlingstag stürzen sich die Medien lieber auf den vermeintlichen Skandal. Über den Flüchtlingscontainer, den Keller vorm Europaparlament aufgestellt hat, berichtet kaum jemand.
Dabei kann man dort live mit Flüchtlingen in Irak oder Ruanda sprechen – der Kontakt wird per Internet und Videokameras hergestellt. Eine verstörende Erfahrung im total vernetzten „globalen Dorf“.
Wenig berichtet wird auch über die Kritik der Grünen und vieler Flüchtlingsorganisationen an der neuen Abschottungspolitik der EU. Dabei soll sie beim EU-Gipfel am Donnerstag weiter verschärft werden…
P.S. Wer zum Weltflüchtlingstag etwas Gutes tun möchte, kann sich hier informieren und spenden.
kaush
20. Juni 2017 @ 21:03
Diese Schlagzeile wäre richtig:
EU hält an Hungerblockade gegen Syrien fest
Das wird zwar von der UNO kritisiert, aber nicht von den (Oliv-) Grünen.
Wir werden demnächst noch was ganz anderes erleben: Die Schließung der Mittelmeer-Route.
Man wird die Boote und Schiffbrüchigen direkt wieder dorthin bringen, von wo sie gestartet sind.
Es wird nicht anders gehen: http://www.instatis.de/diagramme/afrika_und_europa.htm
Peter Nemschak
20. Juni 2017 @ 18:11
Die eigentliche Frage ist nach wie vor nicht beantwortet: soll eine Obergrenze für Flüchtlinge/Migranten eingezogen werden, da die EU nicht alle Bedürftigen aufnehmen kann und eine Mehrheit der Bevölkerung die Zuwanderung von Menschen aus mehrheitlich muslimischen Ländern überhaupt ablehnt und stoppen will? Man kann die diversen Konventionen durchaus auch restriktiv auslegen. Warum soll sich die EU nicht gegen einen zu großen Migrationsstrom abschotten und sei es durch Maßnahmen, welche eine gefährliche Reise nach Norden unattraktiv machen? Abschottung im Sinne der Begrenzung des Zuwandererstroms, egal aus welchen Motiven, darf nicht von vorneherein verteufelt werden und sollte ehrlich und offen diskutiert werden.
ebo
20. Juni 2017 @ 20:59
@Nemschak Die Obergrenze ist tot, das müssten Sie als Merkel-Versteher doch längst wissen!
Peter Nemschak
21. Juni 2017 @ 12:04
Leider. Auch die Linken haben sich aus falsch verstandener Humanität nicht für eine Obergrenze stark gemacht. Mangels europäischer Migrationspolitik (Rahmenbedingungen!) machen sich Flüchtlinge jedweder Motivation nach wie vor falsche Hoffnungen und ziehen los. Die Kommission hätte längst initiativ werden und im Rat für entsprechende Mehrheiten werben müssen. Hätte die EU klare Bestimmungen, wäre sie auch besser legitimiert mit Illegalen zu verfahren – Internierung bis zur Abschiebung. Wer Merkel kritisiert, muss eine klar definierte Alternative auf den Tisch legen.
Jörg Rupp
20. Juni 2017 @ 17:11
NOZ: Sie schlagen vor, größere Flüchtlingsgruppen zusammen in ein Land zu schicken – beispielsweise ein ganzes syrisches Dorf nach Lettland. Glauben Sie ernsthaft, dass die Osteuropäer da mitmachen?
Keller: Die Idee mit dem syrischen Dorf ist ja nur eine Möglichkeit, die man nutzen könnte. Zum Beispiel, wenn Flüchtlinge nicht alleine in ein Land gehen wollen, wo es sonst keine Flüchtlinge gibt. Menschen gehen gerne dahin, wo schon Landsleute leben, das macht die Integration und die Aufnahme einfacher.