Was haben Trump und Putin wirklich vereinbart?
Sie wollten die EU spalten, die Ukraine verraten und die Krim verkaufen: Dies sind nur einige der Sorgen, die in Berlin und Brüssel vor dem Treffen Trump-Putin in Helsinki kursierten. Was ist eingetreten, was nicht?
- Die EU war, so weit bekannt, kein Thema. Sie war in Helsinki ja auch nicht vertreten. Zuletzt hatte Putin verkündet, er sei an einer starken EU interessiert. Demgegenüber hat Trump versucht, die EU zu spalten und Deutschland zu strafen. Auf dem Nato-Gipfel attackierte er Deutschland mehrfach – doch Berlin tat hinterher so, als sei nichts passiert.
- Die Ukraine wurde angesprochen. Putin forderte die USA zu mehr Engagement für eine Friedenslösung auf. “Die USA könnten entschlossener sein und die ukrainische Führung dazu bringen, ihre Arbeit zu machen”, sagte er. Von Trumps Haltung wurde nichts berichtet. Die Lage ist kompliziert – denn auch Kiew hält sich nicht an die Minsker Vereinbarungen.
- Die Krim wurde ebenfalls angesprochen. Dabei bekräftigten Trump und Putin ihre bekannten, mit einander unvereinbaren Positionen. Allerdings scheint Trump bereit, die Krim-Frage tiefer zu hängen als die EU. Beim G-7-Treffen in Kanada sagte er, Russland solle wieder in den Club aufgenommen werden – Macron und Merkel lehnen dies mit Hinweis auf die Krim ab.
- Bemerkenswert war Trumps Volte bei Nord Stream 2, der auch in der EU umstrittenen deutsch-russischen Gaspipeline. Der Gaslieferant Putin sei einfach “ein Wettbewerber, und was für ein guter Wettbewerber”. Und Deutschland könne frei entscheiden. Das heißt allerdings nicht, dass es nicht doch noch US-Sanktionen kommen. Aber Berlin dürfte aufatmen…
- Ein weiteres Thema war der Krieg in Syrien. Hier hat Trump einen Deal versucht: Die USA ziehen ihre Soldaten ab, wenn Russland den Einfluss des Irans zurückdrängt. Dazu kam es nicht. Immerhin haben die beiden “Führer” vereinbart, sich um eine gemeinsame Lösung der Syrien-Krise zu bemühen und dabei Israels Sicherheit zu garantieren – das geht gegen Iran.
- Auch über Abrüstung wurde gesprochen. Putin sprach von einem russischen Vorschlag, wieder über nukleare Rüstungskontrolle zu sprechen. Außerdem solle sich Experten Gedanken über die Zukunft des russisch-amerikanischen Beziehungen machen. Trump sagte, der Kalte Krieg sei vorbei – doch die harten US-Sanktionen hat er nicht gelockert.
Man darf nichts von alldem für bare Münze nehmen, zumal es keine schriftlichen “Deals” gab. Man sollte aber auch festhalten, dass sich die schlimmsten Befürchtungen nicht erfüllt haben, jedenfalls aus europäischer Sicht.
Die US-Debatte ist eine ganz andere – denn da geht es um die vermutete russische Einmischung in den Wahlkampf und um neue Vorwürfe der US-Justiz, die geeignet scheinen, den Kalten Krieg erneut anzuheizen…
Peter Nemschak
18. Juli 2018 @ 11:07
Interessant, dass die Kritik an Trump von republikanischen Senatoren, die auf eine Wiederwahl hoffen, eher verhalten war. Das zeigt, dass die Republikaner derzeit auf die Stimmen des untersten Rands der amerikanischen Gesellschaft angewiesen sind. Es wird Zeit, dass sich die Mittelklasse gegen das unappetitliche Stammtischgehabe des Pöbels organisiert. Was derzeit passiert, schadet den USA langfristig. Ehemalige Verbündete werden sich abwenden und neue Allianzen suchen.
kaush
17. Juli 2018 @ 20:10
Gute Analyse von Roger Köppel zur Hysterie des linken Mainstreams:
https://www.youtube.com/watch?v=LydkkJLB0vo
Peter Nemschak
17. Juli 2018 @ 12:39
Northstream 2 ist im Interesse aller EU-Mitglieder, weil die EU dadurch insgesamt unabhängiger von geopolitischen Störungen (Ukraine/Russland) wird. Jedem größeren EU-Land/Region könnte man EU-Spaltung vorwerfen, dem Süden wegen seiner für den Norden nicht akzeptablen materiellen Vorstellungen, dem Osten wegen sein nicht akzeptablen Vorstellungen von Demokratie. Nachdem sich die EU als subsidiär versteht, ist es nicht verwunderlich, dass nationalstaatliche Identität und Interessen vor supranationalen stehen.
André Tautenhahn
17. Juli 2018 @ 17:03
Dass Nord Stream 2 im Interesse aller EU-Mitglieder ist, wie sie schreiben, kann man durchaus so sehen. Allerdings gehört zu der Geschichte eben auch South Stream. Die Pipeline sollte den Süden Europas an die russischen Gasvorkommen anbinden. Das Projekt wurde aber auch unter Mithilfe Deutschlands als Teil der Sanktionspolitik blockiert und schließlich 2014 durch Russland für beendet erklärt. Der damalige italienische Ministerpräsident Renzi wunderte sich ein Jahr später lautstark darüber, dass Deutschland mit Nord Stream ganz anders verfahre. 😉
http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/merkel-und-renzi-streit-ueber-nordstream-ausbau-a-1068611.html
André Tautenhahn
17. Juli 2018 @ 11:12
Moin,
also den Punkt 1 würde ich korrigieren, weil er so klingt, als habe es vor Trump keine Spaltung der EU gegeben oder er betreibe sie jetzt ganz allein. So eine Perspektive würde den deutschen Schulmeistern sicherlich in die Hände spielen, die in Wirklichkeit Verantwortung für die Spaltung der EU tragen. Trump hat das nur erkannt und nutzt die bestehenden Zerwürfnisse innerhalb der EU aus.
ebo
17. Juli 2018 @ 11:18
Korrekt, aber das ist genau der Spin aus Berlin: “Trump will die EU spalten”. Kommt übrigens direkt aus dem Kanzleramt – wo man sich gleichzeitig nach außen so cool gibt…
Peter Nemschak
17. Juli 2018 @ 11:51
Deutschland hat die EU nicht gespalten, aber es will als stärkste Macht seine Vorstellungen durchsetzen. Das ist weder anrüchig noch verwerflich. Es liegt in der Dynamik des Wettbewerbs- und Machtverhältnisses zwischen Nationalstaaten, dass der relativ stärkste Staat in einer Staatengemeinschaft versucht, seine Stärke zu seinem Vorteil auszunützen und seine nationalen Vorstellungen durchzusetzen. Er wird seinerseits seine Vorstellungen nur dann anpassen, wenn er erwartet, dass es ihm langfristig nützt. Die anderen Staaten entwickeln dabei mehr oder minder erfolgreiche Gegenstrategien. Alles andere ist historisch durch nichts belegte Utopie.
ebo
17. Juli 2018 @ 12:02
Nun ja. Deutschland verfolgt eine doppelzüngige, im Kern auch spalterische Politik. Einerseits macht Berlin Druck, damit die EU ihre Russland-Sanktionen verlängert, andererseits schließt man bilaterale Deals, die als “rein kommerziell” bezeichnet werden. Dasselbe bei China. In Brüssel steht Berlin auf der Bremse, kurz darauf gibt es “deutsch-chinesische Regierungskonsultationen” mit neuen Milliardenverträgen. Who is next? Mr. Trump – mit einem speziellen Auto-Deal?
Solveig Weise
17. Juli 2018 @ 12:15
@Peter Nemschak: Sie scheinen in diesem Punkt eine sehr exotische Wahrnehmungsstruktur zu haben. Selbstverständlich hat vor allem die Migrationspolitik die EU tief gespalten und tut dies immer noch. Dies ist nun wirklich nicht so komplex, dass man es nicht erkennen kann.
Peter Nemschak
17. Juli 2018 @ 11:04
Angesichts der Vertragstreue von Trump ist es gleichgültig, was Trump und Putin vereinbart haben. Mit der Angst im Nacken, ob auf die USA überhaupt noch Verlass ist, lässt sich die europäische Aufrüstung beim Publikum besser verkaufen.