Was die EU jetzt braucht – eine Wahlempfehlung

Drei Jahre nach dem Brexit-Referendum weiß die EU immer noch nicht, wo sie steht und wie es weitergeht. Die Europawahl ist vielleicht die letzte Chance, das zu ändern und EUropa wieder flott zu machen.

Schicksalswahl, Richtungswahl, Klimawahl: Diese Europawahl ist mit vielen dramatischen Attributen belegt worden. Dabei wählen wir erst einmal nur „unsere“ nationalen Abgeordneten für das Europaparlament. Wir wählen keinen Kommissionschef, auch keine neue Politik – selbst wenn die Spitzenkandidaten das behaupten.

Das Europaparlament ist nur eine von drei großen EU-Institutionen – und leider bei Weitem nicht die Wichtigste. Den Ton gibt mehr denn je der Rat an, also die Vertretung der 28 Mitgliedsstaaten. Und dort geht nichts mehr ohne Deutschland, wie die vergeblichen Reformvorstöße aus Frankreich gezeigt haben.

Wer also möchte, dass sich etwas ändert in EUropa, muß entweder eine andere Regierung in Berlin wählen – oder in Straßburg jene stärken, die für einen echten Neubeginn stehen und auch ‚mal gegen große EU-Länder aufbegehren. Die Spitzenkandidaten lassen dies leider nicht erwarten – sie kommen alle aus der “Brüsseler Blase”.

Wer etwas ändern möchte, muß auch dafür sorgen, dass die Vormacht der konservativen EVP im Europaparlament gebrochen wird. Die EVP hat sich mit ihrer Entscheidung für Antonio Tajani als Parlamentspräsident und ihrem fahrlässigen Zögern gegenüber Viktor Orban diskreditiert.

Dass die EVP und ihr Spitzenkandidat Manfred Weber (CSU) bis zuletzt auch auf Sebastian Kurz setzte, der die FPÖ hoffähig gemacht hatte, macht es nicht besser.

Neue Mehrheiten?

Hier bietet die Europawahl eine echte Chance – denn die Konservativen sind ohnehin auf dem Rückzug, und die Sozialdemokraten wollen sich nach neuen, „progressiven“ Mehrheiten umschauen. Allerdings ist unklar, wie sich z.B. die Grünen positionieren. Unklar ist auch, welche Rolle die Liberalen spielen.

Keinen Einfluß wird die Wahl hingegen auf den Brexit haben. Das Europaparlament ist in dieser zentralen Frage kein Akteur, sondern muß die Folgen des Brexit-Debakels austragen. Selbst wenn man wollte, könnte man mit seinem Wahlzettel nichts ändern – beim Brexit unterscheiden sich die Abgeordneten kaum voneinander.

Auch die wohl wichtigste Herausforderung der nächsten Jahre – der Umgang mit Russland, China und den USA – spielt bei dieser Wahl keine Rolle. Das Parlament hat sich klar gegen Russland positioniert und China in die Schranken gewiesen. Doch zu den Drohungen aus Washington fiel den Abgeordneten nicht viel ein.

Die echte Schicksalsfrage

Dabei ist das Verhältnis zu den USA nun wirklich eine Schicksalsfrage. Hier geht es um Krieg und Frieden (nicht nur im Iran) – und um die Frage, ob sich die EU von US-Präsident Donald Trump am Nasenring führen lässt. Europa muß sich endlich von den USA emanzipieren, doch auch da steht vor allem Berlin auf der Bremse.

Zum Schluß noch etwas Positives: Wenn es um die EU-Gesetzgebung geht, dann kommt keiner am nächsten EU-Parlament vorbei. Die neu gewählten Abgeordneten spielen eine wichtige Rolle bei der Frage, ob die bisher nur unverbindliche „soziale Säule“ ausgebaut werden soll, z.B. mit einem Mindestlohn in allen EU-Ländern.

Dies wäre ein starkes Symbol – meint sogar die „Süddeutsche Zeitung“. Viele Menschen empfänden Brüssel als kalt und ungerecht – und wünschten sich ein sozialeres Europa, heißt es in einem lesenswerten Kommentar. „Was für ein starkes Symbol wäre ein europaweiter Mindestlohn!“ Das sehe ich ganz ähnlich.

Meine Empfehlung

Daher meine Wahlempfehlung: Schauen Sie doch einfach, welche Kandidaten sich für eine sozialere und demokratischere Europapolitik einsetzen – und wer verspricht, die EU endlich wieder auf Trab zu bringen und mit dem Status Quo zu brechen. Bisher war der „Aufbruch für Europa“ nur ein schönes Wort.

Diese Wahl ist die vielleicht letzte Chance, es doch noch einzulösen – bevor es zu spät ist…

Siehe auch „Der verhinderte Neustart“ (E-Book)

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