Darf Satire das, Herr Sonneborn?

Die Bundesregierung wollte ihn loswerden – und hat viel Energie darauf verwendet, den Satiriker Martin Sonneborn per Sperrklausel aus dem Europaparlament zu drängen. Doch er ist immer noch da, frecher denn je.

Wer verstehen möchte, was den ehemaligen Titanic-Chef umtreibt, der sollte sein Buch lesen („Herr Sonneborn geht nach Brüssel – Abenteuer im Europaparlament“, Kiepenheuer & Witsch).

Ich habe es regelrecht verschlungen – und dabei nicht nur herzlich gelacht, sondern sogar noch etwas gelernt. Vor allem die Passagen, in denen Sonneborn das Gezerre um die Wahlrechtsreform beschreibt, sind lesenswert.

Offenbar hat die deutsche Bundesregierung vor der Europawahl mehr Energie darauf verwendet, Kleinstparteien per Sperrklausel aus dem Parlament zu verdrängen, als den versprochenen „Aufbruch für Europa“ zu organisieren.

Auch die Europaabgeordneten haben versagt. Sie hätten den deutschen Wunsch nach einer Wahlrechtsreform nutzen können, um EU-weite, transnationale Listen durchzusetzen. Doch die Chance wurde verspielt.

Das Ergebnis ist bekannt – am Ende gab es weder die (deutsche) Sperrklausel, noch transnationale Listen, noch ein Happy End für die Spitzenkandidaten. Die Europawahl geriet zum großen Schwindel.

Und so ist Sonneborn immer noch da, sogar stärker denn je. Denn auch sein PARTEIfreund Nico Semsrott hat es ins neugewählte Parlament geschafft. Der Kapuzenmann treibt es noch doller als sein Alter Ego.

Zuletzt hat Semsrott seine Twitter-Gemeinde sogar gefragt, wie er seine Parlamentskollegen im Plenum ansprechen soll. Sie entschied sich für „Sehr geehrter Hochadel“ (siehe Video).

Darf Satire das? Und was bringt das? Sonneborn gibt in seinem Buch einige „sachdienliche Hinweise“, die uns einer Antwort näher bringen. Zum einen verweist er auf die Außenwirkung.

Seine Reden würden locker 5 Millionen Mal aufgerufen, die von einigen „etablierten“ Abgeordneten nicht einmal 50 Mal. „Das spricht dafür, die Botschaft mit einem kleinen Witz zu versehen“.

Aber was ist die Botschaft? Nun ja – dass es der EU gar nicht lustig zugeht. Sonneborn verweist auf die Umwidmung ziviler Forschungsgelder für militärische „Killerroboter“, die wir auch in diesem Blog aufgespießt haben.

Oder auf den Firmensteuersatz von 0,005 Prozent, den Irland dem US-Konzern Apple gewährt. Also auf den täglichen Irrsinn, der in offiziellen Lobgesängen auf die EU gern ausgeblendet wird.

Wenn es Satire schafft, diesen Irrsinn zu entlarven, dann erfüllt sie ihren Zweck, oder?

Siehe auch „Sonneborn setzt auf Krieg“