Was bringt der Corona-Hilfsfonds wirklich? (2/2)

Zu wenig, zu spät – so kritisieren Ökonomen den neuen, schuldenfinanzierten Wiederaufbau-Fonds. Doch wie sieht es mit dem Klimaschutz aus? Und was passiert, wenn der Fonds ausgeschöpft ist und die Schulden zurückgezahlt werden müssen?

Mit diesen Fragen beschäftigt man sich vor allem im Europaparlament. Der Corona-Hilfsfonds vernachlässige das Ziel, die europäische Wirtschaft auf eine neue Grundlage zu stellen und klimafreundlich zu machen, kritisieren viele Abgeordnete.

Tatsächlich wurde der „European Green Deal“, den die EU-Kommission vorgeschlagen hat, durch die Coronakrise in den Hintergrund gedrängt. Kommissionschefin Ursula von der Leyen beteuert zwar, die „Next Generation EU“ (so der offizielle Titel des Hilfsplans) sei weiter dem „Green Deal“ verpflichtet.

Doch in dem Kompromissvorschlag, den EU-Ratspräsident Charles Michel auf dem EU-Gipfel durchgebracht hat, spiegelt sich das kaum wieder.

Nur 30 Prozent der Finanzmittel aus dem geplanten neuen EU-Budget (in das das Wiederaufbau-Programm gebettet ist) sollen dem Klimaschutz gewidmet werden – und nicht 50 Prozent, wie es etwa die Grünen fordern.

Dieses strukturelle Defizit kann zwar teilweise durch Zuschüsse aus dem Recovery-Plan ausgeglichen werden. Doch für einen kompletten Umbau der Wirtschaft dürfte es nicht reichen.

Von einem „kleinen Schritt in die richtige Richtung“ spricht denn auch der grüne Europaabgeordnete Rasmus Andresen, der als einziger Deutscher im Budgetausschuss des Europaparlaments sitzt. Für die angestrebte Klimaneutralität reiche es jedoch nicht aus.

Der Zielkonflikt zwischen dem „Wiederaufbau“ der Wirtschaft nach Corona und dem fälligen Umbau für den Klimaschutz ist nicht gelöst; er wird nicht einmal offen diskutiert.

Erheblichen Klärungsbedarf gibt es auch noch bei der Frage, was nach dem Ende des Wiederaufbau-Programms passiert – und welche Folgen das für die EU haben wird.

Bisher ist vorgesehen, dass das Konjunkturprogramm nach drei Jahren ausläuft und dann, nach einer kurzen „Verschnaufpause“, die Rückzahlung der Schulden beginnt.

Die EU-Kommission will den Schuldendienst auf 30 Jahre strecken und erst nach dem Ablauf der neuen Finanzperiode, also 2028, mit der Rückzahlung beginnen.

Kanzlerin Merkel und die „sparsamen Vier“ fordern jedoch eine schnellere Begleichung der Schulden. Dies dürfte zulasten des EU-Budgets gehen, das ohnehin knapp bemessen ist.

In Brüssel hofft man zwar auf neue Einnahmequellen – etwa eine Digitalsteuer oder eine Plastikabgabe. Auch eine CO2-Grenzsteuer könnte bei der Rückzahlung der Schulden helfen.

Doch bisher sind das alles fromme Wünsche; gerade die deutsche Bundesregierung hat sich bei den so genannten Eigenmitteln immer wieder quer gestellt.

Berlin war es auch, das bisher noch in allen Krisen auf eine eine rasche Rückkehr zur Fiskaldisziplin gedrängt hat. Warum sollte die Coronakrise eine Ausnahme machen?

In Berlin und Brüssel wird schon über eine Reaktivierung des derzeit ausgesetzten Stabilitätspaktes diskutiert. Der konservative Wirtschaftskommissar Valdis Dombrovskis denkt bereits über den „passenden“ Zeitpunkt nach.

Die Folge könnte eine neue Austeritätspolitik sein, fürchten Linke und Sozialdemokraten im Europaparlament.

“Klassenkampf gegen schwächere Europäer”

Der ehemalige griechische Finanzminister Janis Varoufakis bezeichnet den Recovery Fund sogar als „Instrument im Klassenkampf gegen die schwächeren Europäer“. Das Geld werde nicht den Bedürftigen gegeben, sondern nach einem festen Schlüssel aufgeteilt, um die Eliten zu bedienen.

Klar ist, dass die Verteilung der Hilfsgelder ein Politikum darstellt. Die EU will die Transfers verbindlich regeln, was angesichts des ungewissen Verlaufs der Krise ein Risiko darstellt.

Die Rückzahlung der Schulden hingegen will sie offen lassen. Damit könnte sich die „Next Generation EU“ als Hypothek erweisen – spätere negative Nebenwirkungen nicht ausgeschlossen.

Dieser Text erschien zuerst im “Makroskop”. Das Original steht hier. Alles zum Wiederaufbau hier