Was auf Scholz zukommt, wer von Mauern und Zäunen profitiert – und neue Sanktionen

Die Watchlist EUropa vom 08. Dezember 2021 –

Der neue Kanzler Scholz will eine Spaltung in der EU verhindern. Deutschland dürfe nicht am Rande stehen, sondern sei für das Gelingen der europäischen Integration verantwortlich, sagte der SPD-Politiker. „Deshalb betrachten wir es als wichtige Aufgabe, dass es eine solche Spaltung nicht geben wird, weder Nord-Süd, noch Ost-West“.

Dummerweise ist die „Union“ längst gespalten, wie die scheidende Kanzlerin Merkel bei ihrem letzten EU-Gipfel im Juni einräumen musste. Und daran war Deutschland nicht unschuldig. Die Nord-Süd-Spaltung wurde durch Merkels Austeritätspolitik in der Eurokrise vertieft, der Ost-West-Graben entstand im Streit um Flüchtlinge und Rechtsstaat.

Es kommt also einiges auf Scholz zu, wenn er seine Ankündigung in die Tat umsetzen will. Der Konflikt um den Rechtsstaat dürfte schon bei seinem ersten EU-Gipfel in der kommenden Woche hochkochen – Polen und Ungarn widersetzen sich mehr denn je den politischen Weisungen und frommen Wünschen aus Brüssel und Berlin.

Der Merkel-Nachfolger wird lavieren müssen – zwischen den großen Versprechen im Koalitionsvertrag und der traurigen Realität in der EU. Ungarns Orban und Polens Kaczyński sehen Deutschland schon lange nicht mehr als ehrlichen Makler, sondern als dominierende und disziplinierende Macht, die es zurückzuweisen gilt.

Orbans Fluch

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“Germans are on the other path of European civilization, towards a kind of post-Christian and post-national state“, schrieb Orban gerade in einem Blogpost. Die neue deutsche Ampel-Regierung sei “pro-immigration, pro-gender, federalist“ und verfolge eine „pro-German Europe agenda.” Das „progressive“ deutsche EUropa, nicht alle mögen es.

Doch das ist nicht das einzige Problem, das Scholz von Merkel erbt. Schon vor Amtsbeginn musste er sich mit der ungelösten Coronakrise herumschlagen, die erneut zur europäischen Krise wird – selbst bisher vorbildliche Länder wie Frankreich oder Italien haben mit der vierten Welle zu kämpfen.

Die EU-Strategie ist krachend gescheitert – doch im Gegensatz zu früher ist Deutschland nicht mehr der ruhende Pol, bei dem man sich die richtigen Rezepte abgucken könnte. Mit dem Vorstoß zu einer allgemeinen Impfpflicht haben Scholz & friends vielmehr neuen Ärger in die EU getragen.

Schröders Rat

Und dann ist da noch der Kalte Krieg 2.0, den US-Präsident Biden pünktlich zum Start der „Ampel“ in Berlin losgetreten hat. Biden droht Russland mit massiver Vergeltung für einen (hypothetischen) Angriff auf die Ukraine. Und er brüskiert China mit einem politischen Boykott der Winter-Olympiade.

Lässt sich Scholz, getrieben von den Grünen und ihrer unerfahrenen, aber transatlantisch forschen Außenministerin Baerbock, in zwei neue Mega-Konflikte ziehen? Oder folgt er dem Rat des Altkanzlers Schröder, keine „moralisierende Außenpolitik“ zu betreiben?

„In anderen Ländern nach dem Motto ‚Am grünen Wesen soll die Welt genesen‘ aufzutreten, wird definitiv nicht funktionieren“, so Schröder. Einfach so weitermachen wie Merkel kann Scholz aber auch nicht. Als erste Nagelprobe könnte sich der Streit um die Gaspipeline Nord Stream 2 erweisen…

Siehe auch „Bidens eisige Liebesgrüße nach Berlin“ und „Nord Stream2: USA mischen sich in Koalitionsgespräche ein“

Watchlist

Kommen neue, härtere EU-Sanktionen gegen Russland und China? Die EU-Kommission will den Weg dafür bereiten. Nachdem Behördenchefin von der Leyen Russland bereits am Dienstag mit neuen Strafmaßnahmen drohte, will sie am Mittwoch ein neues Sanktionsregime vorstellen, das speziell auf den Handel mit China zugeschnitten ist. Beim kleinsten Ärger soll es Beschränkungen geben, die Finger am Abzug will sich Leyen höchstpersönlich sichern. Da kommt die Verteidigungsministerin wieder durch…

Was fehlt

Die Profiteure der „Festung EUropa“. Nach einer Studie, die die Linksfraktion im Europaparlament in Auftrag gegeben hat, kassieren die Luft- und Raumfahrtkonzerne Airbus, Thales, Leonardo und Indra am meisten ab, wenn die EU neue Mauern und Zäune an den Außengrenzen baut. Auch Beratungsgesellschaften wie Deloitte, IT-Unternehmen wie Atos und Autohersteller wie Mercedes-Benz profitieren von der wachsenden Nachfrage nach Überwachungstechnologie und Grenzschutz-Ausrüstung. Mehr hier (taz)