Warum Kallas’ Wechsel nach Brüssel nicht sicher ist

Wird die als Russland-Hasserin bekannte estnische Regierungschefin Kaja Kallas zur nächsten EU-Außenbeauftragten? Deutsche Medien beklatschen ihren Wechsel nach Brüssel – doch der ist nicht sicher.

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Das hat Kallas selbst eingeräumt. “Ich bleibe extrem skeptisch”, sagte die rechtsliberale Politikerin, die auf dem Ticket der liberalen europäischen Renew-Partei nach Brüssel wechseln könnte.

Sie habe an der Nominierung immer gezweifelt. Bis zum entscheidenden EU-Gipfel in der kommenden Woche könne noch viel passieren.

Da hat sie recht. Denn der letzte, informelle, Gipfel brachte noch keine Einigung. Im Gegenteil: Am Montag ist ein Machtkampf um die Führungsposten ausgebrochen.

Die EVP hat überzogen

Die konservative EVP will mehr Macht, möglichst die ganze. Italiens rechtspopulistische Regierungschefin Meloni zeigte sich unzufrieden und stellte einen möglichen Deal, der auch Kallas einschließt, infrage.

Die EVP hat offenbar überzogen. Im neuen Europaparlament ist ihr Sitzanteil gerade einmal von 25 auf 26,4 Prozent gestiegen – das ist kein rauschender Erfolg. Die Liberalen hingegen sind abgesackt.

Wenn die EVP schon mehr Jobs beansprucht, dann müsste dies zu Lasten der Liberalen gehen – und womöglich sogar zugunsten der Rechtspopulisten à la Meloni, die sich gut gehalten hat.

Die EKR-Fraktion, die Melonis “Fratelli d’Italia” beherbergt, könnte durch Wechsel in letzter Minute sogar stärker werden als die Liberalen. Wenn das passiert, dürfte Meloni ihrerseits einen EU-Spitzenposten einfordern.

Überhaupt sind die Liberalen in EUropa schon jetzt überrepräsentiert. So haben sie die EZB mit der Französin Lagarde besetzt, demnächst soll auch noch der Niederländer Rutte die Nato übernehmen.

Wir dürfen uns also auf einen spannenden Showdown beim EU-Gipfel am 27. und 28. Juni einstellen – Kallas könnte dabei auf der Strecke bleiben. Und nicht alle würden deshalb eine Träne vergießen…