Warum die Krise in Frankreich auch eine EU-Krise ist

Frankreichs Präsident Macron will auch nach dem Sturz seiner Regierung bis 2027 im Amt bleiben. Bis dahin dürfte er auch die französische Europapolitik bestimmen; anders als in Berlin droht kein Machtvakuum. Dennoch ist es auch eine EU-Krise.

Und das aus mehreren Gründen:

  • Ausgelöst wurde die aktuelle Krise durch die Europawahl im Juni, bei der Macrons Liberale verloren und vor allem die Nationalisten gewonnen haben. Die Franzosen haben Macrons Europapolitik und damit auch Kommissionschefin von der Leyen abgestraft, die er 2019 in ihr Brüsseler Amt gehievt hatte. Ihre Politik hat in Frankreich nicht überzeugt. Übrigens wurde von der Leyens neue Kommission im Europaparlament von allen französischen Parteien abgelehnt – mit Ausnahme der Macronisten…
  • Der nun gestürzte Premier Barnier war früher EU-Kommissar. Aus Sicht der Eliten hat er sich bewährt, weil er den Brexit “erfolgreich” gemanagt hat. Aus Sicht vieler Franzosen war er hingegen die Wahl eben jener Eliten, aber kein guter Regierungschef. Dass Macron bei seiner Wahl über die stärkste Gruppe im Parlament, die vereinte Linke, hinweggegangen ist, hat es nicht besser gemacht. Barnier wurde so von Nationalistenführerin Le Pen abhängig – ähnlich wie von der Leyen von den Rechten in Italien.
  • Den letzten Anstoß zum Misstrauensvotum gab das Budget, das Barnier nach Absprache mit Macron vorgelegt hat. Barnier schlug in seinem rund 60 Mrd. Euro schweren Sparpaket einen Mix aus geringeren Ausgaben und höheren Einnahmen vor. Er folgte damit den Vorgaben aus Brüssel, wo im vergangenen Jahr neue Fiskalregeln ausgehandelt worden waren, ohne die arbiträren Vorgaben aus dem Maastrichtpakt zu ändern. Die neuen Regeln tragen übrigens die Handschrift eines gewissen Herrn Lindner.
  • Dass Frankreich so tief in die roten Zahlen gerutscht ist, liegt nicht etwa an der “Union von Linken und Rechtsextremen”, wie nun in Deutschland gern suggeriert wird. Es geht auf die angebotsorientierte, im Kern neoliberale Politik Macrons zurück, die auch von der Leyen und Lindner goutieren. Eine Ausnahme bilden die massiven Subventionen während der Energiekrise. Doch auch diese Krise hat ihren Kern in einer verfehlten EU-Politik; die Marktpreisbildung hat sich 2022 als kontraproduktiv erwiesen.
  • Die Schwäche der französischen Regierung nutzt von der Leyen aus, um den umstrittenen Freihandelsdeal mit den Mercosur-Staaten durchzudrücken. Dagegen wiederum gehen schon jetzt Bauern in Frankreich und Belgien auf die Straße. So wird das angeknackste Vertrauen in die EU weiter erschüttert. Macron dürfte nun versuchen, im Rat eine Sperrminorität gegen Mercosur zu organisieren. Wenn ihm dies gelingt, wird DAS die Handlungsfähigkeit der EU erschüttern – mehr als die aktuelle Krise in Paris.

Das ganze historische Debakel hätte Macron vermeiden können, wenn er nach der Europawahl auf die Wähler gehört und einen Kurswechsel in der Europapolitik angekündigt hätte, statt Neuwahlen auszurufen. Dann hätte er allerdings auf Gegenkurs zu von der Leyen gehen müssen…