Warum das “Rettungspaket” ein Päckchen ist
Das “Rettungspaket” der Eurogruppe ist fertig. Um eine Einigung zu erzwingen, hatte sich zuletzt sogar Kanzlerin Merkel in die Verhandlungen eingeschaltet. Doch war es die Mühe wert?
Es gehe um “gewaltige Summen”, sagt Bundesfinanzminister Scholz. Bis zu 540 Milliarden Euro wolle die Eurozone mobilisieren, um sich gegen die größte Wirtschaftskrise seit dem 2. Weltkrieg zu stemmen.
Allerdings ist dieser Betrag bei näherer Betrachtung nicht wirklich beeindruckend. Allein Deutschland gibt mehr als doppelt so viel aus, um seine Wirtschaft zu stützen – über eine Billion Euro.
Und die USA wollen sogar 10 Prozent des BIP in Rettungsmaßnahmen stecken.
Da nehmen sich die 2 Prozent, die Scholz nun Krisenländern wie Italien verspricht, recht mickrig aus. Dies gilt umso mehr, wenn man weiß, dass es sich zum größten Teil um Kredite handelt, die zurückgezahlt werden müssen.
Auch das EU-Budget, das Kommissionschefin von der Leyen für einen “Marschallplan” nutzen will, reicht bei weitem nicht aus. Im aktuellen Sieben-Jahres-Haushalt, der Ende 2020 ausläuft, gibt es kaum noch Reserven.
Und in Zukunft dürfte es kaum besser werden. Bisher will Deutschland für den nächsten “Finanzrahmen” nämlich nur 1,0 Prozent des BIP zahlen. Um wirklich einen Unterschied zu machen, müßten es 3 bis 4 Prozent sein, sagt der grüne Europaabgeordnete P. Lamberts.
Doch so viel fordert nicht einmal das Europaparlament. Es verlangt 1,3 Prozent für 2021 bis 2027 – das dürfte gerade einmal ausreichen, um den “European Green Deal” zu finanzieren, den von der Leyen ebenfalls versprochen hat. Für den Wiederaufbau reicht das nicht.
Das scheint auch den Finanzministern zu dämmern. Sie planen deshalb einen “Wiederaufbau-Fonds” – doch dessen Höhe und seine Finanzierung liegt auch nach dem Beschluß am Donnerstagabend im Dunkeln. Über die Details wollen Merkel & Co. erst später sprechen.
Klar scheint nur, dass es keine Coronabonds geben wird, wie sie Italien und weitere acht Euroländer zunächst gefordert hatten. Die Eurogruppe hat darüber nicht einmal diskutiert – im Beschlußpapier wurde das Wort Coronabonds tunlichst vermieden.
Fazit: Die Finanzminister haben zwar das Schlimmste verhindert – einen offenen Bruch mitten in der schlimmsten Krise. Doch ein großer Wurf ist ihnen nicht gelungen. Das “Rettungspaket” ist zum Päckchen geschrumpft – und Solidarität wird weiter klein geschrieben…
Siehe auch “Solidarität à la Scholz”
P.S. Was ist eigentlich aus dem Streit um die Hilfs-Konditionen geworden? Der niederländische Finanzminister sieht es so:
3/6 The #ESM can provide financial help to countries without conditions for medical expenses. It will also available for economic support, but with conditions. That’s fair and reasonable.
— Wopke Hoekstra (@WBHoekstra) April 9, 2020
Fritz - Ulrich Hein
10. April 2020 @ 22:15
Es ist gut, dass der Bond nict zu tragen kommt, denn so können sich die begehrlichen Mitgliedsländer nicht auf Kosten derer, die gut wirtschaften, „bereichern“. Gerade Frankreich, Italien und Griechenland wollen an deutsches Geld.
Holly01
11. April 2020 @ 07:44
Herr Hein,
Geld erzeugt eine Notenbank ohne Fingerschnippen in beliebiger Höhe. Eine Notenbank schwimmt in Geld und bestimmt wie groß das Becken ist nach belieben.
Es zählen Sachwerte und reale Möglichkeiten. Da ist Deutschland mit seiner Restindustrie König (gewesen).
Deutschland war der ungekrönte König der Welt, weil es strukturell seine Zinsen niedrig gehalten hat. Es Exporteur hat es die Zinsen der Herstellung an die Endabnehmer transferiert.
Wir sind Zinsenweltmeister oh, Entschuldigung Exportweltmeister im exportieren von Zinsen.
Deutschland hat zudem eine Einheitswährung zusammen mit Staaten die mit Geld als gesellschaftlicher Steuerungsgröße nicht andere belasten sondern das Geld einfach inflationieren, das Senkt Zinslasten durch relativen Wertverlust, baut Vermögen auf in der Masse und ermöglicht ein relativ gutes Leben für Alle.
Deutschland stellt sich in dieser Einheitswährung gerne als die Nonne im Bordell dar. In Wirklichkeit ist es die Puffmutter, denn Deutschland wertet trotz Export nicht auf. Die deutschen Kunden können nicht abwerten, stecken ja oft in der selben Währung oder im Dollar der künstlich zum Euro stabil gehalten wird, obwohl der Dollar gar keinen inneren Wert mehr hat.
Müsste Deutschland den preis für seine Ausbeutung der Partner bezahlen wäre der hoch, extrem hoch.
Zerbricht der Euro (und das ist nicht eine Frage von „ob“ sondern von „wann“) dann bekommt Deutschland seine eigene Währung zurück.
Die wertet gnadenlos auf. Deutschland verliert seine ausländischen Kunden weil es nicht mehr konkurrenzfähige Preise anbieten kann. Deutschland hat keinen Binnenmarkt, den haben wir systematisch zerstört. Deutschland hat keine Substanz, die haben wir verkommen lassen.
Deutschlands Bevölkerung hat keine Manövriermasse weil sie verarmt ist.
Die deutsche Elite hängt mit gigantischen Summen im US Investmentbankensystem und das wertet ab (weil ja die eigene Währung steigt) UND die Amis zahlen nicht aus, fragen Sie die Japaner und die Chinesen.
Zerbricht der Euro, dann zerbricht Europa ist keine Drohung. Das ist Angst, eine deutsche Angst.
Die Idioten spielen Skat. Ohne vier, Hand, over mit Kreuz Flöte, sitzen aber hinten und denken das gewinnen die.
Geld ist gar nichts. Geld erzeugen wir jeden Tag.
Mit Geld etwas anfangen zu können, DAS ist eine Kunst.
Leider sind die Deutschen nur Schmarotzer, keine Künstler. Die letzten großen deutschen Entwicklungen sind Jahrzehnte alt.
Wir leben selbst beim Schmarotzen auf anderer Leute Zinslast aus unserer eigenen Substanz.
Und nun treiben wir auf Krieg zu.
Mit diesem ganzen Hintergrund und einer Rumpfarmee von 100.000 die nur sehr bedingt einsatzbereit und null kampferfahren ist.
Ja, machen wir. Klar.
Nein …. machen wir nicht. Wir verlieren Spitze und Schneider ….
Für diese Analyse muss man nicht einmal Wissen haben, das liest sich alles so aus den Schlagzeilen.
Die Eurobonds kosten Deutschland gar nichts, die egalisieren nur auf der Staatsebene den Zinsvorteil ein wenig. Auf der industriellen Ebene sorgen die Megareichen Deutschen weiter dafür, das sich „ihre“ Industrie mit 2% günstigeren Krediten finanziert als jede Konkurrenz. 2% auf allen Wertschöpfungsstufen, da kann man schon arg dämlich sein und macht immer noch Gewinn.
vlg
European
11. April 2020 @ 19:13
Absolut zutreffend.
Sie haben nur eines “unterschlagen”. Die jährliche Inflationsrate von 1.9% wurde auf deutschen Wunsch in den Maastricht-Kriterien festgehalten und ausgerechnet Deutschland hat sich nicht daran gehalten, sondern aktive Deflationspolitik durch jahrzehntelange “Lohnzurückhaltung”, Leiharbeit und den größten Niedriglohnsektor Europas betrieben. Unser aktueller Lohnabstand zu Frankreich beträgt ca. 30%. Die deutsche Lohnentwicklung im Vergleich zum BIP, also zur Produktivität übrigens auch.
Lesenswert dazu dieser Artikel aus 2017, in dem Bofinger, damals Mitglied des Sachverständigenrates, die Zusammenhänge sehr gut erklärt. Wenn ein Land seine Löhne senkt, profitiert es. Wenn alle die Löhne senken, hat niemand etwas davon.
https://www.fr.de/wirtschaft/deutschland-kein-vorbild-11030436.html
Holly01
11. April 2020 @ 20:38
@ European:
Wenn wir schon bei komplett sind, muss man auf jeden Fall einen zusätzlichen Effekt dazu nehmen.
Da Deutschland Exporteur ist, exportiert es exakt den Betrag an Geld, welches es an Warenüberschuss ausweist.
Neben dem Zinsexport, verschulden sich die Importländer noch zusätzlich über das Geld bei den Deutschen Geldinhabern und zahlen doppelten Zins.
Also den Zins der im Endpreis der Wertschöpfungskette auf der Ware ausgewiesen ist, plus den Zins für den Geldtransfer der sich aus der simplen Saldenmechanik/VGR ergibt.
Es ist ein extrem perfides Geschäftsmodell und natürlich will Deutschland mit seinen gleich gepolten Geschäftspartner nicht von diesem Modell abrücken.
vlg
European
11. April 2020 @ 21:19
@Holly1
Natürlich. Es geht sogar noch weiter.
Da wir nur noch Nettosparer sind, sind wir darauf angewiesen, dass das Ausland die Verschuldung übernimmt, damit der Geldkreislauf überhaupt in Gang gehalten wird. Die Deutschen sparen jedes Jahr ca. 10% des BIP. Die Bundesbank hat in ihrem letzten Bericht keinen Hinweis dafür gefunden, dass deutsche Warenexporte mit deutschen Geldexporten finanziert werden. Das Ifo-Institut hatte eine entsprechende Rechnung aufgestellt.
Allerdings werden im Bundesbankbericht ca. 750 Mrd Euro „Auslandsvermögen“ der Deutschen ausgewiesen, hauptsächlich Wertpapiere und Direktinvestitionen, was nichts anderes bedeutet als die Schulden der anderen (wenn es nicht gerade Aktien sind)
Eigene Staatsschulden sind was ganz Schlimmes. Der Erwerb von fremden Schulden nennt sich Auslandsvermögen. Die Möglichkeit, dem Bürger die Chance auf Bildung von Inlandsvermögen und damit Beteiligung am Erfolg des Landes zu ermöglichen, wird nicht mal in Erwägung gezogen.
Holly01
12. April 2020 @ 07:29
@ European:
” Die Bundesbank hat in ihrem letzten Bericht keinen Hinweis dafür gefunden, dass deutsche Warenexporte mit deutschen Geldexporten finanziert werden. ”
DAS ist aber interessant. Also das die sich explizit damit beschäftigt haben.
Bericht März 2020?
Ich bin zwar vor gut 3 Jahren aus dem Thema ganz raus, weil mich das zu sehr aufgeregt hat, aber ich glaub das lese ich mir noch einmal durch.
Danke, richtig guter Hinweis.
vlg
Holly01
9. April 2020 @ 15:23
Radikalneoneoliberale würden nun sagen ” Der Unterschied bestimmt den Erfolg “.
Deshalb wollen die die Zinsunterschiede, die Volumenunterschiede und natürlich die Einkommensunterschiede.
Liberal ist da nur, wer für sich die “Selbstverwirklichung” entdeckt und Gier als Triebfeder des Guten empfindet.
Wir hatten diese Diskussionen schon.
Wir haben dafür 30 Jahre Krieg geführt, bis zum westfälischen Frieden.
Es gab keine Einigung.
Da steht mach Dir die Erde Untertan vs Du sollst nicht begehren deines Nächsten, Haus, Weib, Vieh oder anderes Gut.
Das geht mit dem Zinsverbot alles viel tiefer als wir überhaupt wahr haben wollen.
Ein gutes Leben gibt es nur da wo Ausbeutung nicht stattfindet.
Ich denke das ist den Neolibs und den Neocons nur zu vermitteln, wenn man Gewalt anwenden würde, darum hat man die auch immer wieder vertrieben. Die haben schon vor hunderten Jahren die Gesellschaften zersetzt und das Leben zur Hölle gemacht.
… und jetzt ist es wieder so weit.
Mit Argumenten oder dem Wunsch nach “Einsicht” erreicht man da nichts….. moralinsauer geworden? Vielleicht.
vlg