Bei dieser Wahl ist gar nichts sicher
Wie (un-)seriös ist das denn? Rund hundert Tage vor der Europawahl legt das Europaparlament eine “erste Sitzberechnung” vor. Dabei hat der Wahlkampf nicht einmal begonnen, und wichtige Entscheidungen stehen noch aus – z.B. die, ob die Briten vielleicht doch an der Wahl teilnehmen!
Das müssten sie nämlich, falls der Brexit über den Wahltermin Ende Mai hinaus verschoben wird. Da sind sich die Juristen der EU ausnahmsweise mal einig. Doch diese Möglichkeit spielt in der ersten Projektion keine Rolle.
Unberücksichtigt bleibt auch, dass die Liberalen noch kein Wahlkampfteam aufgestellt haben, dass Macrons Truppen sich noch nicht sortiert haben, und dass jede Menge neue Bewegungen antreten könnten, etwa in Polen.
Kurz: Die “Sitzberechnung” beruht auf dem Status Quo und einem “glücklichen” Brexit Szenario – also der Einhaltung des Austrittstermins und der Erfüllung des Austrittsvertrags. Das macht sie so gut wie wertlos.
Dennoch wollen wir die wichtigsten Ergebnisse kurz erwähnen – sozusagen fürs Archiv. Ab April dürften die Zahlen völlig anders aussehen – denn erst dann dürfte sich der Brexit-Nebel verziehen und der Wahlkampf beginnen.
Die EVP, zu der CDU und CSU gehören, kann demnach mit 183 der 705 Sitze im europäischen Parlament rechnen. Das entspräche einem Anteil von 26 Prozent, drei Prozentpunkte weniger als bei der letzten Wahl.
Die CDU/CSU-Gruppe bliebe mit 29 Sitzen die größte Einzelpartei, dicht gefolgt von der rechten Lega aus Italien mit 27 Abgeordneten. Die großen Verlierer wären die Sozialdemokraten – sie könnten um sechs Prozent schrumpfen.
Insgesamt liefe dies auf einen klaren Rechtsruck hinaus – mit einer relativ starken EVP und mehr Stimmen für Nationalisten und rechte Populisten. Die Projektion zeigt aber auch, dass EVP-Spitzenkandidat Weber keine Mehrheit hätte, nicht mal zusammen mit den Sozialdemokraten..
Dies würde bedeuten, dass der CSU-Mann entweder eine “ganz große Koalition” anstreben müsste, um zum Kommissionschef gewählt zu werden – oder dass die Wahl des Juncker-Nachfolgers am Ende von den Staats- und Regierungschefs entschieden wird.
Die Europawahl könnte also zur Farce werden – genau wie diese wacklige Projektion, die dem Parlament keine Ehre macht…
Mehr zur Europawahl hier
Baer
19. Februar 2019 @ 12:22
Warum glaubt eigentlich immer noch jemand ,dass Wahlen etwas bringen?
wenn das so wäre,würden die verboten.
der einzige Zweck des poltischen Systems ist das Management der Interessen der Finanzeliten gegen die Bürger , nämlich die Profitmaximierung auf dem Rücken der arbeitenden Menschen.
Der ganze andere Quatsch über Zuständigkeiten ,Kompetenzen gehört in die Tonne,denn er bringt nichts.
Wenn man das einmal verstanden hat sieht die Welt gleich ganz anders aus,und man interpretiert politische Entscheidungen aus einem anderen Blickwinkel.
Leider berichten die Medien fast jeder Couleur eben auch nur nach Vorgaben eben dieser Eliten.
ebo
19. Februar 2019 @ 12:29
Natürlich “bringen” Wahlen etwas. In diesem Post geht es um Wahlprognosen und Wahlversprechen, das ist nicht dasselbe.
Kleopatra
18. Februar 2019 @ 17:02
Warum sollte die Europawahl eine Farce sein, wenn der Rat das tut, was er nach den Verträgen zu tun hat, nämlich einen Kandidaten für die Kommissionspräsidentschaft nominieren, und das Parlament über diese Personalie abstimmt? Die Vorstellung, dass der “Spitzenkandidat der stärksten Fraktion” einen Anspruch habe, ist doch nur eine kartellartige Abbsprache zwischen Sozial- und Christdemokraten. Und wenn die zusammen keine Mehrheit haben, fällt diese Abmachung (die man im Übrigen wirklich eine Farce nennen kann!), die in der Praxis den Posten des Kommissionspräsidenten von vornherein den Christemokraten garantiert hätte.
ebo
18. Februar 2019 @ 17:10
Das ist genau deshalb eine Farce, weil Weber und AKK, aber auch Timmermans und Nahles sowie die Grünen hoch und heilig versprechen, nur ein Spitzenkandidat könne EU-Kommissionspräsident werden. Wenn am Ende jemand anderes zum Zuge kommt, fühlt sich der Wähler vera…t, pardon: wie in einem schlechten Theater.
Peter Nemschak
18. Februar 2019 @ 17:58
In der Realität wird der Kommissionspräsident von den Regierungschefs der Mitgliedsländer “vorselektiert” und hinter den Kulissen bestimmt. Dabei tauscht politisches Wechselgeld die Hände. Wenn man das weiß, fühlt man sich nicht in einem schlechten Theater sondern in der europäischen Realität. Solange das europäische Parlament einem bestimmten Kommissionsmitglied das Vertrauen nicht entziehen und dieses zum Rücktritt zwingen kann, ist das EU-System nicht mit einer nationalen parlamentarischen Demokratie eins zu eins vergleichbar. De facto wird die EU auch in absehbarer Zukunft von den Regierungschefs der Mitgliedsländer regiert werden. Transparenter wird es nicht werden.
Kleopatra
18. Februar 2019 @ 23:19
Ich werde an der Wahl teilnehmen und ich jedenfalls fühle mich von dem lächerlichen Getue um die “Spitzenkandidaten” mehr verarscht als wenn der Rat seine ihm immerhin von den Verträgen übertragene Aufgabe wahrnimmt. Die “Spitzenkandidaten”-Kampagne von Martin Schulz wurde doch spätestens von dem SPD-Slogan ad absurdum geführt, dass man SPD wählen müssen, damit ein Deutscher Kommissionspräsident wird. Ich stelle mir immer vor, solche Slogans würden in andere Länder übertragen, etwa: Franzosen sollen Sozialisten wählen, damit ein Deutscher Kommissionspräsident wird?
Peter Nemschak
18. Februar 2019 @ 12:58
Wahrscheinlich, dass die Wahl von Junckers Nachfolger(in) von den Regierungschefs entschieden wird. Das intergouvernmentale Governanceprinzip ist angesichts der in der EU seit der Finanzkrise zu beobachtenden Tendenzen zur Re-Nationalisierung stärker als das supranationale. Der Nationalstaat ist für die Bürger leichter verständlich und begreifbarer als das supranationale Gebilde EU.
Holly01
18. Februar 2019 @ 13:20
Die “supranationale” EU ist ein SB Laden der Milliardäre, die sich mit Millionären als Schutzschild umgeben und das mit 10% der Bevölkerung als neoliberale Gewinner abfedern.
So schwer ist das nicht.
Es ist ein Gebilde das von den Einzelinteressen fragmentiert wird.
Ist nicht schwer ….
vlg
Peter Nemschak
18. Februar 2019 @ 14:10
Sie nehmen es nicht so genau mit den Zahlen. Würden nicht zumindest zwei Drittel der Bevölkerung vom Status Quo profitieren, sähe die politische Landschaft anders aus. In jeder politischen Landschaft tummeln sich Einzelinteressen, wobei jede sich gegenüber der anderen durchzusetzen versucht. Das erzeugt in Summe die Dynamik, welche den gesellschaftlichen Wandel bewirkt.
Holly01
19. Februar 2019 @ 10:39
Sie meinen die 2/3 der Deutschen, die lt SOEP nicht einmal genug Rücklagen haben, um einen defekten Kühlschrank austauschen zu können?
Ja, auf deren Systemtreue können Sie bauen ……
Was denkt “Ihr” eigentlich wozu jemand arbeiten geht?
vlg