Vorsicht, „mehr Europa“

Die Euro-Krise geht in ein neues, entscheidendes Stadium über. Nach den Finanzmärkten erreicht sie nun über die Realwirtschaft die Politik und die Gesellschaft. In Frankreich und in Spanien baut sich eine breite Protestbewegung gegen die Austeritätspolitik auf – doch in Brüssel wird eine weitere Verschärfung vorbereitet. Die nächsten EU-Gipfel werden entscheidend, auch für überzeugte Europäer wird es ernst.

„Mehr Europa“ ist der wohlfeile Slogan, mit dem Kanzlerin Merkel, Außenminister Westerwelle und Finanzminister Schäuble in die kommenden (Wahl-)Schlachten ziehen. Den EU-Kollegen soll er signalisieren, dass sich Deutschland nicht aus der Verantwortung stiehlt. Den Bürgern soll er beweisen, dass die schwarzgelbe Regierung nicht nur für die Krisenländer zahlt, sondern auch den Ton in Brüssel angibt und für „mehr Deutschland“ (pardon: mehr Disziplin) sorgt..

Wie das praktisch aussieht, lässt sich am neuen „Reform“papier von EU-Ratspräsident Van Rompuy ablesen. Die von Merkel für Tabu erklärten Eurobonds sind vom Tisch, als Trostpflaster ist ein eigenes Euro-Budget vorgesehen, für das nicht einmal in Ansätzen die Finanzierung steht. Kein Wunder, denn Berlin dreht Brüssel systematisch den Geldhahn zu, wie man an den Meldungen über Geldmangel bei Erasmus, Sozialfonds und anderen EU-Programmen sieht.

Der eigentliche Hammer sind aber die „Reformverträge“, die Van Rompuy – offenbar nach Absprache mit Merkel – vorschlägt.Wie ich bereits gestern in diesem Blog schrieb, laufen sie darauf hinaus, allen Euroländern Spar- und Reformdiktate vorzuschreiben. Die „Memorandum of Understanding“, die bisher nur von der Troika in Krisenländern wie Griechenland bekannt waren, sollen für alle verpflichtend werden. Die EU-Kommission würde dann von einem Partner und Wächter zu einer autoritären Aufsichtsbehörde, das nationale Budgetrecht wäre obsolet.

Wie das bedeutet, lässt sich jetzt schon in Spanien und Frankreich studieren. Aus Angst vor der Troika (Madrid) bzw. vor einem Defizitverfahren (Paris) wurden dort neue Austeritätsprogramme aufgelegt, die die Wirtschsft abwürgen und doch nicht zum gewünschten Sparziel führen dürften. Der US-Ökonom P. Krugman spricht mit Blick auf Spanien von einer „beinahe unmöglichen Aufgabe“. Ähnliches lässt sich von Frankreichs Hollande sagen; die Nachdenkseiten sprechen vom „Einknicken eines Hoffnungsträgers“

Die gute Nachricht ist, dass sich in Frankreich und Spanien eine breite Protestbewegung gegen die Spardikatate aus Brüssel und Berlin aufbaut. Es kommt jetzt darauf an, dass sich diese Bewegung nicht nur gegern Hollande und Rajoy, sondern auch gegen Merkel und Van Rompuy wendet, bevor diese in Brüssel neue vollendete Tatsachen geschaffen haben. Außerdem sind alle, die sich in Deutschland gegen Fiskalpakt und ESM gewandt haben, gefordert.

Denn was die EU-Chefs derzeit aushecken, könnte sich als Fiskalpakt hoch drei entpuppen…
photo credit: TPCOM via photopin cc