Von der Leyen räumt Fehler ein – und nun?
Es war eine Premiere: Erstmals musste sich eine amtierende EU-Kommissionschefin einem Untersuchungsausschuß im Bundestag stellen. Ursula von der Leyen räumte Fehler in der Berateraffäre ein – doch was folgt daraus?
Bei der Auftragsvergabe an externe Berater habe es in ihrer Amtszeit als Verteidigungsministerin einige Rechts- und Regelverstöße gegeben, sagte Frau Leyen in Berlin.
“Natürlich haben wir dabei auch Fehler gemacht, es gab Vergabeverstöße und unklare Einbettungen Dritter.”
Doch die Fehler seien während der “Modernisierung” der Bundeswehr unterlaufen, und ohne externe Berater sei es nun mal nicht gegangen.
Eine fragwürdige Aussage.
Denn offenbar ist die “Modernisierung” nicht gelungen, die Bundeswehr ist immer noch nur bedingt einsatzbereit. Und die Beraterverträge waren teils rechtswidrig.
Als Ministerin trug von der Leyen für beides die politische Verantwortung. Doch nun tut sie so, als gehe es um ein bedauerliches Versehen.
Als sie von den Missständen erfuhr, sei ihr “Grundgefühl Betroffenheit” gewesen, sagte vdL. “So darf Verwaltungshandeln nicht sein”, fügte sie hinzu.
Doch was folgt daraus? Von der Leyen steht nun immerhin der größten europäischen Verwaltung vor, der EU-Kommission. Hat sie in Brüssel das “Verwaltungshandeln” im Griff?
Dies ist keine rhetorische Frage. Denn in Brüssel gelten seit 1999 – dem Sturz der Santer-Kommission – besonders hohe Maßstäbe.
Leyens Amtsvorgänger Jacques Santer mußte gehen, nachdem die französische Kommissarin Edith Cresson der Korruption überführt worden war.
Seither müssen die Präsidenten der EU-Kommission jederzeit Gewähr dafür bieten, dass das “Verwaltungshandeln” höchsten Maßstäben genügt.
Ein Mißtrauensvotum muß sie nicht fürchten – noch nicht
Das passt schlecht zu den Aussagen, die von der Leyen in Berlin gemacht hat. Doch ein Misstrauensvotum, an dem Santer scheiterte, muß sie derzeit nicht fürchten.
Im Gegenteil: Das Europaparlament hat der Ex-Verteidigungsministerin das Vertrauen ausgesprochen, noch bevor die Berateraffäre aufgeklärt war.
Allerdings könnten die EU-Abgeordneten ihre Meinung noch ändern – wenn der Bundestag der Kommissionspräsidentin ein Fehlverhalten nachweisen sollte…
Siehe auch “Neues von der Berateraffäre”
Watchlist
Kommt endlich ein Kompromissvorschlag für das künftige EU-Budget? Ratspräsident Michel hatte ihn eigentlich schon für Montag versprochen, nun hoffen in Brüssel viele auf das Ende dieser Woche. Große Sensationen darf man allerdings nicht erwarten. Michel dürfte sich an den finnischen Vorschlag vom Dezember anlehnen (EU-Beitrag bei 1,07 Prozent), den damals alle abgelehnt haben… – Mehr hier
Was fehlt
- Gesundheitspolitik: EU besorgt über Engpässe bei Medikamenten und Schutzkleidung wegen Coronavirus – Die Gesundheitsminister sorgen sich – doch entschlossen handeln tun sie immer noch nicht…
- Türkei: Staatsanwaltschaft fordert bis zu 16 Jahre Haft für Deniz Yücel – Ob die Bundesregierung trotzdem ihren Schmusekurs gegen Erdogan fortsetzt?
- EU-Kommission: Bei Vertragsverletzungsverfahren liegt Deutschland unter allen EU-Staaten auf Platz zwei – Das passt schlecht zur Schulmeisterei, die oft aus Berlin kommt
Peter Nemschak
15. Februar 2020 @ 14:42
Warum fallen solche Fehlleistungen nicht früher auf ? Schläft der Rechnungshof, der nicht bloß Ordnungsmäßigkeit sondern auch Wirtschaftlichkeit prüft.
Kleopatra
15. Februar 2020 @ 06:10
Immunität ist leider letztlich eine politische Frage. Wenn das EP sich weiter einreden lässt, ein Sturz der Kommission sei eine Katastrophe und man müsse vdL deshalb unbedingt halten, wird sie auch (wie man in England sagen würde) mit einem nachgewiesenen Mord durchkommen, umso mehr wenn sie nur eine Staatskasse geschädigt hat und dazu noch nicht einmal die der Union, sondern nur die deutsche (ich könnte mir denken, dass außerhalb Deutschlands hierfür vor allem Spott die Reaktion sein wird). Damit das EP eine Immunität aufhebt, muss ihm das politisch sinnvoll erscheinen. Deshalb werden sie eher Puigdemont u.a. der politischen Verfolgung durch die spanische Justiz in den Rachen werfen (damit kann man sich Freunde bei den sowohl in der christdemokratischen als auch in der sozialdmokratischen Fraktion zahlreichen spanischen Abgeordneten machen), als vdL in Deutschland einer Strafverfolgung aussetzen, weil sie den deutschen Staat geschädigt hat.
Objektiv gesehen hat vdL demonstriert, wie man es nicht machen sollte: Sie hat versucht, Managementmethoden von außerhalb einzuführen, sich damit von Beraterfirmen abhängig gemacht und eine Situation geschaffen, in der letztere einander Beraterverträge zugeschanzt haben. Wenn in so einer Situation jemand einen Einwand hat, wird er als „Bedenkenträger“ beschimpft. Heute versucht sie, diesen Teil ihrer Amtsführung zu vertuschen. Aber auch hier gilt: Die Opposition kann sie per Untersuchungsausschuss zwar in der Öffentlichkeit vorführen; aber ob sie wirklich bestraft wird, ist eine politische Entscheidung. Für Taten wie die der Ministerin vdL landen nur die Gefänfnis, bei denen es opportun erscheint.
ebo
15. Februar 2020 @ 09:58
Gute Analyse, sie trifft den Nagel auf den Kopf
Kleopatra
15. Februar 2020 @ 12:06
Ich habe nochmal im Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union nachgeschaut. Danach haben zwar lt. Artikel 9 die Abgeordneten des EP dieselbe parlamentarische Immunität wie in ihren jeweiligen Mitgliedstaaten, über einen Schutz von Kommissionsmitgliedern vor Strafverfolgung steht dort aber nichts. Deshalb glaube ich nicht, dass eine Entscheidung des EP über eine Strafverfolgung von vdL notwendig wäre. Was nichts daran ändert, dass Politiker wegen ihrer Politik ohnehin nur in Extremfällen bestraft werden.
Freiberufler
14. Februar 2020 @ 14:08
Man braucht vdL kein Fehlverhalten nachzuweisen. Wir reden hier von Aufträgen, die aufgrund ihres Volumens und ihrer grundsätzlichen Bedeutung über den Tisch der Ministerin laufen mussten. Wenn sie nichts wusste, wie sie behauptet, dann ist sie unfähig und gehört erst recht gefeuert.
Peter Nemschak
13. Februar 2020 @ 19:46
Deutschland hatte das Lehrgeld für vdL zu zahlen. Sollte sie gelernt haben, könnte die EU den Vorteil daraus lukrieren. Wenn nicht, wäre sie zu entfernen.