Von der Leyen bleibt, Trump kommt – und Scholz schürft Lithium
Die Watchlist EUropa vom 20. Juli 2024 – heute mit der Wochenchronik.
Es war die letzte und größte Hürde: Nach wochenlangem Tauziehen hat sich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine Mehrheit im Europaparlament gesichert. Die deutsche CDU-Politikerin wurde mit 401 von 707 abgegebenen Stimmen in ihrem Amt bestätigt, 284 Abgeordnete stimmten gegen sie.
Das Ergebnis sei „ein starkes Signal des Vertrauens“ und „viel besser“ als vor fünf Jahren, freute sich die 65-Jährige. Damals war die Wahl äußerst knapp; diesmal erhielt sie 41 Stimmen mehr als nötig.
Mit der Bestätigung durch das Parlament ist der Weg für eine zweite Amtszeit von fünf Jahren frei. Sie steht im Zeichen des Krieges um die Ukraine, der US-Präsidentschaftswahl und der Klimakrise.
Von der Leyen war 2019 in ihr Brüsseler Amt gekommen, ohne sich an der Europawahl beteiligt zu haben. Diesmal war sie zwar Spitzenkandidatin der konservativen EVP, stand jedoch auf keinem Wahlzettel.
Die Staats- und Regierungschefs hatten sie im Juni nominiert; nur Italien und Ungarn zogen nicht mit. Auch bei der Abstimmung im Europaparlament sagten die Anhänger von Meloni und Orban Nein – genau wie die FDP 🙂
Grüne gaben den Ausschlag
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Ausdrücklich bedankte sich von der Leyen bei den Grünen, die offenbar den Ausschlag für ihre bis zuletzt umstrittene Wiederwahl gegeben haben. Die Ökos wurden von Wahlverliereren zu Mehrheitsbeschaffern!
Im Wahlkampf hatte die CDU-Politikerin noch mit Rechten geflirtet, die Grünen haben sie wegen ihres Schlingerkurses beim Klima kritisiert. Nun steht der “Green Deal” wieder auf dem Programm – aber als “Clean Industrial Deal”.
Im Vordergrund stehen aber “Wettbewerbsfähigkeit” (die EU ist unter VDL I. zurückgefallen), Aufrüstung (das Parlament will einen “Sieg” über Russland) und ein “Demokratieschild” zum Schutz gegen “Desinformation”.
Kritiker bemängeln, dass sie mit diesen und anderen Versprechen ihre Kompetenzen überschreite. Die Verteidigung ist eine nationale Aufgabe. Zudem drohen nun noch mehr Eingriffe in die Presse- und Meinungsfreiheit…
Mehr hier (Wie konnte es zu VDL II. kommen?) und hier: Von der Leyen und die post-demokratische Wagenburg
Was war noch? Ex-Präsident Donald Trump wurde beim Parteikongreß der Republikaner offiziell für eine zweite Amtszeit nominiert. Er gibt sich moderater, sein Vize J. D. Vance dagegen umso kämpferischer.
Von der Leyen und den anderen EU-Granden fiel dazu nichts ein; bisher gibt es auch keine Strategie für den Umgang mit Trump und möglichen Friedensinitiativen für die Ukraine. Meine Analyse hier (Makroskop).
Außerdem ist Kanzler Scholz zu einem Blitzbesuch nach Serbien geflogen, wo er sich fürs umstrittene Schürfen von Lithium stark machte. Deutschland und die EU brauchen das begehrte Leichtmetall für E-Autos.
Bisher waren die Beziehungen zu Serbien angespannt, Regierungschef Vucic gilt als Russland-freundlich. Doch mit dem “europäischen” Lithium kann man unabhängiger von China werden. Geopolitik in action, Werte weniger 🙂
Dies war die letzte “Watchlist” vor der Sommerpause. Weiter geht’s am 20. August. Mehr Newsletter hier.
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Titi
21. Juli 2024 @ 11:21
Interessant, dass die Anhänger von Meloni im EU-Parlament nicht für Von der Leyen stimmten, obwohl VdL und Meloni in der Öffentlichkeit wie „gute Freundinnen„ wirkten. BTW, auch die österreichischen sozialdemokratischen EU-Abgeordneten stimmten für VdL, auch die von anderen (österreichischen)Parteien. Von den EU-Österreichern stimmten nur die EU-Abgeordneten der rechtspopulistischen FPÖ gegen VdL. Von den Sozialdemokraten/innen hätte ich mir mehr Rückgrat erwartet.
Arthur Dent
20. Juli 2024 @ 18:32
@Thomas Damrau
„America first“ ist nicht die Maotte eines Einzelnen, sondern die außenpolitische Partitur aller Präsidenten bis zum heutigen Tag. Unterschiede in Stil und Rhetorik sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass im Zweifel ein atavistischer Grundsatz gilt: Der Starke herrscht, der Schwächere folgt, der Schwächste duldet.
Thomas Damrau
20. Juli 2024 @ 13:24
Zu Vucic
Der Sympathie-Werte-Westen folgte schon immer der einfachen Formel: Sympathie_Wert = Wert_als_Kunde + Wert_als_Lieferant – Konkurrenz_als_Lieferant – Begangene_Schweinereien (der letzte Summand ist dabei im Zweifelsfall unwichtig).
Und Vucic kann eben mit hohem Wert_als_Lieferant (bei gleichzeitig niedrigem Konkurrenz_als_Lieferant —> Vucic sollte natürlich nicht versuchen, selbst Akkus zu bauen) ordentlich punkten.
Zu Trump
Die Einschätzung, das hegemoniale America-First eines Biden („Die Welt ist unser.“) sei die Antithese zu dem isolationistischen America-First eines Trump („Die Welt kann uns am A…. lecken.“), war schon immer fragwürdig.
Werden uns daran gewöhnen müssen, dass die USA ab nächstem Jahr mit sich selbst beschäftigt sein werden. Vermutlich schlecht für die BürgerInnen der USA – ob es schlecht für den Rest der Welt ist, wird sich zeigen.
Arthur Dent
20. Juli 2024 @ 13:04
“Deutschland und die EU brauchen Lithium für E-Autos” – ja, aber wer braucht E-Autos? Man hätte ja die chinesischen nehmen können. Die sind billiger und Lithium haben die auch.
Vielleicht ist aber alles nur ein Schreibfehler… schlürfen sollte es heißen, Olaf schlürft Lithium. 🙂
ebo
20. Juli 2024 @ 13:11
Stimmt. Deutsche E-Autos werden nicht mehr gebraucht – Audi will sein Werk in Brüssel schließen, wegen mangelnder Nachfrage 🙂
exKK
20. Juli 2024 @ 14:39
Hatte nicht auch Mercedes unlängst die neue Plattform für E-Autos gestoppt?
Das böse Erwachen wird für die Kunden kommen, wenn sie am eigenen Geldbeutel merken, wie wenig nachhaltig diese Elektroautos sind. Verbrenner kann man ohne Probleme 20 und mehr Jahre wirtschaftlich nutzen, diese Haltbarkeit wird sich bei Elektroautos mindestens halbieren.