Vestager und die „Industrie der Angst“

Selten hat eine Bewerbung um einen EU-Topjob so wenig Begeisterung ausgelöst wie M. Webers Kandidatur um die Juncker-Nachfolge. Mehr Beifall erhielt EU-Wettbewerbskommissarin Vestager – mit einer Rede vor dem Brüsseler Thinktank Bruegel.

Der Vortrag wurde von Beobachtern als Testballon gewertet – Vestager wird als mögliche Gegenkandidatin zu Weber gehandelt, vor allem Frankreichs Macron hält große Stücke auf sie.

Ich habe mir die Rede durchgelesen – und bin enttäuscht. Kein einziger Vorschlag zur Zukunft Europas, keine Vision, noch nicht einmal eine vernünftige Analyse der Krise der EU.

Stattdessen viele staatstragende Worte, die sich in einem Satz zusammenfassen lassen: „Don’t worry, be happy!“ Die Welt sei in den letzten Jahren besser geworden, so Vestager, auch Europa gehe es gut.

Nur die bösen Blogger, Journalisten und Populisten verderben der EU und ihren treu sorgenden Kommissaren das Spiel. Vestager spricht sogar von einer „Industrie der Angst“ bzw. Sorge:

But the worry industry wants us to see things differently. It wants people to see only the crisis, and not the way our democracies have responded. It wants us to believe that our values of democracy, of openness, of protecting vulnerable people, make it impossible to deal with the crisis. And in doing that, its greatest ally is our very own minds – our own tendency to see the dramatic problems, and not the careful solutions.

Alles halb so wild, will sie uns sagen. Mit „demokratischer, liberaler Politik“ lassen sich die Probleme schon lösen – sogar beim Handel, auch mit den Flüchtlingen. Wie das gehen soll, sagt Vestager jedoch nicht.

Deshalb taugt ihre Rede auch nicht als Bewerbungs-Schreiben. Vestager fällt sogar hinter EU-Kommissar Oettinger (CDU) zurück. Das europäische Projekt sei „in Lebensgefahr“, sagte Oettinger fast zur selben Zeit, da Vestager alles schön färbte.

Da ist man ja schon fast gespannt, was ihr gemeinsamer Chef Juncker am kommenden Mittwoch in seiner Rede zur Lage der Union sagen wird…