Vertagen, bis Schäuble weg ist
Deutschland streitet weiter mit dem IWF um einen Schuldennachlass für Griechenland. Nun hatte Finanzminister Schäuble eine geniale Idee: Man könnte den Konflikt doch einfach vertagen, bis er weg ist!
Das war jedenfalls der letzte Schrei beim Treffen der Eurogruppe am Dienstag. Der Schuldenstreit könne bis nach der Bundestagswahl 2017 verschoben werden, hieß es. Danach ist Schäuble wohl nicht mehr im Amt.
So oder so bleibt die harte, ökonomisch widersinnige deutsche Haltung das Haupthindernis für eine Lösung der griechischen Krise. Das zeigte sich auch bei der Debatte über das griechische Austeritätsprogramm.
Obwohl Premier Tsipras Sparmassnahmen durch das Parlament gepeitscht und einen noch nie dagewesenen Kürzungs-Automatismus eingeführt hat, forderte Schäuble weitere Nachbesserungen.
Daran werde die geplante Auszahlung eines neuen Hilfskredits von 10,3 Mrd. Euro an Athen zwar nicht scheitern, sagten Diplomaten am Rande des Eurogruppen-Treffens.
Allerdings soll die Hilfe in mehrere Tranchen zerlegt werden, so dass Tsipras länger warten muss – und die Eurokrise auf kleiner Flamme weiter kochen kann. Hoch lebe Schäuble!
Skyjumper
25. Mai 2016 @ 11:59
Ich kann mir sogar sehr leicht vorstellen welche “Europäer” ein Interesse daran haben die einzig sinnvolle Lösung (Schuldennachlass) jetzt vorzunehmen.
@ebo hat die beiden Hauptakteure doch schon richtig benannt. Dazu kommen noch alle Griechenland”hilfe”-Durchwinker aus dem deutschen Parlament. Und in anderen EU-Ländern wird es ähnlich aussehen. Denn all diese Akteure haben unisono versprochen:
+ Es handelt sich nur um Kredite und Bürgschaften
+ Wir machen damit ein gutes Zinsgeschäft
+ Wir werden jeden Cent zurückerhalten
Nunmehr etwas zu beschliessen was offenlegen würde was die Kritiker (und eigentlich jeder verständige Mensch) bereits immer behauptet haben, nämlich dass die Steuermilliarden die in die sogenannte Griechenlandhilfen geflossen sind futsch sind, wäre aus Sicht der Lügner keine gute Idee.
Speziell bei Schäuble käme hinzu dass er in dem Moment wo die Schuldenstreichung beschlossen würde seinen kompletten Haushalt über Bord kippen müßte. Aus neutralen Krediten und Bürgschaften würden schlagartig haushaltsrelevante Ausgaben. Ade schwarze Null, willkommen tiefstroter Haushalt mit rekordverdächtigen Haushaltsdefizit. Ade dann auch Schuldenbremse. Ade dann auch die Einhaltung der EU-Neuverschuldungsgrenze von 3% p.a. aus der die deutsche Politik bisher einen Gutteil des moralisch erhobenen Zeigefingers bezieht.
Für Schäuble und die CDU hängen an dieser Frage vielleicht noch primär “nur” Wahlaussichten. Doch für die anderen Regierungen gilt ähnliches. Die Haushalte Frankreichs, Italiens und Spaniens sehen jetzt schon nicht gut aus. Wenn aus Krediten Ausgaben geworden sein sollten, sieht es noch viel schlimmer aus. Auch die müßen sowas ihren Bevölkerungen erst einmal verkaufen. Das aus Hilfen für “die Griechen” nun plötzlich Einsparzwänge für die eigene Bevölkerung entstehen.
Ich bin mir auch nicht sicher ob die von @Peter Nemschak genannten 85 Mrd. € schon die komplette Summe sind mit der DE im Feuer steht. Also bilaterale Kreditabkommen, plus EZB Anteil, plus ESM (inkl. EFSM + EFSF) Anteil. Überschlägig sollte das aber passen. Eine Menge Knete. Eine bessere Wahlkampfhilfe für 2017 könnten sich “Die Linke” und die AFD gar nicht wünschen.
Peter Nemschak
25. Mai 2016 @ 10:34
Sie verwechseln “unterdrücken” und “kreditieren”. Der stärkste und größte Kreditgeber schafft im gegenständlichen Kreditkonsortium nun einmal an. Das gilt für Staaten wie für Unternehmen. Der Kreditnehmer hat die Möglichkeit Rückzahlung zu verweigern, mit Nachteilen für sich und die Kreditgeber.
Andreas Meyer
25. Mai 2016 @ 11:39
Ein “Kreditnehmer” darf nicht einfach Verträge brechen.
In unserem Beispiel ist dies aber gar nicht nötig.
Der “Kreditnehmer” Griechenland hätte z.B. das Recht, ein Moratorium zu beschliessen (zumindest für bestimmte Schulden), während ein Audit von einer unabhängigen Kommission durchgeführt wird. Dies ist vereinbar mit dem Völkerrecht. Die europ. Vereinbarungen zum ESM fordern (obligatorisch) ein Audit der Ursachen einer hohen Verschuldung. Nur hält sich niemand daran, weil dann herauskäme, dass die Staatsschuldenkrise in Wirklichkeit eine durch deutsche und franz. Banken verursachte Finanzkrise ist. Derzeit läuft eine Anfrage an das europ. Parlament mit der Bitte um Klärung, warum diese Forderung nach einem Audit in den Fällen von Portugal, Spanien und Irland nicht umgesetzt wurde.
Während das Moratorium läuft, dürfen dem Kreditnehmer theoretisch keine Nachteile erwachsen. Desweiteren gibt es nach dem internationalen Recht eine Jurisprudence, welche zeigt, dass es möglich ist, bestimmte Schulden nicht zu honorieren, bzw. notwendige Anpassungen an der Höhe der Schulden durchzusetzen. Voraussetzung dafür ist, dass die Schulden nach internationalem Recht illegitim sind.
Vgl. Argentinien, Equador, Island, etc.
http://de.cadtm.org/
Peter Nemschak
25. Mai 2016 @ 13:34
Sie sind Opfer eines falschen Diskurses, der vor allem bei den marktwirtschaftsfeindlichen Roten beliebt ist. Die so genannte Rettung der französischen und deutschen Banken erfolgte nicht mit der Zielsetzung einzelne Banken zu retten – die Banken hätten einen Zahlungsausfall Griechenlands auf Grund der relativ geringen Höhe aus eigenen Reserven oder Kapitalerhöhungen wegstecken können – sondern um das System als ganzes zu stabilisieren, da 2010 Ansteckungsgefahr durch Spanien und Italien bestand, welche das europäische Bankensystem, auch Banken, die kein Griechenlandrisiko auf den Büchern hatten, und damit die Realwirtschaften in der gesamten EU gefährdet hätten. Im übrigen mussten die in Griechenland investierten Banken damals vor allem auf Betreiben Deutschlands Kapitalverluste hinnehmen. Der von Ihnen angesprochene Audit würde zeigen, dass sich Griechenland nach Einführung des EURO auf Grund stark gesunkener Zinsen übermäßig verschuldet hat, sowohl im öffentlichen wie im privaten Bereich. Wenn man die Konstruktionsfehler des Euro dafür verantwortlich macht, muss man entgegen halten, dass andere Länder mit diesem Fehler besser als Griechenland zurecht gekommen sind. Sie tun geradezu so, als würden die Regierungen der überschuldeten Staaten aus unmündigen Kindern bestehen. Die griechische Wirtschaftspolitik war seit Jahrzehnten unfähig, das Land in die Moderne zu führen. Letztlich sind im roten Diskurs immer die bösen Kapitalisten und die Ungleichheit auf der Welt an allem schuld.
Skyjumper
25. Mai 2016 @ 16:05
@Peter Nemschak
Selbst bei marktwirtschaftsfreundlicher Sichtweise muss man schon beide Augen gehörig zukneifen um Ihrer Interpretation zu folgen.
Zum einen waren die fraglichen Summen nicht so klein wie Sie glauben, oder Sie überschätzen die Leistungsfähigkeit der betroffenen Bankinstitute. Über den seinerzeitigen Zustand der Commerzbank müssen wir wohl kaum diskutieren, die hing da bereits am Staatstropf. Und das Tier1-Kapital der Deutschen Bank betrug gerade mal 35 Mrd. €. Bei den franz. Bankinstituten sah es ähnlich aus, wie ja die letztlich dann doch noch “verstaatlichte” Dexia eindrucksvoll zeigte.
Zum anderen sollte man nicht vergessen dass die Politik und die globale Finanzwelt noch sehr frisch unter dem Eindruck der völlig unterschätzten Dominoeffekte der Lehmanpleite standen. Ich würde daher schon sagen dass es der Politik, dem IWF und der Finanzindustrie in erster Linie um die Stabilisierung der Bankinstitute ging.
Es ist auch nur eingeschränkt richtig wenn Sie sagen dass die Banken Kapitalverluste hinnehmen mußten. Beim 1. Rettungspaket zu war ein Haircut ausdrücklich ausgeschlossen wurden. Erst beim 2. Rettungspaket gab es einen Haircut. Initiator dafür war aber in erster Linie der IWF. Die deutsche Politik ist nur notgedrungen auf den bereits fahrenden Zug aufgesprungen.
Andreas Meyer
25. Mai 2016 @ 10:21
@S.B. Schäuble hat dies auch auf seinem brüsseler “doorstep” Interview so formuliert. Es käme nicht in Frage, vor den Wahlen in 2017 den Bundestag zu diesem Thema zu befragen. Warum eigentlich nicht? Das wäre doch Demokratie, oder?
Und es gäbe ja auch den “moral hazard”, führte Schäuble fort, d.h. die Notwendigkeit, weiterhin über Druckmittel in Bezug auf Griechenland zu verfügen.
Seit 2010, dem Jahr in dem die Krise in Griechenland ausbrach, haben Wahlen in Deutschland, und d.h. letztendlich die öffentliche Meinung in Deutschland, immer wieder wichtige Entscheidungen verwässert und als Mittel der Erpressung gedient, vor allem um aus der dringenden Notwendigkeit der Haushaltskonsolidierung in Griechenland letztendlich eine unmenschliche Austerität zu machen.
Schäuble hat gestern unverholen demonstriert, was er von Demokratie hält: nichts.
Deutsche Wähler haben gewissermassen hergehalten, um den IMF, die Kommission und eine Reihe anderer Länder der Eurozone zu überstimmen; es ist offensichtlich wichtiger ein Land zu unterdrücken, auch wenn es dann in der sehr schzeren Rezession stagniert, als einen Teil der Kontrolle abzugeben. In Spanien sind im Juni wieder Wahlen und es muss klar sein, dass einer linken Regierungen keine “Geschenke” gemacht werden. Und es ist wichtiger, erst einmal die nächsten Wahlen in Deutschland zu gewinnen. Schäuble sagte dazu wortwörtlich: “Auch dies sei Demokratie”. Leider auch falsch. In einer Demokratie ist der Bürger souverain und ein Projekt zur Schuldenerleichterung müsste somit allen Bürgern der EU zur Abstimmung vorlgelegt werden. Es reicht nicht, die Demokratie in Deutschland in Feld zu führen und damit den Demos in Griechenland; Portugal, Spanien, etc. zu übergehen.
Insgesamt ein trauriges aber altbekanntes Beispiel von Heuchelei und des scheinheiligen Missbrauches des Begriffes Demokratie. Wer möchte noch ein Europa, dass so funktioniert.
S.B.
25. Mai 2016 @ 10:54
@Andreas Meyer: Ich sehe nicht, dass Ihr Kommentar im Widerspruch zu meinem steht. Ein von den USA fremdgesteuertes Land wie D, kann eben mit Demokratie auch nur sehr wenig, nämlich maximal zum Schein, zu tun haben. Man nennt das Scheindemokratie. Da Deutschland der amerikanische Brückenkopf in Europa ist, und D in diesem Sinne die amerikanischen Befehle auf EU-Ebene umsetzt, gilt das Gleiche für die EU. Ich möchte genauso wenig ein Europa, das so funktioniert, wie Sie und viele andere auch.
Andreas Meyer
25. Mai 2016 @ 11:28
@S.B. Über die “Scheindemokratie” auf europäischer Ebene sind wir uns also 100% einig. Auf nationaler Ebene funktioniert aus diversen Gründen die Demokratie auch nur schlecht als recht.
Was die Rolle der USA betrifft, so fehlen mir persönlich konkrete Informationen, um Ihren Standpunkt zu belegen.
S.B.
25. Mai 2016 @ 14:02
@Andreas Meyer: Auch national haben wir bestenfalls eine Scheindemokratie und auch nur für diejenigen, die nicht genau hinsehen.
Zur Rolle der USA: Bitte noch einmal ganz oben meinen obersten Kommentar lesen und dem Link folgen.
S.B.
25. Mai 2016 @ 09:02
Man kann sich im Grund nicht vorstellen, dass irgendein Europäer ein Interesse an dieser anhaltenden, völlig destruktiven Situation hat. Den Europäern nützt dieses perverse Spielchen rein gar nichts. Wem nützt es also? Schauen wir mal hier: http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2016/05/25/bau-einer-us-pipeline-griechenland-muss-im-euro-bleiben/
ebo
25. Mai 2016 @ 09:10
S.b. Doch, und es ist nicht irgendein Europäer. Es sind Merkel und Schäuble, die ein massives Interesse an dieser Situation haben. Sie spielen mit Griechenland das tolle Spiel: Kick the can down the road – bis nach er Bundestagswahl. Hauptsache, CDU/CSU müssen nichts neues beschließen und die Machtbasis in Berlin ist gesichert.
S.B.
25. Mai 2016 @ 09:48
@ebo: Nein, Merkel und Schäuble sind nur die Befehlsempfänger aus Washington – nicht mehr und nicht weniger. Deshalb sind sie auch keine Europäer in dem von mir gemeinten Sinne. Auch nach der nächsten Bundestagswahl wird sich deshalb nichts ändern; genauso wenig, wie nach der letzten Bundestagswahl. Die EU-Marschrichtung wird aus Amiland diktiert und zwar per Deutschland. Es ist insofern auch völlig egal, wer hier gerade an der Macht ist.
Peter Nemschak
25. Mai 2016 @ 10:02
Unsinn: derzeit braucht Griechenland keinen Schuldennachlass, mittelfristig schon. Deutschland braucht angesichts seiner hohen Forderungen (mehr als Eur 85 Milliarden) weiterhin volle Kontrolle über den griechischen Haushalt – im Interesse der deutschen Steuerzahler. Die Alternative wäre ein Grexit (Ausscheiden aus dem Euro unter Beibehaltung der Mitgliedschaft in der EU), den Griechenland aber nicht anstrebt.