Versteckspiel um den deutschen Impfstoff-Nationalismus

Die Bundesregierung in Berlin brüstet sich, im Alleingang 30 Millionen Extra-Dosen des Corona-Impfstoffs von Biontech gesichert zu haben. Doch in Brüssel will man davon nichts wissen. Die EU-Kommission mauert, das Europaparlament zögert.

In keinem EU-Land ist die Debatte um die europäische Impstrategie so aufgeregt wie in Deutschland. Und nirgendwo brüstet man sich so offen wie in Berlin, im Alleingang mehr Impfstoff ergattert zu haben.

So erklärte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums voller Stolz, dass “wir aus EU-Verträgen rund 60 Millionen Biontech-Impfstoffe bekommen und aus bilateralen Verträgen beziehungsweise Absprachen, Zusagen 30 Millionen, insgesamt 90 Millionen in diesem Jahr”.

Offenbar wollte er damit den Vorwurf abwehren, wonach “wir” zu wenig Impfstoff erhalten hätten. Weniger Mühe verwendet man in Berlin darauf, zu erklären, wie die deutsche Extrawurst mit der europäischen Sammelbestellung vereinbar ist.

Auch in Brüssel ist man nicht wirklich um Aufklärung bemüht. Hier erleben wir vielmehr ein Versteckspiel. Auf keinen Fall will man einen neuen Clash riskieren wie im März 2020, als Deutschland dem notleidenden Italien Hilfe verweigerte.

Und so eiern sie rum, die EU-Vertreter. Nationale Lieferabsprachen untergrüben den europäischen Ansatz, erklärte Gesundheits-Kommissarin Kyriakides. Doch Ross und Reiter wollte sie nicht nennen, das Wort “Deutschland” kam ihr nicht über die Lippen.

Noch weiter ging die Verhandlungsführerin der EU-Kommission, S. Gallina. “I have not seen yet one [bilateral deal], I do not think I will ever. They do not exist based on what I have been told, [but in any case], the quantities [purchased] for Europe come first.”

Offenbar soll die deutsche Extrawurst unter den Teppich gekehrt werden. In der “FAZ” kann man lesen, wie das geht: Durch die jüngste Nachbestellung bei Biontech sei die deutsche Sonderorder “verschwunden”. Jetzt gehe sie “in der erhöhten EU-Bestellung auf”.

Ist das wirklich so? Oder haben wir es hier nicht doch mit einem Fall von deutschem Impf-Nationalismus oder einer egoistischen Industriepolitik zugunsten von Biontech zu tun? Das könnte ein Ermittlungsausschuß im Europaparlament aufklären.

Doch die Abgeordneten zögern. Die Idee steht zwar im Raum – doch ausgerechnet die deutschen Sozialdemokraten wollen nichts überstürzen. Dabei schimpft doch die SPD in Berlin am lautesten über die “Impfstoffknappheit”…

Siehe auch “Von der Leyen weicht Fragen zu deutscher Extrawurst aus” und “Bestellt Brüssel zu wenig Impfstoff für Deutschland? Ganz im Gegenteil”