Verschleierungstaktik beim Brexit
Wenn es ernst wird, muss man lügen. Dieser Satz, der EU-Kommissionschef Juncker zugeschrieben wird, scheint auch bei den Brexit-Verhandlungen zur Anwendung zu kommen. Brüssel und London wollen ihre entscheidenden Schritte verschleiern.
Das legen Berichte in der “Süddeutschen” und dem “Guardian” nahe. Die SZ meldet, dass der Brexit-Deal bis Sonntag stehen, aber möglichst geheim bleiben soll – damit Premierministerin May ihn danach ihrem Kabinett schmackhaft machen kann.
Für diesen Sonntag ist vermerkt: “Deal gemacht. Nichts öffentlich gemacht (in der Theorie)”, zitiert die Zeitung aus einem nicht veröffentlichten, internen Dokument der EU-Unterhändler. Das heißt ja wohl auch, dass die Deals im Dunkeln bleiben sollen.
Dazu passt ein Artikel im “Guardian”. Das britische Blatt vermeldet einen “secret Brexit plan”, der eine Verlängerung der Übergangsphase nach dem EU-Austritt vorsehen soll. Normalerweise sollte diese Phase nur 21 Monate dauern – bis Ende 2020.
Um zu verhindern, dass Nordirland weiter EU-Regeln unterliegt, während das restliche UK aussteigt, könne die Übergangslösung aber verlängert werden, schreibt der “Guardian”. So solle die nordirische DUP besänftigt werden, die May zur Macht verhalf.
Demgegenüber heißt es in Brüssel, dass Nordirland in der Zollunion mit der EU bleibt – und zwar so lange, bis ein Freihandels-Abkommen und eine Grenzregelung ausgehandelt ist. Das könnte Jahre dauern, Nordirland wäre de facto von UK abgekoppelt.
Für die Nordiren ist das ein Horror-Szenario. Demgegenüber fürchten die Brexiters in London vor allem, dass es nach der Übergangsphase eine weitere Karenzzeit geben könnte. Der Brexit würde so zur “never ending story” und vielleicht nie vollendet.
All das wird hinter verschlossenen Türen diskutiert, die Öffentlichkeit soll davon so wenig wie möglich erfahren. Klar, es geht um wichtige, für UK vielleicht lebenswichtige Fragen. Aber wo bleibt die Transparenz, wo die Rechenschaft gegenüber den Wählern?
Ich fürchte, die Bürger auf beiden Seiten des Kanals haben nichts zu melden – wie immer, wenn es ernst wird. Um davon abzulenken, könnten die EU-Granden neue Russland-Sanktionen verhängen. Sie würden dann als “Solidarität mit UK” verkauft…
Siehe auch “Ein Brexit-Deal rückt näher – Neue Russland-Sanktionen auch”
kaush
14. Oktober 2018 @ 10:59
“Verschleierungstaktik beim Brexit”
Deshalb bin ich für ein Verbot der Verschleierung in der gesamten EU.;)
“Ich fürchte, die Bürger auf beiden Seiten des Kanals haben nichts zu melden – wie immer, wenn es ernst wird.”
Das war noch nie anders in der EU. Der Lissaboner Vertrag wurde komplett vom European Round Table of Industrialists (ERT) ausformuliert. Und dann von unseren s.g. Repräsentanten abgenickt.
Eine EU für Großindustrie und Banken. Punkt.
ebo
14. Oktober 2018 @ 12:20
Das stimmt so nicht. Der Lissabon-Vertrag geht auf die Berliner Erklärung zurück, die in einem Ort namens Berlin verfasst wurde. Danach wurde monatelang um die Details gefeilscht – teils unter deutschem, dann unter portugiesischem EU-Vorsitz. Ich war dabei, den ERT habe ich nicht am Werk gesehen…
Peter Nemschak
13. Oktober 2018 @ 19:22
Transparenz und Rechenschaft gegenüber den Wählern sind wichtig. Es gibt aber Situationen, wo die Wähler ihren Repräsentanten vertrauen müssen.