Für General Milley macht der Krieg keinen Sinn mehr
Die EU setzt mehr denn je auf einen “Sieg” der Ukraine. Dabei hat Russland schon auf allen Ebenen verloren, meint US-General Milley. Und die Ukraine kann nicht gewinnen. Für die US-Militärs verliert der Krieg seinen Sinn.
Russland habe den Krieg gegen die Ukraine “strategisch, operationell und taktisch” verloren, so der oberste Soldat der USA. Kremlchef Putin zahle einen enormen Preis auf dem Schlachtfeld.
Es ist derselbe Milley, der im Herbst erklärt hatte, keine Seite könne diesen Krieg gewinnen, der längst zu einem sinnlosen Abnutzungskrieg geworden ist. Deshalb sollten sich die USA auf Verhandlungen mit Russland vorbereiten.
Das hat er gardeo chmal wiederholt:
Gen Mark Milley, chair of America’s joint chiefs of staff, has said neither Russia nor Ukraine is likely to achieve their military aims, and he believes the war will end at the negotiating table.
The Guardian
Nimmt man beide Aussagen zusammen, so ist das Thema für Washington im Grunde durch. Russland hat verloren, Putin ist geschwächt, die Ukraine ist “frei und unabhängig” geblieben.
Wenn es jetzt zu einem Waffenstillstand käme, so hätten die USA ihre wichtigsten strategischen Ziele erreicht. Sie könnten sich zurückziehen und die EUropäer die Scherben aufkehren lassen.
Oder fehlt da noch was?
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Ja, da fehlt noch was. Zwar nicht aus Sicht der US-Generäle, die auf schnelle militärische Erfolge der Ukraine drängen, damit sie sich anderen Dingen zuwenden können (Iran, Nordkorea, China…)
Doch die Politiker in Washington sind noch nicht zufrieden. Für sie ist der “Job” erst dann erledigt, wenn sich EUropa in die ihm zugedachte Rolle fügt und die USA in der Ukraine “entlastet”.
Bisher war Deutschland dazu nicht bereit, weder politisch noch militärisch. Deshalb mußte es diszipliniert werden – mithilfe von Polen und Briten, womöglich auch mit dem Attentat auf Nordstream.
Den Schuß nicht gehört
Auch die EU hat den Schuß noch nicht gehört. Sie setzt auf einen “Sieg” der Ukraine, den sogar US-Außenminister Blinken für unwahrscheinlich hält – jedenfalls, wenn er die Krim einschließt.
Das Europaparlament ist besonders unbelehrbar. Es fordert unverdrossen Kampfjets für die Ukraine, dabei war dies nicht einmal beim jüngsten Treffen der Nato-Verteidigungsminister durchzusetzen.
Wann werden die EUropäer endlich verstehen, welches Spiel die Amerikaner spielen – und sich auf ihre eigenen Interessen besinnen? Wann hören sie auf, den Ukrainern zu folgen – und entwickeln eine eigene Exit-Strategie?
Siehe auch “Der Stellvertreter-Krieg überfordert die Nato”. Mehr zum Krieg in der Ukraine hier
P.S. Böse Zungen behaupten, die USA wollten einen langen Abnutzungskrieg, um Russland dauerhaft zu schwächen. Aber dafür haben sie ja schon die Sanktionen. Und das US-Militär denkt offenbar nicht so – es will sich neuen “Verteidigungs”-Aufgaben zuwenden und fürchtet eine – aus seiner Sicht – unnötige und gefährliche Eskalation…
Stef
17. Februar 2023 @ 09:35
Die Aussage von Milley ist mal wieder interessant, aber auch geschönt.
Interessant ist, dass Milley wieder den Sinn des Kriegs in Frage stellt. Dann aber beginnen seine Inkonsistenzen:
Erstens war das offizielle US Ziel nicht die Bewahrung der Neutralität der Ukraine, sondern deren Nato-Beitritt. Und dieses Ziel ist weiter entfernt denn je. Von daher verfehlen die USA zumindest ein Teilziel. Was sie womöglich erreichen, ist die dauerhafte Separierung Kerneuropas von den russischen Rohstoffen, was sie zu einem Sieger des Konflikts macht.
Zweitens scheint mir militärisch Russland nicht ebenso zu verlieren wie die Ukraine oder der Westen, sondern schlicht zu gewinnen. Dass dies nicht umsonst für Russland daherkommt, ist selbstverständlich. Die von Milley nicht thematisierte Frage ist eher, ob es für Russland auf die Dauer strategisch günstig ist.
Drittens zahlt Russland zwar einen ökonomischen Preis, dieser hält sich aber in Grenzen. Und er war vor dem Krieg absehbar. Russland hat sich erkennbar und gründlich darauf vorbereitet, vermutlich spätestens seitdem sie erkannt haben, dass Europa und der Westen nicht gedenken Minsk umzusetzen. Die Frage für Russland war und ist mithin nicht, ob sie einen Preis zahlen müssen für eine völkerrechtswidrige Invasion. Sondern ob der absehbare Preis das strategische Ziel wert ist. Das Ziel ist m.E. klar erkennbar die partielle oder vollständige Abwendung Russlands von den ökonomischen Verbindungen nach Europa sowie emeinsam mit der BRICS die Unterminierung und Ersetzung des globalen ökonomischen Frameworks dominiert durch die USA (Sichworte: Swift, Petro-Dollar etc.).
Was sich bei dieser Abwägung auszahlt oder nicht, muss man eher in Jahrzehnten bemessen. Kurzfristig ist zu konstatieren, dass Russland und China damit bisher erstaunlich erfolgreich sind, misst man es an der global ausbleibenden Unterstützung für den Kurs der Nato.
Die Aussage, Russland sei durch den Wunsch nach imperialistischer Expansion getrieben, anerkennt den imperialen Status Russlands implizit. Kann es uns da wirklich überraschen, dass sich Russland imperialistisch verhält, so wie historisch gesehen alle anderen Imperien der jüngeren und älteren Geschichte wie z.B. das Britisch Empire oder die USA heute?
Wollen wir dauerhaft Frieden mit Imperien (ggfs. auch als europäisches Imperium), müssen wir anfangen die imperiale Eigenlogik wieder zu verstehen und in Form von Politik einzuhegen. So wie es zur Lösung der Kuba-Krise geschehen ist. Dies würde erfordern anzuerkennen, dass man einem echten oder vermeintlichen Imperium nicht mit Waffen konkurrierender Mächte an die Grenzen rückt. Ignorieren wir das weiterhin, gibt es Krieg. Sei es in Kuba, der Ukraine oder in Taiwan.
Was jedenfalls nicht hilft, ist sich die Selbstauflösung eines Imperiums zu wünschen, während alle anderen weitermachen wie bisher. Das kommt reichlich unrealistisch und unwirksam daher.
Kleopatra
17. Februar 2023 @ 08:14
Russland ist auf imperialistische Expansion aus und daher müssen die anderen Staaten sich gegen Russland verteidigen können. Bisher hat sich z.B. Deutschland hier darauf verlassen, dass die USA ds übernehmen. Künftig muss Europa sich auch selbst gegen Russland schützen.
ebo
17. Februar 2023 @ 09:34
Sie wollen doch nicht etwa behaupten, dass sich die Nato nicht “gegen Russland verteidigen” kann? Oder gar nahelegen, dass Europa allein gegen Russland bestehen muß – ohne die USA und die Nato?
Das Problem entsteht nur, weil man so tut, als sei die Ukraine Teil der Nato und EUropas – also kontrafaktisch argumentiert…
Michael Erhard
17. Februar 2023 @ 16:30
Die Erfindung des russischen Imperialismus scheint manche Zeitgenossen so zu begeistern, dass er ständig wiederholt wird. Auch Russland muss sich verteidigen können. Obwohl seit 1991 unzählige Warnungen westlicher Diplomaten und Militärs erfolgten, man solle Russlands Sicherheitsinteressen nicht ignorieren, ist genau das passiert. Russland war erfolgreich in Georgien und auf der Krim. In keinem der beiden Fälle kam es danach zu weiteren Eroberungen. Die russische Expansion ist purer Unfug.
Arthur Dent
16. Februar 2023 @ 23:54
Kriege werden geführt, um den Gegner durch militärischen Sieg friedensbereit zu machen, und wenn man davon keinen Gebrauch macht, hat man den militärischen Sieg verschenkt. Wenn Russland schon auf allen Ebenen verloren hat, wie US-General Milley glaubt, dann wäre es ein unbegreiflicher politischer Elementarfehler, Möglichkeiten einen Waffenstillstand herbeizuführen oder Friedensverhandlungen aufzunehmen, einfach ungenutzt verstreichen zu lassen – offensichtlich fehlt es den Staatsführern hier zur Zeit noch an konstruktiver Phantasie.
Robby
16. Februar 2023 @ 22:20
@Art Vanderley
Blöd nur, dass Putin Minsk umsetzen wollte.
Das wäre der Schlüssel zur Lösung des Konflikts gewesen.
Friedlich.
Wie wir heute wissen haben das aktiv hintertrieben:
Merkel
Hollande
Poroschenko
Selenski
Alle haben das selber ausgesagt.
Zurück an den Start, nächster Versuch.
ebo
16. Februar 2023 @ 22:24
Nein, keiner will ein neues Minsk. Deshalb wird jetzt geschossen…
Art Vanderley
16. Februar 2023 @ 21:37
Ich fürchte, dieser Konflikt wird zeitlich weit hinausgehen über den Ukrainekrieg, ich sags sehr ungern, aber es muß danach nicht besser werden. Die nächsten Ziele russischer Interessen könnten Georgien und Moldau sein.
„P.S. Böse Zungen behaupten, die USA wollten einen langen Abnutzungskrieg, um Russland dauerhaft zu schwächen. “
Diese Kräfte gibt es und sie haben einen zu großen Einfluß. Der Punkt spielt eine wesentliche Rolle, der Westen hat einen ähnlichen Fehler begangen wie nach dem ersten WK und die Situation nach 91 ausgenutzt, nicht um einen Ausgleich a la Bismarck herzustellen, sondern einen dominanten Triumph. Das legitimiert nicht diesen Krieg und weitere, aber es hat in Rußland revanchistische Kräfte gestärkt, die auch Putin ein Stück weit bedienen muß, weil sie die einzige Opposition darstellen, die er aktuell fürchten muß. Die radikalsten dieser Kräfte wollen ein russisches Großreich , das bis nach Portugal reicht.
Solange er da einen heißen Krieg vorweisen kann, gelingt das ein Stück weit, ist dieser aber vorbei, braucht er das nächste Schlachtfeld.
Robby
16. Februar 2023 @ 17:33
Wenn die EU begreifft, dass der Ukraine-Krieg ihren Drang nach Osten endgültig gestoppt hat, Vernunft einkehrt (mit anderen Politiker), dann ist ein Ende des Konflikts möglich.
Vorher muss die EU diesen Krieg gewinnen, um nicht das Gesicht zu verlieren.
Die USA sind da schlauer, die schreiben die Bedeutung des Begriffes einfach um, siehe Gen. Milley.
KK
16. Februar 2023 @ 17:29
“Wann hören sie auf, den Ukrainern zu folgen…”
“Führer Selenskyj befiehl, wir folgen Dir”… den Eindruck, dass dieser Treuschwur in Brüssel von nahezu allen öffentlich sichtbaren Funktionsträgern geleistet wurde, habe ich langsam. Passt ja auch zur herrschenden Ideologie im Lande der Bandera-Verehrer, die uns als “demokratisch” verkauft wird.
european
16. Februar 2023 @ 17:29
Hier klingt das etwas anders:
https://www.afr.com/world/europe/neither-side-likely-to-prevail-in-russia-ukraine-war-us-general-says-20230217-p5cl8z
Im Grunde wiederholt er hier, was er schon im November gesagt hat.
„“It will be almost impossible for the Russians to achieve their political objectives by military means. It is unlikely that Russia is going to overrun Ukraine. It’s just not going to happen,” General Milley told the FT. “It is also very, very difficult for Ukraine this year to kick the Russians out of every inch of Russian-occupied Ukraine. It’s not to say that it can’t happen, … but it’s extraordinarily difficult. And it would require essentially the collapse of the Russian military.”
General Milley said he expected a negotiated outcome, although neither side was yet ready for peace talks as they were “dug in pretty hard on their objectives”. He advocated for a firm military deterrent against aggression, but with due regard in this case for Russia’s nuclear capability. “You have to be very, very conscious about managing escalation. At the same time, you have to uphold the principles for which the United Nations was founded and which the international order is resting on,” he said.“
Das klingt schon plausibler.