USA, China, Russland: Nach der Merkel-Ära sitzt die EU zwischen allen Stühlen
Was bleibt von der Europapolitik der vergangenen Woche? – Im Streit um U-Boote für Australien rückt die EU von US-Präsident Biden und dessen China-Politik ab. Brüssel droht Moskau wegen angeblicher Hackerattacken. Und die Ära Merkel geht zuende – so halb.
Die Woche begann mit einem Paukenschlag: Die EU-Spitze rückte von US-Präsident Biden und dessen unilateraler Politik gegen China ab. Biden hatte Frankreich bei einem U-Boot-Deal mit Australien ausgebootet – doch das war nur vordergründig das Problem.
Für Verstimmung und Zweifel sorgt in Brüssel vor allem, dass Biden die EU schon wieder übergangen hat – kurz nach dem rücksichtlosen Abzug aus Afghanistan. So könne man mit Alliierten nicht umgehen, klagt sogar Kommissionschefin von der Leyen.
Offenbar hat sie nicht verstanden, dass die EU für die USA kein wichtiger Alliiierter mehr ist, fortan dreht sich alles um China und die neue Anti-China-Allianz. Der Eklat war vielleicht der letzte Weckruf für den alten Kontinent – aus US-Sicht wird er bedeutungslos.
Doch die EUropäer brauchen die Amerikaner immer noch. Geradezu krampfhaft halten sie an einer neuen Handelsrunde fest, die in der kommenden Woche in Pittsburgh starten soll. Frankreich wollte das Treffen verschieben, konnte sich aber nicht durchsetzen.
Und ganz im Sinne von Biden droht die EU nun Russland wegen angeblicher Cyber-Attacken auf Deutschland und andere EU-Staaten. Die Drohung kam selbst für EU-Insider überraschend – denn bisher war nicht über nennenswerte Angriffe berichtet worden.
Die Bundestagswahl wird im Statement des EU-Außenbeauftragten Borrell übrigens mit keinem Wort erwähnt – auch wenn es viele Medien anders darstellen. Offenbar soll der Eindruck erweckt werden, Moskau wolle die Wahl stören – doch Belege nennt Borrell nicht.
Die außenpolitischen Manöver dieser Woche erwecken den Eindruck, dass die EU nicht weiß, was sie will. Sie protestiert gegen Biden, will ihn aber nicht verprellen. Sie droht Moskau und Peking, will aber weiter gute Geschäfte machen.
Die EUropäer sitzen zwischen allen Stühlen.
Das liegt auch an Kanzlerin Merkel, der plötzlich alle nachtrauern. Sie hat in der Russland- und China-Politik nationale Alleingänge hingelegt und so verhindert, dass sich die EU positionieren konnte. Bei ihrem letzten EU-Gipfel geriet sie deshalb in die Defensive.
Doch nun, da ihre Tage im Kanzleramt gezählt sind, scheint das vergessen. Die Medien überbieten sich in Elogen auf “Mutti”, in Brüssel macht sich Merkel-Nostalgie breit. Denn ohne sie, so die Sorge, könnte die EU noch schwächer werden als jetzt schon.
Aber keine Sorge: Beim nächsten EU-Gipfel Ende Oktober ist Merkel bestimmt noch dabei. Vielleicht bleibt sie gar bis Dezember…
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