Berlin und Paris streiten um Geopolitik, kind of

Die EU will “weltpolitikfähig” werden und Geopolitik machen. Bisher wußte niemand so genau, was das eigentlich heißen soll. Doch nun stellt sich heraus: Es geht darum, Albanien und Mazedonien aufzunehmen!

Dies zeigen die aufgeregten Reaktionen auf die Entscheidung Frankreichs und der Niederlande, den Start von Beitrittsgesprächen mit den beiden Balkan-Ländern erneut zu blockieren.

So werde die EU “weltpolitikunfähig”, kommentiert SPON. Nach dem Debakel um die türkische Invasion in Syrien drohe nun auch noch ein Streit beim EU-Gipfel um die Erweiterungspolitik.

Ohne die schon seit Jahren versprochene Eintrittskarte in die EU, so heißt es in Berlin, könnten sich die Balkanländer Russland und China zuwenden. Zudem würde die Glaubwürdigkeit leiden.

Allerdings ist kaum zu erwarten, dass Verhandlungen mit einem “failed state” wie Albanien die Glaubwürdigkeit und “Weltpolitikfähigkeit” EUropas erhöhen – ganz im Gegenteil.

Denn zum einen erfüllt Albanien offensichtlich nicht einmal die Mindestanforderungen an einen Beitrittskandidaten. Die EU-Kommission hat kein glaubwürdiges Urteil abgegeben.

Zum anderen dürfte die neue Erweiterungs-Runde, die Deutschland nun starten will, den Zusammenhalt (die “Kohäsion”) der EU weiter schwächen. Statt “Vertiefung” droht Verwässerung.

In Paris sieht man vor allem diese Gefahr. Erst einmal müsse man die EU festigen und den Brexit abschließen, bevor neue Länder aufgenommen werden können, heißt es dort.

“Wie soll man den Leuten die Idee vermitteln, dass wir Großbritannien gehen lassen, um jetzt Albanien aufzunehmen”, zitiert “Le Monde” einen (vermutlich französischen) Diplomaten.

Wohl wahr: Die “Weltpolitikfähigkeit” entscheidet sich eher in den Verhandlungen mit UK und mit der Türkei als im Startschuss für letztlich unbedeutende Länder wie Nord-Mazedonien oder Albanien.

Wenn es um eine harte “geopolitische” Haltung gegenüber der Türkei geht, steht übrigens Berlin auf der Bremse…

Siehe auch “Was heißt hier geopolitisch” und “Albanien: No future, aber beitrittsfähig?

P.S. Der Streit um die Erweiterung auf dem Balkan hat offenbar noch einen anderen Aspekt. Es gehe um den Ausbau der “Festung Europa”, kommentiert der europapolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, Andrej Hunko.

“Nach Abkommen zur Migrationsabwehr sollen die EU-Beitrittskandidaten des Westbalkans enger bei der Bekämpfung von Extremismus und Schleusungskriminalität kooperieren. Derartige Verträge kommen bei der dortigen Bevölkerung sehr schlecht an, sie sind auch für Beitrittsverhandlungen auf Augenhöhe ungeeignet”.