Drohte 2022 ein Atomkrieg in der Ukraine?
Der Starreporter Bob Woodward beschreibt in seinem neuen Buch ein Telefonat, das womöglich einen russischen Atomschlag in der Ukraine verhindert hat. Viel Neues bringt es aber nicht.
Laut Woodward kam es im September 2022 zu einem Telefonat zwischen den Verteidigungsministern der USA und Russlands, Lloyd Austin und Sergei Schoigu. Darin sei es um einen möglichen A-Waffen-Einsatz Russland gegangen.
Austin: „Wenn Sie das tun würden, würden alle Einschränkungen, unter denen wir in der Ukraine operiert haben, überdacht werden. Das würde Russland auf der Weltbühne in einem Maße isolieren, das ihr Russen nicht nachvollziehen könnt.“
Schoigu: „Ich schätze es nicht, wenn man mir droht.“
„Herr Minister“, sagte Austin laut Woodward, „ich bin der Anführer des mächtigsten Militärs in der Weltgeschichte. Ich mache keine Drohungen.“
So weit, so pikant. Viel Neues bringt dieser Dialog aber nicht. Dass es auf höchster Ebene Gespräche gab, war bekannt. Dass die USA mit massiver Vergeltung drohten, auch.
Es sprach sich sogar bis zur Nato in Brüssel herum. Hier war von einem massiven Militärschlag die Rede, der die russischen Invasions-Truppen auslöschen würde.
Russland setzte dann doch keine Atombombe ein. Ob das nun an den USA lag, ist jedoch weiter unklar. Auch China hat offenbar gewarnt.
Womöglich war der Einsatz aber auch nie geplant. Denn die Lage an der Front in der Ukraine hat sich – nach großen russischen Verlusten – damals stabilisiert.
Lehren aus Kubakrise ignoriert
Bitter ist, dass die Krise nicht genutzt wurde, um zu deeskalieren. In der Kubakrise war dies noch möglich, die USA und die Sowjetunion haben strategisch wichtige Waffen abgezogen und die Lage bereinigt.
Im Herbst 2022 hingegen haben beide Seiten noch mehr aufgerüstet. Die EU begann damals, von einem “Sieg” über Russland zu sprechen.
Auch die Nato hat ihre Kapazitäten vergrößert. Im Ernstfall könnte sie nun wohl tatsächlich eingreifen – nicht nur hinter der Front, sondern auch davor…
Alles zum Krieg um die Ukraine hier
Art Vanderley
12. Oktober 2024 @ 22:22
Der Kubakrise ging eine jahrelange krasse Aufrüstung voran und die Lösung die ich nicht als appeasement bezeichnen würde, kam ja erst nach zwei Wochen am Rande des Atomkriegs. So weit waren wir bisher nie in der Ukrainekrise, was nicht heißt das das nicht noch kommen kann.
Damals dürfte auch eine Rolle gespielt haben daß die arrivierten Generale noch sozialisiert worden waren mit rein konventionellen Armeen, und nicht jeder hatte dazugelernt daß A-Waffen die Situation komplett verändert hatten.
Interessant daß andere Kuba-Vergleiche in den etablierten Medien gerne weglassen daß die USA hier ihren Hinterhof geschützt haben, nach der immer noch gültigen Monroe-Doktrin.
Zweierlei Maß?
ebo
12. Oktober 2024 @ 23:03
Sorry ich meinte natürlich Containment
Art Vanderley
13. Oktober 2024 @ 21:15
Dürfte ohnehin auf eine ähnliche Lösung hinauslaufen, bei den geplanten Neuaufstellungen von Raketen geht es wohl auch um den Aufbau von Verhandlungsmasse. Sönke Neitzel durfte so etwas Ähnliches übrigens sagen, so mancher Militär ebenfalls, schon in der ersten Woche des Krieges, Wagenknecht u.a. wurden dafür verbal gesteinigt.
Andreas
12. Oktober 2024 @ 18:15
Wäre diese Buch nach den Präsidentschaftswahlen in den USA veröffentlicht worden, könnte ich vielleicht Ernst nehmen, was Woodward darin schreibt. So aber ist es wohl nur als letztes Gefecht gegen eine erneute Trump Präsidentschaft zu verstehen: „bloss keinen Putinfreund wählen“. Und da kann schon mal alles geschrieben werden, was gegen Trump und seine Aussage, mit Putin verhandeln zu wollen und den Ukrainekrieg zu beenden, in irgendeiner Weise hilfreich eingeschätzt werden könnte. Oder glauben wir wirklich, dass sich ein russischer Vergteidigungsminister von seinem US amerikanischen Gesprächspartner wie ein kleiner Junge behandeln lässt?
Kleopatra
12. Oktober 2024 @ 17:49
Dieser Bericht scheint zu bestätigen, dass die russische Führung durch subtile höfliche Ansprache nicht zu beeindrucken ist, sondern dass man Erfolg hat, wenn man ihr brutal droht. Das sind keine erfreulichen Aussichten. Letztlich hat die brutale Drohung auch in der Kubakrise funktioniert.
ebo
12. Oktober 2024 @ 19:33
In der Kubakrise hat sich erstmal gezeigt, dass die USA keine feindliche Militärpräsenz in ihrer Nähe dulden und dagegen mit aller Macht vorgehen. Danach haben sie Waffen aus der Türkei abgezogen und wieder auf Appeasement gesetzt. Diesmal hingegen handeln sie völlig anders. Daraus könnte man den Schluß ziehen, dass die US-Führung zu allm bereits ist, wenn es gilt, ihre Einflusssphäre auszuweiten oder zu halten. Das zeigt sich derzeit ja auch leider in aller Brutalität im Nahen Osten.
Kleopatra
12. Oktober 2024 @ 16:11
Dieser Bericht sieht danach aus, als ob es im Umgang mit Russland sinnvoll ist, ihnen richtig brutal zu drohen (was dann freilich auch glaubwürdig sein muss). Das ist, wenn es stimmt, keine schöne Feststellung, aber trifft wohl zu.
KK
12. Oktober 2024 @ 16:56
Gedroht wurde ja bereits: Direkt an der Grenze zu Russland in Bulgarien und Rumänien wurden bereits vor Jahren atomwaffenfähige Raketen, die ohne grosse Vorwarnzeiten Moskau erreichen können, aufgestellt, in Finnland und der Ukraine, deren legitime Regierung 2014 weggeputscht wurde, um sie durch Marionnetten zu ersetzen, ist das geplant.
Da fragt sich, wer hier der Rüpel ist, der nur „brutale Drohungen“ versteht… Russland oder doch eher die NAhTOd?
Kleopatra
12. Oktober 2024 @ 17:57
Die NATO hat keinen Aggressionskrieg gegen Russland begonnen, sondern Russland hat einen Krieg begonnen. Offenbar war die Drohung gegenüber den Russen nicht brutal genug.
Die Regierung Janukovič wurde nicht durch einen Putsch gestürzt, sondern durch Massenproteste, und nicht von der NATO, sondern von den eigenen Bürgern. Janukovič ist danach mit eingezogenem Schwanz zu seinem Herrchen nach Moskau geflohen.
Kleopatra
13. Oktober 2024 @ 05:33
Was haben Sie für einen Atlas, wenn bei Ihnen Rumänien und Bulgarien „direkt an der Grenze zu Russland “ gelegen sind?
KK
13. Oktober 2024 @ 11:22
Das Schwarze Meer bildet die Grenze… und es geht in dem Fall ja auch um Sewastopol. Die Raketen dort sind seit ihrer Aufstellung in der Lage, Russland strategisch signifikant zu schwächen und damit definitiv eine militärische Bedrohung.
KK
13. Oktober 2024 @ 11:30
„Die Regierung Janukovič wurde nicht durch einen Putsch gestürzt, sondern durch Massenproteste…“
Massenproteste, die vom Westen orchestriert und deren Teilnehmer zT vom Westen für deren Teinahme bezahlt wurden, unter massiver Nutzung (west-)ukrainischer Nationalisten mit Hang zum Faschismus (dazu nur beispielhaft die Stichworte Bandera und Swoboda). Anderen Staaten, die so agieren wie der Westen in der Ukraine, wird dann immer von westlicher Seite „Einmischung in innere Angelegenheiten“ vorgeworfen.
Die USA sind hingegen Weltmeister darin: allein in den vergangenen Jahren ca. 250 mal… und die Familie Biden war in der Ukraine ganz erheblich auch privat engagiert.
Kleopatra
13. Oktober 2024 @ 15:40
@KK: Bulgarien und Rumänien sind seit 2004 NATO-Mitglieder, Russland hat die Krim erst 2014 völkerrechtswidrig besetzt. Bis dahin war selbst aus russischer Sicht klar, dass sie zwar die Marinebasis Sevastopol’ gepachtet hatten, diese aber nicht russisches Territorium war, sondern ukrainisches; und die Annäherung geht auf einen russischen Expansionkrieg zurück.
KK
13. Oktober 2024 @ 18:37
@ Kleopatra:
Sewastopol war sowohl 2004 wie auch 2008, als die USA anfingen, der Ukraine Avancen für die NAhTOd-Mitgleidschaft zu machen, vertraglich gesichert ein äusserst wichtiger Marinestützpunkt Russlands.
Vergleichen Sie die Situation um das Schwarze Meer herum einfach mit der Karibik und Kuba! Auch dort hat sich die USA vertrags- und damit völkerrechtswidrig in Guantanamo festgesetzt. Weil die den längeren als Kuba haben, so siehts nämlich aus!
Skyjumper
13. Oktober 2024 @ 15:34
Der Kernaussage, wonach nur brutale Drohungen im Umgang zwischen Großmächten etwas bewirken können, ist sicherlich richtig und funktioniert bisher in beiden Richtungen einigermaßen. Das gesamt Konstrukt der atomaren Abschreckung ist ja nichts anderes.
Was die Kuba-Krise anbelangt verwechseln Sie allerdings einmal mehr Ursache und Wirkung. Diplomatisch-schlau zu lösen wäre die Frage der Stationierung von US-Atomraketen in der Türkei gewesen. Was aufgrund der Uneinsichtigkeit der USA nicht gelang, sondern im Frühjahr der Kubakrise tatsächlich umgesetzt wurde.
Erst als die SU dem Rüpel USA eigene Atomraketen vor die Haustür setzte und damit brutal drohte kam es (unter gegenseitigen Drohungen und Gegendrohungen) schließlich zu einen Einlenken der USA.
Wären die Falken in Washington klüger gewesen und hätten besser zugehört – der Welt wäre die Kubakrise erspart geblieben.
Hätten die Falken in Washington 2012 besser zugehört – der Ukraine wäre der Einmarsch erspart geblieben. So, wird die Ukraine mittelfristig zum failed state. Das kommt davon wenn man auf die falschen Freunde hört.
Helmut Höft
12. Oktober 2024 @ 09:43
„… Lage an der Front … – nach großen … Verlusten [des Gegners] – stabilisiert.“ Immer wieder erstaunlich, wie exakt man über die Kriegsziele, Verluste und Unfähigkeiten des Gegners Bescheid weiß (geheime Geheimdienstinformationen??) und wie zugeknöpft man zur eigenen Lage ist. „Informationen aus dem Kriegsgebiet können leider nicht überprüft werden!“ aber „Spekulatius“ ist reichlich vorhanden! mC