Update: Nun werden Grenzen abgeriegelt
Macht das Coronavirus auch dem Schengen-System der Reisefreiheit den Garaus? Die EU-Kommission will das verhindern – doch niemand hört auf Frau von der Leyen. Immer mehr Länder machen ihre Grenzen dicht.
“Allgemeine Einreisestopps werden von der Weltgesundheitsorganisation nicht als am effektivsten betrachtet“, sagte von der Leyen am Freitag. “Was wir tun können und sollten, ist, Gesundheitschecks durchzuführen.“
Doch noch während sie sprach, machte Tschechien schon die Grenzen dicht. Allen Ausländern wurde die Einreise untersagt. Und das tschechische Beispiel sollte Schule machen.
Österreich stellte den Bahnverkehr nach Italien ein und schloss seine Grenzen zum Nachbarland fast vollständig. Auch der Flugverkehr mit Frankreich, Spanien und der Schweiz wurde eingestellt.
Slowenien nimmt an der Grenze zu Italien Gesundheitschecks vor. Deutschland verschärfte die Kontrollen an der französischen Grenze. Dänemark schloss seine Grenzen am Samstagmittag. Polen macht am Sonntag dicht.
Frankreichs Staatschef Macron drängt die EU-Kommission nun, gegenzusteuern. Von der Leyen müsse eingreifen und das Schengen-System retten, heißt es in Paris. Gleichzeitig sollten die Kontrollen an den Schengen-Außengrenzen verstärkt werden.
Saturday morning, daily videoconference with the European #coronavirus response team. Today’s tasks:
— Ursula von der Leyen (@vonderleyen) March 14, 2020
🟩 Border measures to protect people and keep goods flowing
🟩 Trade
🟩 Macroeconomic measures
🟩 Healthcare systems
🟩 @EU_Commission‘s business continuity pic.twitter.com/rW8W6wdADP
Es wäre auch eine Reaktion auf US-Präsident Trump, der die Schengen-Länder mit einem Einreisestopp in die USA belegt hat. Doch die Kettenreaktion der Grenzschließungen und Flugverbote ist wohl nicht mehr aufzuhalten.
Von der Leyen berief zwar sogar am Samstag ihr Krisenkabinett ein – und ließ davon auch Fotos verbreiten, die beweisen sollen, wie hart sie arbeitet. Doch auf sie hört schon lange niemand mehr. In der Krise macht jeder, was er will…
Siehe auch “Macron führt die EU – doch die ist klinisch tot”, “Nun droht eine Kettenreaktion” und “Nun werden Genzen abgeriegelt” (I)
P.S. Nach Medienberichten will nun auch Deutschland seine Grenzen abriegeln, zunächst nur zu Frankreich, Österreich und der Schweiz. Die Maßnahme soll ab Montag 10h gelten!
P.P.S. Hier noch die offizielle Ansage der EU-Kommission zum Thema Grenzkontrollen:
Aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit können die Mitgliedstaaten wieder Grenzkontrollen an den Binnengrenzen einführen. Allerdings sollten Kontrollen an den Außengrenzen die Wiedereinführung von Kontrollen innerhalb des Schengen-Raums vermeiden helfen, es sei denn, sie wären etwa aus Gründen der öffentlichen Ordnung notwendig und verhältnismäßig.
Nach Auffassung der WHO und anderer maßgeblicher Stellen ist die Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen mit dem Ziel der Einreiseverweigerung jedoch keine angemessene Vorsorge- oder Abhilfemaßnahme. Angebracht sind eher Quarantänemaßnahmen.
Quelle: Website der EU-Kommission
Kleopatra
14. März 2020 @ 20:01
Wenn man eine mäßig wirksame Maßnahme leicht durchführen kann (wie Kontrollen an Grenzen), lohnt sie sich vielleicht eben doch. Letztlich wirkt die Tabuisierung von Reisesperren zwischen Staaten in einer Zeit, wo Bewegungsfreiheit innerstaatlich vielfach eingeschränkt wird, lächerlich und fast frivol.
“Schengen” hat zeitweilige Kontrollen bei konkreten Anlässen nie verboten, sondern erlaubt sie grundsätzlich. Außerdem sollte man jetzt wieder zwischen dem Wegfall von Kontrollen (wofür das Stichwort Schengen steht) und dem Anspruch auf Bewegungsfreiheit unterscheiden. Man könnte sehr wohl das zweite (jedenfalls für EU-Bürger und Ausländer “avec papiers”) haben und dennoch Kontrollen an den Grenzen. Hier und heute ist keineswegs nur Schengen ausgesetzt, sondern die Freizügigkeit innerhalb der EU überhaupt, es geht also über die Aussetzung von Schengen, an das sich z.B. Deutschland schon seit 2015 ncht mehr hält, weit hinaus. Hilft aber alles nichts: wenn schon Reisen zwischen Provinzen verboten sind, snd sie eben auch zwischen EU-Staaten kein Grundrecht mehr.
ebo
14. März 2020 @ 20:21
Meines Erachtens hätte die Reisefreiheit viel früher begrenzt werden müssen. Doch die Länder, die es – wie Österreich – versucht haben, wurden zurückgepfiffen. Wenn man BILD glauben kann, steht vor allem die deutsche Bunesregierung auf der Bremse, wie üblich. Das führt nun dazu, dass sich die östlichen Nachbarn von Deutschland abgrenzen…
Kleopatra
15. März 2020 @ 08:36
Die deutsche Bundesregierung fürchtet wohl, dass ihr ihre Behauptungen von Herbst 2015, Grenzen können man heutzutage nicht schützen,auf die Füße fallen. Dabei geht es nie um die Frage, ob wirklich kein Mensch durchkommt, sondern ob die Kontrolle und ggf. Zurückweisung einen großen Teil die meisten betrifft. Dass bei einer Epidemie alle Maßnahmen zur Einschränkung von Kontakten und Mobilität umso besser wirken, je früher sie ergrffen werden, ist klar. Österreich ist m.W. nicht zurückgepfiffen worden, sondern hat die Pfiffe ignoriert. Aber klar, wenn Deutschland seine Grenzen nicht kontrollieren will, müssen es eben die anderen tun.
ebo
15. März 2020 @ 13:30
Da ich mich auch beruflich damit befasse, hier noch einmal die aktuelle Ansage der EU-Kommission zu Grenzkontrollen:
Aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit können die Mitgliedstaaten wieder Grenzkontrollen an den Binnengrenzen einführen. Allerdings sollten Kontrollen an den Außengrenzen die Wiedereinführung von Kontrollen innerhalb des Schengen-Raums vermeiden helfen, es sei denn, sie wären etwa aus Gründen der öffentlichen Ordnung notwendig und verhältnismäßig.
Nach Auffassung der WHO und anderer maßgeblicher Stellen ist die Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen mit dem Ziel der Einreiseverweigerung jedoch keine angemessene Vorsorge- oder Abhilfemaßnahme. Angebracht sind eher Quarantänemaßnahmen.
Quelle: https://ec.europa.eu/info/live-work-travel-eu/health/coronavirus-response/mobility_de
Kleopatra
15. März 2020 @ 16:01
Der WHO-Standpunkt leuchtet ein, allerdings setzt das die Möglichkeit der Quarantäne für die Betreffenden voraus. Wenn ein Land alle aus Staat X Einreisenden für zwei Wochen isolieren will, ist das ohnehin mit einer regelrechten Grenzschließung fast schon gleichbedeutend. Und in einer Situation, wo Länder wie Italien die Mobilität innerhalb des eigenen Territoriums gezwungenermaßen beschränken oder aufheben, wirken Grundsatzdiskussionen über den Schengenraum frivol bis überflüssig.
Stand früher Nachmittag des 15.3. hat nun auch Deutschland die Grenzen zu seinen Nachbarländern im Süden (F,CH,AU) weitgehend geschlossen. (Die zu Tschechien und Polen sowie Dänemark braucht man nicht mehr zu schließen, da hier die Nachbarn schneller waren; wie es mit den Niederlanden und Belgien aussieht, weiß ich nicht).
ebo
15. März 2020 @ 16:05
Ich habe bei der EU-Kommission angefragt, welche Länder die Grenzen schließen und was Brüssel dagegen zu tun gedenkt. Bis jetzt keine Antwort (Stand 15.3. um 16h).
Offenbar hat die deutsche Entscheidung Frau von der Leyen kalt erwischt…