Update: Lässt sich Merkel von Erdogan erpressen?

Pünktlich zum Besuch von Kanzlerin Merkel bei Sultan Erdogan hat die türkische Regierung den Druck auf Berlin und Brüssel erhöht. Die EU halte sich nicht an den von Merkel ausgehandelten Flüchtlingspakt, erklärte Außenminister Cavusoglu. Zuvor hatte Erdogan mit einer neuen Flüchtlingswelle gedroht.

„Lässt sich Merkel von Erdogan erpressen?“ Das hatten wir schon vor dem Libyen-Gipfel in Berlin gefragt – weil der türkische Sultan schnell noch Soldaten und islamische Milizen in das nordafrikanische Land geschickt hatte.

Nun stellt sich die Frage erneut. Denn Merkel reist nach Istanbul. Bei den Gesprächen soll es wieder um Libyen, aber auch um den 2016 ausgehandelten Flüchtlingsdeal gehen. Diesen Deal stellt die türkische Regierung nun wieder in Frage.

Von den versprochenen sechs Milliarden Euro habe die Türkei bisher nicht einmal drei Milliarden erhalten, behauptet Cavusoglu. Ein ziemlich durchsichtiger Versuch, noch mehr Geld aus der Kanzlerin herauszupressen.

Merkel könnte weich werden. Denn ihre größte Sorge ist bekanntlich, dass sich die Flüchtlingskrise von 2015 wiederholen könnte. Um das zu verhindern, ist sie zu (fast) allem bereit – wie zuletzt der Libyen-Gipfel im Kanzleramt gezeigt hat.

Doch die Kritik aus Ankara ist nicht berechtigt. „Wir zahlen jeden Monat“, sagte EU-Innenkommissarin Johansson. Von den vereinbarten sechs Milliarden Euro sei inzwischen alles konkreten Projekten zugewiesen, heißt es in Brüssel.

Umso ernster sind Klagen der Hilfsorganisationen zu nehmen. der Flüchtlingsdeal sei ein „menschen- und asylrechtliches Desaster“, erklärte die Referentin für Flucht und Migration bei Medico International, Ramona Lenz.

Sie prangerte Menschenrechtsverletzungen beim Vorgehen gegen Flüchtlinge sowohl in der Türkei als auch in Griechenland an. Doch dazu dürfte sich Merkel wohl nicht äußern – sie setzt auf Appeasement mit Erdogan…

Siehe auch „Lässt sich Merkel von Erdogan erpressen?“

P.S. Offenbar mußte Erdogan keinen Druck auf Merkel ausüben, um neue Hilfszusagen zu bekommen.  „Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass die EU über die zwei mal drei Milliarden Euro hinaus Unterstützung leistet“, sagte Merkel nach ihrem Gespräch in Istanbul. Zudem sagte sie Hilfe beim Bau von Flüchtlingsunterkünften in Nordsyrien zu. Dass Nordsyrien völkerrechtswidrig vom türkischen Militär besetzt wurde, erwähnte sie nicht.