Update: Deutsches Recht über alles?

Normalerweise kommentiert das oberste EU-Gericht kein aktuelles Geschehen. Doch nun hat sich der EuGH ziemlich laut geräuspert – und das Bundesverfassungsgericht verwarnt. Auch Bundestagspräsident Schäuble schaltet sich ein.

Steht das deutsche Recht über Europarecht? Seit dem aufsehenerregenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Anleihekäufen der EZB steht diese Frage im Raum. Die Bundesregierung sah sich bisher nicht in der Lage, Stellung zu beziehen.

Umso deutlicher meldet sich nun der EuGH zu Wort.

Man kommentiere Urteile nationaler Gerichte zwar nicht, teilte der Gerichtshof mit. „Ganz generell“ könne jedoch auf die ständige Rechtsprechunghingewiesen werden, „wonach ein im Vorabentscheidungsverfahren ergangenes EuGH-Urteil für das vorlegende nationale Gericht bindend ist“. 

So weit, so bekannt. Ganz ähnlich hatte sich auch die EU-Kommission geäußert. Doch nun kommt’s:

„Etwaige Abweichungen von Gerichten der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Gültigkeit derartiger Rechtsvorgaben können die Einheit der Rechtsordnung der EU gefährden und die Rechtssicherheit überhaupt untergraben.“ 

EuGH

Das ist ein Hammer. Das oberste EU-Gericht warnt vor einer Gefahr für die Rechtsordnung – und diese Gefahr geht nicht etwa von Ungarn, Polen oder UK aus, sondern von Deutschland!

Das zeigt, wie groß die Sorge in Luxemburg ist.

Doch in Berlin tut man so, als sei nichts passiert. Weder die Kanzlerin noch die Bundesjustizministerin hielten es bisher für nötig, die Rechtslage klar zu stellen. Stattdessen äußerte sich Bundestagspräsident Schäuble, ausgerechnet.

Das BVerfG-Urteil sei „nachvollziehbar“, aber auch „schwierig“, so der gelernte Jurist. Es könne nämlich sein, „dass in an­de­ren EU-Mit­glied­staa­ten nun auch der Be­stand des Euro in Frage ge­stellt wird – weil ja jedes na­tio­na­le Ver­fas­sungs­ge­richt für sich ur­tei­len könne“.

Eine merkwürdige Haltung. Schließlich war es Schäuble, der als Erster den Bestand des Euro infrage gestellt hat, jedenfalls für Griechenland. Zudem sagt er durch die Blume, dass für Deutschland ein anderes, höheres Recht gelten soll als für andere…

Siehe auch „Deutsches Recht über alles?“

P.S. Gerade kommt noch ein explosives Schreiben rein: Der grüne deutsche Finanzpolitiker S. Giegold fordert die deutsche Kommissionschefin von der Leyen auf, ein Vertragsverletzungs-Verfahren gegen Deutschland einzuleiten – wegen des deutschen Urteils. Der Brief steht hier (Website von S. Giegold)