Ungarn: Der Boykott wird zum Eigentor
Die EU ist schon wieder gespalten. Doch diesmal ist nicht Ungarns großer Zampano Viktor Orbán schuld, der mit seiner eigenwilligen „Friedensmission“ für Ärger sorgte.
Diesmal sind es die EU-Kommission und der Ministerrat, die für Verwirrung sorgen und Europa lächerlich machen. Boykottieren oder konfrontieren? Das ist die Frage, die die Brüsseler EU-Institutionen ins Chaos stürzt.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und ihr Außenbeauftragter Josep Borrell wollen den ungarischen Ratsvorsitz boykottieren. Borrell hat sogar ein Ministertreffen von Budapest nach Brüssel verlegt.
Doch die EU-Staaten spielen nicht mit. Beim letzten Treffen der Außenminister kam es deshalb zu Streit. Außenministerin Annalena Baerbock warnte vor einem Eigentor, ihr luxemburgischer Amtskollege Xavier Bettel sprach sogar von „Schwachsinn“.
Es sei besser, Orbán in Budapest zu konfrontieren, als ihn zu boykottieren. Wozu ein Boykottversuch führt, zeigte sich am Dienstag: Mehr als die Hälfte der Innenminister schwänzte ein informelles Treffen in der ungarischen Hauptstadt.
Rund zehn Minister sind aber dennoch nach Budapest gereist. Das Ergebnis: Die EU gibt ein Bild der Uneinigkeit ab. Dabei gibt es keinen vernünftigen Grund, warum die Innenminister nicht nach Budapest reisen sollten.
Dort ging es schließlich um die Asyl- und Flüchtlingskrise – und nicht um die Ukraine-Politik, mit der Orbán für Wirbel sorgt. Außerdem werden bei den informellen Räten, die Ungarn organisiert, keine Beschlüsse gefasst.
Etwas anders ist die Lage in der Außenpolitik. Man kann nachvollziehen, dass Borrell sauer ist, weil Orbán von der gemeinsamen Linie zur Ukraine abweicht und ihm die Show stiehlt. Doch letztlich muss sich Borrell an die eigene Nase fassen.
Warum ist er nicht längst selbst nach Moskau, Peking, Washington gereist, um Optionen für eine Friedenslösung auszuloten? Das wäre sein Job als EU-Chefdiplomat. Er hat ihn sträflich vernachlässigt.
Dieser Kommentar erschien zuerst in der “taz”, der Originaltext steht hier
Michael
24. Juli 2024 @ 21:48
Abwarten! Kuleba ist Orban schon auf dem Fuße gefolgt und in Peking vorstellig geworden! Nachdem auch Fatah und Hamas vorstellig wurden nach Iran und Saudi Arabien!
Wie sagte schon Mao (sinngemäß): es herrscht Chaos unter dem Himmel, die Bedingungen sind vorzüglich!
Helmut Höft
24. Juli 2024 @ 21:29
” Borrell hat sogar ein Ministertreffen von Budapest nach Brüssel verlegt. “ Das ist ja Kinderkacke, das ist u nter Sandkastenniveau, wie european oben schreibt: “Wir erleben die Rückkehr der Parvenues.” Wenn es nur das wäre! Thomas Damrau liefert den Rest: “Es geht in der EU schon lange nicht mehr um das Lösen von aktuellen Problemen (die die EU ja reichlich hat, nicht nur im Ukraine-Krieg), sondern um das Zeigen orthodoxer (neoliberaler und US-freundlicher) Gesinnung und die Exkommunikation der Häretiker.” Das ist Europa? Das ist €U!
Helmut Höft
24. Juli 2024 @ 20:54
ebo lässt hoffentlich diese grunds. Stimme durch, trifft alles was wir hier immer wieder diskutiern: „Kriegspropaganda, Narrativ und Moral“ https://feynsinn.org/?p=11816
Teaser: „Engt sich dann noch der Diskurs ein, indem eine Ideologie die Oberhand gewinnt, sinkt das Niveau der öffentlichen Kommunikation auf das eines aufgescheuchten Mobs auf der Suche nach Abweichlern. „ Und der Mob wird befeuert von wem? Eingeprägtes, bekanntes Beispiel hier: https://www.youtube.com/watch?v=ZBv_f3-1Juo
notabene
24. Juli 2024 @ 18:40
Vielleicht braucht die EU ein Ereignis, dass Gemeinsamkeit schafft.
Ein neues 1789??
exKK
24. Juli 2024 @ 19:08
“Ein neues 1789??”
Sie meinen das als eine Art Fallbeispiel? 😉
Skyjumper
24. Juli 2024 @ 20:02
Wie doppeldeutig ,-)
1789 in Nordamerika, oder 1789 in Mitteleuropa?
notabene
24. Juli 2024 @ 20:33
Fallbeispiel Nordamerika
wäre eigentlich längst überfällig. (s.Artikel 26 GG)
Fallbei(l)spiel B
wäre dann ein krönender Abschluss
Frei nach dem Motto
“Was sind 100 Anwälte in Ketten auf dem Grund des Meeres?
Der Beginn des goldenen Zeitalters”
exKK
25. Juli 2024 @ 02:34
@ notabene:
„“Was sind 100 Anwälte in Ketten auf dem Grund des Meeres?”
Aus irgendeinem Film habe ich auf diese Frage noch die Antwort „Ein guter Anfang!“ im Ohr…
Michael
24. Juli 2024 @ 11:44
Frage: warum wird nirgends der Autor dieses Artikels erwähnt und die Tatsache dass der Artikel auch z. B. in der „taz“ erschien? Wäre es nicht transparenter wenn … !?
ebo
24. Juli 2024 @ 12:04
Ist doch allgemein bekannt, dass ich für die taz arbeite, oder? Wo ist das Problem?
P.S. Hab nochmal gecheckt, der Text läuft in der taz-Rubrik “Meistgelesen”. Auch im Blog wird er sehr viel geklickt 🙂
Michael
24. Juli 2024 @ 21:43
Und schon ist die Transparenz hergestellt! Geht doch, auch wenn die „taz“ nicht mein Blatt wäre! Dann eher schon dieser Blog!
Michael
24. Juli 2024 @ 11:01
„ Warum ist er [ Borrell ] nicht längst selbst nach Moskau, Peking, Washington gereist, um Optionen für eine Friedenslösung auszuloten?“ Antwort: Weil in Sachen der US Hegemon die Richtung vorgibt und der Vasall zu folgen hat und die Richtung über Ideologie und US Sanktionismus statt Politik und Diplomatie definiert wird! Borrell ist dabei eine überflüssige Personalie!
ebo
24. Juli 2024 @ 11:09
Nein. Die offizielle Lesart lautet, dass die EU nichts ohne die Ukraine tun darf. Deshalb könne Borrell auch nicht einfach so nach Moskau fahren 😉
exKK
24. Juli 2024 @ 16:46
Und seine designierte Nachfolgerin im Amt könnte gar nicht, ohne sich der Gefahr ihrer Inhaftierung auszusetzen… geschickt eingefädelt!
Annette Hauschild
27. Juli 2024 @ 13:38
Hallo Michael. wußten Sie nicht, dass dieser Blog als Blog bei der taz online begonnen hat, vor urlanger Zeit? Ich lernte diesen Blog als taz-Blog aus Brüssel kennen und lieben, und der Titel Lost in EUrope kam, wie damals bei der taz üblich, satirisch daher. Sehr sympathisch.
european
24. Juli 2024 @ 07:37
Richtig so. Je mehr sich dieser korrupte Haufen selbst zerlegt, umso besser.
Ich haette nie geahnt, dass ich einmal so denken könnte. Aber je schneller sich dieses selbstgefällige Konstrukt selber entlarvt, umso schneller kann Platz geschaffen werden für etwas Neues.
Als ich diese Woche den kurzen Ausschnitt von UvdL über die „Appeasement Mission eines members“ gehört habe, war mir klar, dass es entweder in Richtung Diktatur geht, oder aber in sich zusammenfallen muss. Meine Güte, was für ein Theater einer aufgeblasenen Person. Ungewählt, nie gewählt, immer nur über Listenplatz ins Parlament gekommen und überall nur Desaster hinterlassen. Wir erleben die Rückkehr der Parvenues. Annalena Baerbock fällt in die gleiche Kategorie. Ausgezeichnet durch Nichtkönnen meint sie, dass nur geschickte Fotos reichen, die sie zeigen, wie sie im weißen Anzug mit zwei Blatt Papier in der Hand über einen menschenleeren Zebrastreifen schreitet. Man fasst sich nur noch an den Kopf.
exKK
24. Juli 2024 @ 12:28
“Richtig so. Je mehr sich dieser korrupte Haufen selbst zerlegt, umso besser.
Ich haette nie geahnt, dass ich einmal so denken könnte. Aber je schneller sich dieses selbstgefällige Konstrukt selber entlarvt, umso schneller kann Platz geschaffen werden für etwas Neues.”
Völlig d’accord!
So, wie sich die EU seit einigen Jahren präsentiert, könnte man die Briten inzwischen fast beneiden (wäre es ihnen mit dem heimischen Personal nicht ganz ähnlich ergangen).
“Wir erleben die Rückkehr der Parvenues. Annalena Baerbock fällt in die gleiche Kategorie.”
Ich fürchte, die Parvenues waren nie weg – nur jetzt hat man die alle auf einmal in die erste Reihe gelassen!
noname
24. Juli 2024 @ 14:39
Parvenu
“The term designates individuals not socially accepted by individuals already established in their new class. It expresses a form of classism.”
Aha, Ihr beiden seit also Upper Class political snobs, wenigstens 50% überraschend.
european
24. Juli 2024 @ 14:59
Mehr zum Parvenu hier:
https://www.dwds.de/wb/Parven%C3%BC
exKK
24. Juli 2024 @ 15:54
“Aha, Ihr beiden seit also Upper Class political snobs”
Ja, seid gewiss: Seit immer schon.
Annette Hauschild
27. Juli 2024 @ 12:12
Hallo European, der Ausdruck „parvenu(e)“ paßt zu UvdL nicht. „Parvenu(e)“ bedeutete in Frankreich die Aufsteiger aus der Mittelschicht, die durch tatsächliche Verdienste und nicht durch das Geburtsrecht in hohe Ämter gelangten, das ist ein abwertender Begriff des Adels gegenüber der ehrgeizigen nichtadeligen Konkurrenz um Ämter und Macht. UvdL ist schon relativ hochwohlgeboren, nämlich die Tochter des früheren niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht (CDU). Sie wuchs schon in einem internationalen Umfeld auf, d.h. sie ist seit ihrer Kindheit durchaus heimisch in europäischen Gefilden. Ihr Vater war zeitweise zuständig für Kontakte zur EU. Die Familie lebte zeitweise in Belgien, das Kind ging auf eine internationale Schule. Das ist die Grundlage für nichtadelige Dynastien. Sie heiratete dann irgendwann den Keksmagnaten Bahlsen, Und wenn man sich ihre politische Laufbahn anguckt, die fängt ja nicht erst bei der Familienministerin an.
Thomas Damrau
24. Juli 2024 @ 07:37
Es geht mal wieder – wie so oft – um’s Symbolische ( https://www.deutschlandfunk.de/borrell-kuendigt-boykott-von-aussenministertreffen-in-ungarn-an-104.html ).
Es geht in der EU schon lange nicht mehr um das Lösen von aktuellen Problemen (die die EU ja reichlich hat, nicht nur im Ukraine-Krieg), sondern um das Zeigen orthodoxer (neoliberaler und US-freundlicher) Gesinnung und die Exkommunikation der Häretiker.
Und das nennt sich dann Werte-Westen.
exKK
24. Juli 2024 @ 12:30
Im Ergebnis dann auch eine Peep-Show der Bigotterie…