Und nun eine Führungskrise – Hochspannung im Kosovo

Kurz nach der Europawahl zeigen sich die Staats- und Regierungschefs unfähig, die Botschaft der Wähler umzusetzen – und die EU schnell neu aufzustellen. Deshalb rutscht die Union gleich in die nächste Krise.

Es ist ein Führungskrise, wie man sie in Brüssel noch nie gesehen hat. Dabei geht es nicht nur um den nächsten EU-Kommissionspräsidenten und um die Spitzenkandidaten, die sich um diesen Job bewerben. Nein, es geht auch um den Ratspräsidenten (bisher Donald Tusk), den Parlamentspräsidenten (Antonio Tajani), den bzw. die Außenbeauftragte (Federica Mogherini) – und natürlich um den Präsidenten der Europäischen Zentralbank (Mario Draghi). Sie alle müssen neu besetzt werden.

Doch weil jeder ein Stück vom Kuchen abbekommen will und nicht einmal Einigkeit über die Auslegung des Wahlergebnisses und die Rolle der Spitzenkandidaten besteht, verlief der EU-Gipfel am Dienstag im Sande. Trotz stundenlanger Vorgespräche konnten sich die Chefs auf nichts und niemanden einigen.

In der neuen Führungskrise stehen nicht nur – wie mittlerweile üblich – Kanzlerin Merkel und Präsident Macron gegeneinander: Sie will den Status Quo wahren und “ihren” Spitzenkandidaten Manfred Weber zum Kommissionschef machen; er will eine Wende und einen “erfahrenen” Kandidaten, der nicht Weber heißt, vielleicht aber Vestager.

Nein, dann wären da auch noch die Osteuropäer, die einen Topjob fordern; die geldpolitischen Falken, die die Draghi-Nachfolge in der EZB von den anderen Entscheidungen abkoppeln wollen; die Außenpolitiker, die die Einstimmigkeit abschaffen wollen – und das Europaparlament, das nur Spitzenkandidaten wählen möchte.

Weil das alles beim besten Willen nicht zusammenpaßt, wurde schließlich Noch-Ratspräsident Tusk beauftragt, mit allen zu reden und bis zum nächsten EU-Gipfel ein Personal-Tableau vorzulegen. Es soll nur einen Namen für jeden Posten enthalten – dabei kennt man bisher nicht einmal alle Bewerber!

Was ist denn nun mit Barnier, Lagarde, Weidmann oder Sefcovic, was wird aus Rutte oder Michel – alles Namen, die zuletzt immer wieder genannt wurden? Wer entscheidet, wer auf Tusks “Short List” kommt? Und wie ist das alles noch mit dem Ergebnis der Europawahl vereinbar?

Demokratischer (und transparenter) wäre es gewesen, erst einmal die Mehrheits-Bildung im neuen Parlament abzuwarten – und eine offene Bewerberliste für die Chefposten zu führen. Aber offenbar soll Tusk dem deutschen Modell folgen und die Rolle von Bundespräsident Steinmeier spielen.

Der war bei der letzten Regierungsbildung in Berlin ja auch so unheimlich erfolgreich…

Watchlist

  • Droht ein neuer Krieg zwischen Kosovo und Serbien? Die Spannungen haben sich jedenfalls dramatisch verschärft. Auslöser war eine Razzia schwer bewaffneter kosovarischer Polizisten im mehrheitlich von Serben bewohnten Norden des Landes. Der serbische Präsident Aleksandar Vucic ordnete an, das Militär in Bereitschaft zu versetzen, Soldaten rückten zur Grenze vor. Die EU rief beide Seiten zu Zurückhaltung auf. 

Was fehlt

  • Merkels Bemerkung zum Streit um ihre designierte Nachfolgerin AKK. Beim EU-Gipfel in Brüssel nannte es die Kanzlerin “Unsinn”, dass AKK die Meinungsfreiheit einschränken wolle. Jeder in der CDU setze sich für freie Meinungsäußerung ein. Fakt ist jedoch, dass AKK gegen “Meinungsmache” im Netz vorgehen will – Stichwort Rezo-Video bei YouTube. Fakt ist auch, dass die CDU auf EU-Ebene Uploadfilter möglich macht…