(Un-)Rechtsstaat Ungarn: Eine Premiere mit Hintertür

Es ist eine Premiere: Zum ersten Mal nutzt die EU-Kommission die neue Rechtsstaats-Konditionalität, um Ungarn den Geldhahn zuzudrehen. Doch die Sache hat viele Haken und Ösen. Es gibt sogar eine Hintertür.

Wegen Korruption und anderer Verstöße gegen den Rechtsstaat hat die EU-Kommission vorgeschlagen, Ungarn Zahlungen in Höhe von rund 7,5 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt zu kürzen.

Das Geld sei in Ungarn nicht ausreichend vor Missbrauch geschützt, sagte EU-Haushaltskommissar Johannes Hahn. Zugleich begrüßte Hahn, dass Ungarn Zusagen gemacht habe, um die Defizite zu beseitigen.

So will Regierunschef Orban plötzlich eine Anti-Korruptionsbehörde gründen und enger mit der Antibetrugs-Behörde OLAF zusammenarbeiten. “Finanzieller Druck zeigt offensichtlich seine Wirkung”, sagte Hahn.

Ist der Vorstoß aus Brüssel also ein Erfolg? Das bleibt abzuwarten. Ungarn muß seine Zusagen erst noch umsetzen – und die EU-Staaten müssen zustimmen, damit die Geldstrafe wirksam wird.

Dafür haben sie bis zu drei Monate Zeit. Erst danach wird man wissen, ob die neue Rechtsstaats-Sanktion auch wirklich in die Tat umgesetzt wird – oder ob Orban sein Verhalten ändert.

Beide Optionen haben diverse Haken und Ösen. Wenn das EU-Geld tatsächlich gekürzt wird, so trifft das ohnehin schon benachteiligte Regionen, die weniger Geld bekommen. Den Schaden haben die Bürger, nicht Orban.

Wenn Orban hingegen einlenkt, so ist deswegen noch lange nicht der Rechtsstaat wiederhergestellt. Auch sind damit die bereits entstandenen Schäden durch Korruption und Vetternwirtschaft nicht gutgemacht.

Die EU-Kommission hat viel zu lange gezögert – Orban und sein Clan haben sich längst die Taschen vollgestopft und ihre Macht gesichert. Die Schuld trägt Behördenchefin von der Leyen.

Die konservative deutsche EU-Chefin hat das Verfahren, offenbar aus politischer Rücksichtnahme, so lange verschleppt, bis Orban mit übergroßer Mehrheit wiedergewählt wurde.

Erst als das Europaparlament eine Untätigkeitsklage einreichte, wurde sie endlich aktiv. Und nun sichert sie sich und Orban auch noch eine Hintertür – für eine “gütliche” Einigung…