„Ihre Stimme in der EU zählt“

Pünktlich zu Weihnachten hat die EU-Kommission eine frohe Botschaft in eigener Sache verkündet: Erstmals sei eine Mehrheit der Europäer der Ansicht, dass ihre Stimme in der EU zählt. Fragt sich nur, wobei?

Die gute Nachricht beruht auf einer Eurobarometer-Umfrage, die zwischen dem 8. und dem 22. November durchgeführt wurde. Also vor den großen Gelbwesten-Demos in Frankreich und dem Chaos um den Brexit-Deal für UK.

Hier ein Zitat aus der Pressemitteilung der Kommission (Hervorhebung im Original):

Zum ersten Mal seit Einführung der Frage ist eine Mehrheit der Europäerinnen und Europäer der Ansicht, dass „ihre Stimme in der EU zählt“ (49 %, +4 Prozentpunkte seit Frühjahr 2018), während sich 47 % (-2 seit Frühjahr 2018) mit dieser Aussage nicht einverstanden erklären und 4 % (-2) „weiß nicht“ antworteten. In 16 EU-Mitgliedstaaten teilt eine Mehrheit der Umfrageteilnehmer die Ansicht, dass ihre Stimme in der Europäischen Union zählt, wobei die besten Werte in Dänemark (73 %), Schweden (71 %) und Deutschland (70 %) zu verzeichnen sind.

Dies ist in der Tat eine überraschend positive Einschätzung. Zwar ist noch keine absolute Mehrheit überzeugt, doch immerhin scheint die Zustimmung zuzunehmen. Auch das Gesamt-Image der Union hat sich verbessert.

Allerdings ist unklar, was das genau bedeutet, wenn „die Stimme in der EU zählt“. Geht es um den Einfluß auf nationale oder Europawahlen? Auf EU-Ebene liegt die letzte Abstimmung schon vier Jahre zurück.

Ich vermute daher, dass es eher um die „gefühlten“ Auswirkungen nationaler Wahlen auf die EU-Ebene geht. Allerdings kann man nicht gerade behaupten, dass Dänen und Schweden in der EU den Ton angeben.

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Trotzdem sind sie laut Umfrage am meisten davon überzeugt, dass ihre Stimme zählt! Auch die Deutschen dürften eigentlich nicht zufrieden sein. Kanzlerin Merkel gibt zwar weiter den Ton in Brüssel an – doch wo bleibt der „Aufbruch für Europa“?

Insgesamt passen die Ergebnisse sehr gut in die Strategie von Kommissionschef Juncker, sich bürgernah zu geben und den Eindruck zu erwecken, er und sein Team habe vor der Europawahl im Mai 2019 „geliefert“.

Wohlgemerkt, es handelt sich um eine PR-Strategie. Eine politische Strategie kann ich dahinter nicht erkennen. Denn in zentralen Fragen (Euro-Reform, Asylreform, soziale Krise) hat die EU 2018 leider nicht geliefert.

Die EU wäre daher schlecht beraten, sich zurückzulehnen und zufrieden in die Europawahl zu ziehen. Die Umfrage darf kein Ruhekissen sein. Sonst könnten die Wähler ihre Stimme nutzen, um der EU einen Denkzettel zu geben…

Siehe auch „Die EU hat vieles richtig gemacht – wirklich?“ und „Keine europäische Lösung, nirgendwo“

P.S. Die einzige Bürgerbefragung, die Juncker durchführen ließ – die Online-Konsultation zur Abschaffung der Sommerzeit – endete mit einer Pleite. Die Sommerzeit bleibt mindestens noch bis 2021. „Ihre Stimme in der EU zählt“ – in diesem Fall nicht!