Ukraine will Nato in Grenzkonflikt mit Russland ziehen
Jetzt wird’s brenzlig: Bei einem Besuch in Brüssel hat der ukrainische Außenminister versucht, die Nato in den Grenzkonflikt mit Russland zu ziehen – offenbar mit Erfolg. Am Mittwoch ist ein Krisentreffen geplant.
Nato-Generalsekretär Stoltenberg empfing den ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba, der die Nato und den Westen aufforderte, schnell zu handeln, um eine Eskalation zu verhindern. Er forderte neue Sanktionen gegen Russland und Militärhilfe für sein Land.
Stoltenberg sprach vom größten russischen Aufmarsch an der Grenze seit der Annexion der Krim 2014. In den vergangenen Wochen habe die Regierung in Moskau Tausende kampfbereite Soldaten dorthin verlegt. “Russland muss diesen Aufmarsch in und um die Ukraine beenden, seine Provokationen einstellen und sofort deeskalieren.”
Sowohl der Besuch Kulebas als auch die Äußerungen Stoltenberg sind ungewöhnlich. Die Ukraine ist kein Nato-Mitglied, die Nato wird durch den Truppenaufmarsch im Innern Russlands nicht bedroht. Andererseits plant die Allianz große Militärmanöver, die auch auf das Schwarze Meer und die Krim zielen – also auf Russland.
Doch darüber wird in den westlichen Medien kaum berichtet. Es wird auch unterschlagen, dass sich die Ukraine vom Minsker Abkommen für eine Friedenslösung zurückgezogen hat und nun eine “Wiedereingliederung” der abtrünnigen Ostgebiete und der Krim anstrebt – notfalls auch mit Militärgewalt.
Some point to two recently approved Ukrainian strategies as provocative: the strategy for the “de-occupation” and reintegration of Crimea and the recently approved military strategy. Both explicitly mention Russia as a threat.
Quelle: Politico
Sollte sich die Nato aktiv in den Konflikt einmischen, so droht Kriegsgefahr – nicht nur in der Ukraine, sondern im gesamten Bündnisgebiet. Russland warnte die USA bereits davor, wie geplant zwei Kriegsschife ins Schwarze Meer zu entsenden. Die Gefahr von Zwischenfällen sei hoch.
Stoltenberg will am Mittwoch eine Dringlichkeitssitzung der Nato-Außen- und -Verteidigungsminister abhalten. Dann soll US-Verteidigungsminister Lloyd Austin in Brüssel sein. Zudem wird auch US-Außenminister Antony Blinken erwartet. Von der EU war zu alldem nichts zu hören…
Siehe auch “Kriegsgefahr in der Ukraine – wo sind die Europäer?” sowie AKK sagt Nato-Hilfe für die Ukraine zu
Kleopatra
14. April 2021 @ 09:46
Ein Truppenaufmarsch an der russischen Grenze zu einem Land, das an NATO-Mitglieder grenzt, betrifft die NATO durchaus. Dass diese Truppen sich zur Zeit auf russischem Territorium bewegen, ändert daran nichts; Truppen, die an eine Grenze verlegt werden, betreffen immer auch die andere Seite, und ein potenzieller Krieg mit Land A betrifft auch dessen Nachbarländer. Und die Krim ist nur nach russischer Auffassung ein Teil Russlands. Die Strategie zur Wiedereingliederung der Krim in die Ukraine hat auch nichts mit “Minsk” zu tun, denn letzteres betrifft den Donbass und nicht die Krim.
ebo
14. April 2021 @ 09:53
Das Dekret zur Wiedereingliederung betrifft auch den Donbass. Selenskyj hat sich in jeder Hinsicht von Minsk verabschiedet und eine offensive Militärdoktrin verabschiedet.
Was die Nato betrifft: Deutschland und Frankreich sind gegen den Beitritt der Ukraine, um genau das Szenrio zu vermeiden, das Sie nun als Bündnisfall durch die Hintertür beschreiben.
Kleopatra
14. April 2021 @ 10:57
Das Dekret des Präsidenten bezieht sich auf einen Beschluss des Rates für nationale Sicherheit und Verteidigung mit dem Titel “Über die Strategie zur Entbesetzung und Reintegration des vorläufig besetzten Territoriums der Autonomen Republik Krim und der Stadt Sevastopol'” (https://www.president.gov.ua/documents/1172021-37533/). Falls es ähnliche Texte zum Donbass geben sollte, sind sie jedenfalls nicht Teil dieser “Strategie”.
Ich habe nicht von einem indirekten Bündnisfall gesprochen, sondern darauf hingewiesen, dass schon ein Krieg gegen einen Nachbarstaat einen selbst betrifft. Im übrigen wird Mittel- und Westeuropa über Pipelines durch die Ukraine mit Erdgas versorgt, was auch zu einer Betroffenheit führt.
ebo
14. April 2021 @ 11:12
Die “Berliner Zeitung”, auf die ich mich beziehe, interprtiert das Dekret anders. Zitat:
In dem Dekret wird die Vorbereitung von Maßnahmen angekündigt, um „die vorübergehende Besetzung“ der Krim und des Donbass zu beenden. Laut der staatlichen ukrainischen Nachrichtenagentur Ukrinform erhielt die Regierung den Auftrag, einen entsprechenden „Aktionsplan“ zu entwickeln.
Kleopatra
14. April 2021 @ 16:45
Was ich unter der angegebenen URL auf Ukrainisch lese, bezieht sich erstens immer nur auf das vorläufig besetzte Territorium der Autonomen Republik Krim und der Stadt Sevastopol’, und ist außerdem keine Militärdoktrin. Das scheint eher auf einer ähnlichen Stufe zu stehen wie die frühere westdeutsche Politik, in allen Kontexten stets zu betonen, dass man die Wiedervereinigung mit der DDR anstrebe; was ja gerade keine Militärdoktrin war, aber 1989/90 konnte z.B. kein EG-Mitgliedstaat behaupten, die BRD habe das nicht immer angekündigt.
Nebenbei: Krim und Donbass sind auch tatsächlich zwei verschiedene Probleme. Die Krim wurde von Russland offen mit eigenen Truppen besetzt und annektiert; im Donbass agieren Truppen, die ohne russische Unterstützung nichts tun könnten, zu denen Russland aber höchstens eine sehr ambivalente Stellung bezieht.
ebo
14. April 2021 @ 17:17
Wiedereingliederung und Wiedervereinigung sind nicht dasselbe. Die BRD hat aus gutem Grund keine Wiedereingliederung gefordert – auch wenn es am Ende eine war 😉
ebo
14. April 2021 @ 17:28
Hier noch die neue Militärdoktrin – Zitat:
The Strategy defines the goals, priorities, and tasks of implementing the relevant state policies, aimed at protecting national interests from military threats, repelling and deterring armed aggression, preventing or deterring the enemy from full-scale use of military force against Ukraine, halting temporary occupation by Russia of a part of Ukraine’s territory, protecting sovereignty and territorial integrity, primarily by pursuing in the international field a set of legal, political and diplomatic, security, humanitarian, and economic measures.
Read more on UNIAN: https://www.unian.info/politics/ukraine-defense-zelensky-approves-military-security-strategy-11366383.html
Kleopatra
15. April 2021 @ 09:47
Das Ziel, die Besetzung eines Teils des ukrainischen Territoriums durch Russland zu beenden, lässt den Donbass außen vor, denn (offiziell zugestanden) durch Russland besetzt ist nur die Krim (einschließlich Sevastopol’).
Armin Christ
14. April 2021 @ 09:45
Macht nicht gerade die NATO ein Militärmanöver in diesen Raum. Kann das der Grund für russischen Truppenaufmarsch sein ?
Immer den Zusammenhang sehen und vermitteln !
ebo
14. April 2021 @ 09:50
Ja, DEFENDER Europe 21, zielt auch auf das Schwarze Meer und die Krim…