Ukraine spricht mit Russland, Polen schießt quer – und Belgien verlängert AKW
Was bleibt von der Europapolitik der vergangenen Woche? Die Ukraine verhandelt mit Russland über einen Waffenstillstand. Polen und andere Osteuropäer schießen quer. Und Belgien verlängert zwei Atomkraftwerke.
Auch diese Woche stand ganz im Zeichen des Ukraine-Kriegs. Doch erstmals gab es einen Hoffnungsschimmer – denn Russland willigte in Verhandlungen über einen Waffenstillstand ein. Nach Angaben der „FT“ gab es dabei zunächst signifikante Fortschritte. Präsident Selenskyj schien auf die russische Forderung nach einer Neutralität seines Landes einzugehen.
Im Gegenzug sollten die USA, das UK und die Türkei zu Garantiemächten für einen dauerhaften Frieden werden. Die Ukraine bliebe also an den Westen gebunden, auch wenn die Nato außen vor wäre.
Doch die Hoffnung verblasste immer mehr, nachdem die USA und das UK von dem Plan abrückten und Druck auf die Ukraine machten, sich nicht vorschnell auf einen Deal mit Russland einzulassen.
Die britische Außenministerin Truss warnte sogar öffentlich vor Friedensgesprächen. Gleichzeitig beklagte sich ihr russischer Amtskollege Lawrow, die USA torpedierten die Verhandlungen.
Diplomatie ohne die EU
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Was dahinter steckt, lässt sich aus Brüsseler Sicht nicht sagen – denn die EU hält sich bedeckt. Sie scheint nicht einmal an den Gesprächen beteiligt zu sein – und riskiert so, auch den Frieden zu verlieren.
Dies liegt nicht nur daran, dass sich die EU-Chefs vorbehaltlos auf die Seite der Ukraine geschlagen haben und Russland mehr und mehr isolieren wollen – was schlecht zu diplomatischen Gesprächen passt.
Es liegt auch an Polen, Tschechien, Slowenien und Balten, die immer offener quer schießen. Nach einem waghalsigen Besuch in Kiew fordert Polen mittlerweile sogar eine bewaffnete Nato-„Friedensmission“ in der Ukraine.
Wird die Nato in den Krieg gezogen?
Damit würde die Nato in den Krieg eingreifen – was sie bisher unbedingt vermeiden wollte. Doch der Druck der Hardliner wird immer größer, alte Neocons und neue Bellizisten machen mobil.
Zu spüren bekommt dies vor allem Deutschland. Das größte EU-Land wird immer mehr in die Enge getrieben. Sogar Selenskyj hat in seiner vielbeachteten Rede im Bundestag Druck auf Berlin gemacht.
Derweil stellt sich die EU in Brüssel immer mehr auf den Krieg ein. Nach vier Sanktionsrunden laufen nun die Vorbereitungen auf ein mögliches Energieembargo auf Hochtouren.
Der „Green Deal“ wackelt
Ohne Gas und Öl aus Russland wären jedoch Deutschland, Österreich und andere EU-Länder kaum in der Lage, den „Green Deal“ umzusetzen. Im Gegenteil – sie wären wieder auf Kohle und Kernkraft angewiesen.
Belgien zog am Freitag die Konsequenzen. Die Regierung in Brüssel hat den eigentlich schon beschlossenen Atomausstieg aufgehoben; zwei AKW sollen nun noch einmal zehn Jahre weiterlaufen.
Zudem will Brüssel neue Gaskraftwerke bauen, um die Stromversorgung zu sichern. Es soll zwar auch mehr Geld für nachhaltige Energien geben – doch das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein…
Mehr Chroniken hier. Abonnement per Mail (kostenlos) hier. Und hier noch die drei besten Blogposts des vergangenen Woche:
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Holly01
20. März 2022 @ 16:48
Ein Problem ist, das diese Situation für unsere Politik und Elite eine riesen Chance ist.
Der ganze unpopuläre Mist, den man bis vor Corona und jetzt mit dem Krieg über FFF in die Gesellschaft bringen wollte, ist plötzlich akzeptabel.
Heizen mit Wärmepumpen via Strom on top zur Elektrifizierung des Verkehrs? Das hätte sich doch vor 6 Monaten keiner gewagt laut auszusprechen.
Da waren das Referentenentwürfe, nach denen man die Wärmepumpe ganz leise über das Baurecht durchdrücken wollte.
Die Industrie komplett umkrempeln und die Rohstoffversorgung neu aufstellen, das waren geheime Altmeier Pläne, die hat man eher belächelt.
Jetzt geht das plötzlich alles.
Jetzt muss der Verbraucher für die Freiheit auch Inflation und Mangelversorgung akzeptieren.
Jetzt lässt man die Preise überschäumen und verlautbart dazu dummes Zeug und „kann man nichts dran machen, Putin war das“.
Überhaupt fällt mir immer öfter der Pispers Satz ein: „Hat man einen Feind, dann hat der Tag auch Struktur.“
Jeder bekommt seinen „Feind“, damit man sich möglichst effektvoll „distanzieren“ kann.
Auseinandersetzung findet inhaltlich gar nicht mehr statt.
Neben der Feindlinie stellt man auch die Fragen völlig anders, als es nötig wäre.
Querdenker sind nun einmal rechts, da muss man nicht nach Inhalten fragen.
Nichtgeimpfte (ja das ist auch ein deutsches Wort, man benutzt nur lieber Impfgegner oder Impfverweigerer) werden nicht hinterfragt. Ein „Warum“ findet nicht statt. Da wird die Antwort vorgegeben (die persönliche Freiheit, was auch immer das sein mag), die tatsächlichen Gründe will lieber niemand hören.
Das FFF eine Aktion war bei der bevorzugt Linke und Grüne ihre Kinder mit dem SUV zur Veranstaltung gebracht haben, wurde genau so wenig hinterfragt wie die ganze Medienkampagne bis hin zur Gallionsfigur. Alles höhere Gewalt.
Jetzt brechen alle Dämme.
Jetzt lässt man sich nicht nur treiben. Nein jetzt definiert man fix was „Richtig“ ist und „gemacht werden muss“ und tut das auf den äußeren Druck hin, was seit Monaten immer wieder angedacht wurde.
Die ganze „Strategie“ zur Energie kann man schon vor 2 Jahren finden, als Trump meinte das dieses Projekt ein Fehler wäre und hier in Deutschland geraunt wurde, man sollte sich lieber fügen und man könnte ja dieses und welches tun.
Dieses und welches sind nun TINA und ganz unvermeidlich toll.
Es besteht also durchaus die Möglichkeit, das die deutsche Politik sich gerade sehr bereitwillig tragen/treiben lässt und dankbar ist, das man nun tun kann, was man tun möchte und getan hätte, wäre da nur diese dämliche Bevölkerung nicht.
Über die Ukraine kommen nun ja auch all die Flüchtlinge, die man vor 4 Wochen noch am Stacheldrahtzaun zu Belarus abgewiesen hat.
Plötzlich ist auch die Verteilung in der EU kein Problem.
In Deutschland sagt keiner mehr 2015 darf sich nie wiederholen, nein jetzt ist das wieder Willkommenskultur.
Das die Flüchtlinge nicht nötig wären, wenn die Wertegemeinschaft andere Politik betrieben hätte, stellt sich auch wieder als roter faden dar.
Das diese Migranten in der Ukraine fehlen werden, auf die Idee kommt erstmal niemand. Hier sind das die händeringend gesuchten Menschen die für jeden Lohn jede Arbeit machen.
Da kann man auch Ausnahmen machen. Also rechtliche Ausnahmen, wegen der Menschlichkeit.
Wegen der Menschlichkeit muss die Polizei auch ein ganz besonderes Auge auf die Frauen halten, das die nicht unter die Räder kommen.
Also ich lande gerade bei „good Polis, bad Polis“ und einer willfährig nickenden Bevölkerung der der Krieg unendlich Leid tut, die aber nicht fragt, wer die treibenden Kräfte dahinter waren.
Ist ja auch klar, „Wir sind die Guten und Putin war es“.
Was scheren uns OSZE Berichte oder öffentlich zugängliche Quellen. Wozu sich mit russischer „Propaganda“ auseinandersetzen.
Wieder versagt die Presse vollständig und dient sich als nützliches Sprachrohr an, wo einer annimmt und im Zitat wird das schon zur ziemlich sicheren Tatsache, um vom nächsten als „haben wir schon immer gewusst“ ausgeschlachtet zu werden.
Wie bei Corona überall die selben Leute, die sich die Bälle gegenseitig zuschieben und die nicht existente Debatte zur wälzen im eigenen Saft machen.
Gehen Sie bitte weiter und geben Sie Ihr Gehirn da drüben ab, wir wissen was für Sie gut ist und wir sagen es Ihnen so lange, bis eine Mehrheit das glaubt und damit legitimieren wir das postum unser Handeln.
Geht das nicht etwas weniger offensichtlich? Ich würde mich wirklich gerne veralbern lassen, macht das doch einen Deut besser, dann lemminge ich euch auch hinterher, versprochen.
Michael
20. März 2022 @ 14:16
Die polnische Regierung ist einmal mehr die fünfte Kolonne der USA und betreibt wieder mal Sabotage gegen die EU. Wie schon zu Zeiten des Irakkrieges mit geheimen Foltergefängnissen für die USA, Stationierung von Raketen und dreisten Forderungen an die EU, sonderkonditionen, weil man ja nie für den Nazikrieg entschädigt wurde. Damals die Kartoffel-Zwillinge, jetzt nur noch einer, der genug Unheil anrichtet. Auftrag aus Washington: EU und vor allem Deutschland schaden.
ebo
20. März 2022 @ 15:16
Im Presseclub wurde Polen heute dafür gelobt. Polen macht es richtig, Deutschland falsch – so die vier Gäste…
El Zorro
20. März 2022 @ 12:56
Zu „Neue Ostfront gegen Deutschland und Frankreich“:
Höchste Zeit, die von Adenauer/De Gaulle begründete – und von Kohl/Mitterand erneuerte Deutsch/Französische Freundschaft für eine „EU der Vaterländer“ in die Waagschale zu werfen. Der Kern Europas ist jetzt gefordert, die slawischen Auswüchse an seinem Ostrand in ihre Schranken zu weisen.
Die blinde Osterweiterung erweist sich als Bumerang der Angelsachsen, der uns jetzt auf den Kopf fällt. GB ist per Brexit raus aus der Nummer. Ich erinnere daran, dass die „Polacken“ schon Mitglied der Nato waren, b e v o r sie 5 Jahre später in die EU aufgenommen wurden. So what?
ebo
20. März 2022 @ 14:05
Die Osterweiterung der EU war eine deutsche Idee, durchgeboxt wurde sie von Verheugen 🙂
El Zorro
20. März 2022 @ 14:38
… angeleiert von Verheugen, durchgeboxt von Fischer!
european
20. März 2022 @ 10:40
Liz Truss musste kürzlich auch erst darauf aufmerksam gemacht werden, dass es einen Unterschied zwischen Black Sea und Baltic Sea gibt. 😉
Soviel zur Kompetenz der Tories.
Über die, durchaus auch scheinheilige, moralische Selbsterhöhung insbesondere der EU erschien heute ein sehr lesenswerter Artikel auf Telepolis.
https://www.heise.de/tp/features/Give-War-a-Chance-6587232.html
Man kann das hier nicht alles zitieren, was der Autor in seinem langen Artikel schreibt. Aber hier wird wieder einmal klar, wie komplex diese Situation ist und wie sehr der Westen bemüht ist, Russland bzw. Putin die alleinige Schuld an dieser desaströsen Situation zu geben. Von Selbstreflexion oder gar Selbstkritik keine Spur, wie man es auch hier immer wieder lesen kann.
Erschütternd und beängstigend. Unser Schicksal liegt in Händen von Leuten, die weder fachlich noch menschlich über Führungskompetenz, Weitblick und diplomatisches Geschick verfügen.
ebo
20. März 2022 @ 10:53
Selbstkritik? Wir wollen uns ja nichtmal an den Irakkrieg erinnern, der am 20.03.2003 begann und ca. 100.000 Zivilisten das Leben kostete…
Thomas Damrau
20. März 2022 @ 08:27
Der Ansatz, den Krieg in der Ukraine immer weiter in Länge zu ziehen, bringt sicher eine Menge Kollateral-Nutzen für die NATO.
Putin setzt sich immer mehr ins Unrecht, es gibt noch mehr Bilder von zerstörten Städten, verzweifelten UkrainerInnen und einem heroischen Präsidenten Selenskyj. Die Bürger der NATO-Staaten werden in Angst vor dem „Russen“ gehalten und sind bereit, einer erhöhten Wehrhaftigkeit immer mehr konkurrierende Ziele zu opfern.
Der tatsächliche Schaden scheint dabei nebensächlich zu werden: mehr Tote, mehr Zerstörung, eine räumliche Eskalation des Krieges in die West-Ukraine (um die Logistik der westlichen Waffenlieferung zu stören), mehr Hass zwischen den Kriegsparteien …
Vor der „Zeitenwende“ hätte man das zynisch genannt.