Von der Leyen ändert das Narrativ
Fast ein Jahr nach der russischen Invasion in der Ukraine ändert die EU-Kommission ihr Narrativ zum Krieg. Auch über die westlichen Sanktionen gegen Russland spricht man in Brüssel plötzlich ganz anders.
Kommissionschefin von der Leyen spricht nun von einem “imperialistischen Krieg” Russlands. Bisher war stets von einer “unprovozierten und nicht zu rechtfertigenden militärischen Aggression” die Rede (“unprovoked and unjustified military aggression”), in deutsch auch von einem “Angriffskrieg”.
Ein imperialistischer Krieg ist natürlich etwas ganz anderes. Da geht es um ein Imperium, das mit Militärgewalt ausgebaut werden soll. Von der Leyen übernimmt offenbar das Narrativ der Ukrainer und ihrer osteuropäischen Freunde, die das russische “Imperium” nach dem “Sieg” zerschlagen wollen…
Auch über die westlichen Sanktionen gegen Russland spricht man in Brüssel plötzlich ganz anders. So verglich der EU-Außenbeauftragte Borrell die Strafen zuletzt mit Arsen. Das Gift bringe sein Opfer zwar nicht sofort um, doch bei ständiger Einnahme entfaltet es mit der Zeit seine tödliche Wirkung.
So kann man aus einem Scheitern einen todsicheren Erfolg machen! Denn dass die EU-Sanktionen alle Ziele verfehlt haben – Russland abschrecken, Russland ruinieren, einen Volksaufstand auslösen, die Kriegskasse leeren, den Krieg verkürzen etc. pp – ist mittlerweile auch dem letzten klar geworden.
Am Ziel – dem Zusammenbruch des “Imperiums” – hält Borrell aber dennoch eisern fest. Allerdings dürfte es mit dem nächsten, zehnten Sanktionspaket auch nicht viel näher rücken. Da man sich nicht auf Strafen gegen die russischen Atomindustrie einigen konnte, zielt die EU nun auf Toiletten…
Siehe auch “Groteske Sanktionen: EU plant Export-Verbot für Klos”. Mehr zum Ukraine-Krieg hier
Es ist bezeichnend, dass VDL ihre neue Sprachregelung bei der Münchener (Un-)Sicherheitskonferenz testet. Es gibt dafür zwar keinen Anlaß – Russland hat noch kein weiteres Land angegriffen, die “imperialen” Ambitionen beschränken sich bisher auf Worte. Doch wenn sie in München gut ankommt, wird sie bestimmt bald auch in unseren Nachrichten zu hören sein… 🙂
Thomas Damrau
20. Februar 2023 @ 12:02
@european
“Unwissenheit ist Stärke” – Orwell hast das weniger ironisch gemeint, als manche unterstellen. Nur wer nicht wirklich versteht, was er anrichtet, kann als Apparatschik funktionieren. Sonst kämen schnell die Bedenken.
Und am Ende winkt eh christliche Vergebung: “Vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie …” sagen/tun.
Thomas Damrau
18. Februar 2023 @ 14:27
@Arthur Dent
Richtig.
Deshalb fand ich Bütikofers Vorschlag so putzig, VW solle doch einfach weniger PKW in China verkaufen.
Das zeigt ja genau das Dilemma einer „wertegeleiteten Politik“:
– Wenn „die Werte“ ernst meint, praktiziert man früher oder später Subsistenzwirtschaft. Es gibt einfach zu viele Schurken auf dieser Welt.
– Wenn das nur vor sich her trägt, um aus anderen Gründen opportune Entscheidungen zu rechtfertigen, verstrickt sich früher oder später in Widersprüche und Scheinheiligkeit.
european
19. Februar 2023 @ 11:13
Bütikhofer ist auch so ein Beispiel, wie man ohne abgeschlossene Ausbildung und nur mit Zivildienst in die obersten Politikchargen kommt, Kriegstreiber wird und ungestraft ökonomischen Nonsense verbreiten kann. Aber es passt in die Habeck’sche Idiotie von den Firmen, die einfach mal aufhören zu verkaufen, ohne darüber insolvent zu werden.
Arthur Dent
18. Februar 2023 @ 13:04
@Thomas Damrau
es gibt einen zweiten Teil der „Wahrheit“ von „wir müssen unsere Abhängigkeit von China reduzieren“, die von der Ampelregierung und insbesondere von den Grünen behaarlich verschwiegen wird, denn wir „wollen“ in dem Zuge ja auch alle ärmer werden.
Abhängigkeiten veringern heißt Wohlstandsverluste hinnehmen – und nicht zu knapp.
Thomas Damrau
18. Februar 2023 @ 09:16
Narri-Narro-Narrativ. Es ist die Zeit der launigen Büttenreden, die dann im Fernsehen übertragen werden. Die Gelegenheit muss man jetzt für ein Reframing der Botschaft nutzen:
– Aus Putins “Finger weg von der Ukraine” wird “ein geplantes russische Imperium bis nach Portugal” (habe ich vor kurzem gehört)
– Aus dem wenig erfolgreichen Wirtschaftskrieg gegen Russland wird eine coole Langzeitstrategie, die den Gegner schleichend zu Tode kommen lässt.
– Deutschland brauche eine dokumentierte “Nationale Sicherheitsstrategie” – insbesondere gegenüber China, forderte Manfred Ischinger heute früh im DLF ( https://www.deutschlandfunk.de/entzweit-nationale-sicherheitsstrategie-ampel-interview-mit-wolfgang-ischinger-dlf-5d1efcd9-100.html ). Auch dieser Begriff klingt erst mal überzeugend: Es fehlt ja tatsächlich eine schlüssige außenpolitische Strategie. Ein interessantes Framing-Experiment ist allerdings die Überschrift “Entzweit die nationale Sicherheitsstrategie die Ampel?”, die wohl suggerieren soll, dass wir eine solche Strategie längst hätten, wenn es in der SPD nicht einige unverbesserliche Pazifisten gäbe (die in Wirklichkeit wenig Einfluss haben). Man sollte einfach Ischinger beautragen, diese Strategie festzulegen – finde ich.
– Einige Minuten später legt Reinhard Bütikofer im selben Sender nach ( https://www.deutschlandfunk.de/wie-weit-kann-man-china-vertrauen-interview-mit-reinhard-buetikofer-b90-gruene-dlf-ba39b184-100.html ) und verkündet stolz “Wir müssen die Abhängigkeit von China reduzieren” – das Protokoll verzeichnet Standig-Ovations. Und dann kommt der gute Ratschlag an die Firma VW, nicht mehr so viele PKW in China zu verkaufen. “Schön gesagt, aber wie soll das gehen?” sieht sich der Redakteur gezwungen zu fragen. Dann kommt von Bütikofer “Exportgarantien reduzieren” und “viele kleine Bausteine”. Und später: man sehe ja, dass “China sich ins Abseits manövriert habe”. Und daher starte China ein “Charme-Offensive”. Und bei mir entsteht mal wieder der beruhigende Eindruck: “Gott-sei-Dank: Der Werteweste hat alles unter Kontrolle”.
Ich vertraue unseren Vordenkern uneingeschränkt!
KK
18. Februar 2023 @ 02:26
@ european:
„Victoria Nuland hält ja nicht hinter dem Berg mit ihrer Überzeugung.“
Ich auch nicht.
Fuck Victoria Nuland!
Und Asterixe im Kraftausdruck hat sich diese Frau nun wirklich nicht verdient.
Dixie Chique
20. Februar 2023 @ 12:00
100%ig korrekt!
Und sie ist beileibe nicht die einzige imperial-chauvinistische “Politikerin”, die besser heute als morgen in die Tonne (in der Klapse) gekloppt gehört. Überhaupt alle NeoLiberalCons gehören schnellstmöglich in unbegrenzte und dauerkameraüberwachte U-Haft!
Gratulation auch zu Ihrer Ausdrucksweise. Ich hätte es nicht so höflich hinbekommen.
Arthur Dent
17. Februar 2023 @ 23:11
Ein „Imperialismus-Zitierkartell“ – Olaf Scholz warf Russland im September letzten Jahres „blanken Imperialismus“ vor, noch 1987 kritisierte er scharf den US-Imperialismus (vielleicht erinnert er sich ja nicht mehr). Nun gibt es vom Imperialismus verschiedene Definitionen: die eine denken an das Römische Reich, die anderen an die napoleonischen Eroberungskriege, manche an das Britische Empire, und manche an Lenins Schrift „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“.
(Ob die Amerikaner im umgekehrten Fall auch ihre Regierung stürzen würden und auf eine bessere Zukunft hoffen, die ihnen vom Osten angeboten würde?) Man kann sich eigentlich den ganzen Stuss kaum noch anhören, der da täglich von „politischen Eliten“ abgesondert wird.
european
17. Februar 2023 @ 20:00
Victoria Nuland hat heute mal wieder ein Interview im Carnegie Institut gegeben und zusammen mit Ursula von der Leyen’s neuer Wortwahl ergibt sich ein – m.E. furchtbarer – Sinn.
Alex Christoforou von The Duran erklärt es gleich am Anfang seines Videos und blended den geschriebenen Text ein, für alle zum Nachlesen
https://www.youtube.com/watch?v=GXZ-0fDbrQQ
Das Original findet sich hier
https://www.youtube.com/live/dxA2ZD6bhcU?feature=share
„Asked how she saw the conflict ending, Nuland said the West „must never trust as long as Vladimir Putin is in Power or somebody like him, that this is truly over“ Even if the fighting ends on Ukraine’s terms, there „has to be a long-term plan to build up Ukraine’s military as deterrent.“ She also expressed her preference for Russians overthrowing their government for a „better future“ offered by the West“
Regime-Change in Moskau. Das war der Plan (m.E. von Anfang an) und nun wurde es endlich mal gesagt. Victoria Nuland hält ja nicht hinter dem Berg mit ihrer Überzeugung.
Derweil hat übrigens Biden eingeräumt, dass die „chinesischen Ballons “ wohl doch keine chinesischen Spyballons waren, sondern Wetterballons oder Ballons zur wissenschaftlichen Untersuchung. Sie kamen aus USA. Bei den Chinesen wird er sich aber nicht entschuldigen und er hat auch noch gesagt, dass man zu China keine Konfrontation, sondern Competition wünscht.
Auch schön.
Wird auch am Anfang des Videos von Alex Christoforou erwähnt.
ebo
17. Februar 2023 @ 20:25
Der Sturz der russischen Regierung wurde schon mit den Sanktionen angestrebt. Hat nicht geklappt. Aber nun ist das Ziel klarer. Dieser Doppelkrieg (Militär und Wirtschaft) kann noch lange dauern…
Moralischer Bankrotteur
17. Februar 2023 @ 17:35
Wenn einem die Argumente ausgehen müssen halt frische Schlagworte her. Imperialismus ist mir durchaus ein Begriff, allerdings weniger im Kontext mit der russischen Föderation. Es ist ein überflüssiger und nicht zu rechtfertigtender Krieg gegen die Ukraine, aber wohl eher weniger aus Begeisterung. Wer wollte denn dieses demokratisch zweifelhafte Land auch haben wollen, außer die USA . Nicht mal die EU wollte eigentlich nähere Bekanntschaft schließen
Hekla
17. Februar 2023 @ 16:46
Das Imperialismus-Narrativ ist ein völlig kontraproduktives und leider auch sehr gefährliches. Unter diesem Begriff werden zunächst einmal die eigentlichen Ursachen völlig begraben, so dass man sich von einer Lösung noch weiter entfernt. Die hier vorliegenden und qirklich offensichtlichen Ursachen werden damit aus dem Konkreten quasi ins Abstrakte gehoben. Und wenn ich es bis zum bitteren Ende durchdenke: wenn das Motiv also tatsächlich imperialistischer Machthunger sein sollte, Putin sich also alles schnappen wird, was er nur kriegen kann, dann ist ja ein grosser Krieg wirklich alternativlos. Gerade höre ich das auch schon bei Scholz im Radio. Ich frage mich ernsthaft: ist von der Leyen und sind all die anderen wirklich so… limitiert oder wollen sie uns wirklich um jeden Preis in einen Krieg reinreiten?
european
17. Februar 2023 @ 15:04
Ich vermute mal, dass der Ukraine-Krieg der einzige Agendapunkt ist, mit dem aktuell in der EU groesstmoegliche Einigung erzielt werden kann. Es gibt so viele Probleme innerhalb der EU und der Eurozone, fuer die man Loesungen finden muss, fuer die es aber schwer wird, Mehrheiten zu bekommen.
Im naechsten Jahr laeuft der Vertrag der EUCO-Praesidentin aus. Meiner Ansicht nach weht genau daher der Wind. Man macht ein ohnehin grosses Problem scheinbar noch groesser, damit die “Wiederwahl” gesichert ist.
Korrupt genug dazu ist sie.
Sie koennte sich nur dahingehend verrechnen, dass die USA als Unterstuetzer wegfaellt. Selbst die Mehrheit der Demokraten will nicht, dass er nochmal antritt, auch nicht Kamala Harris. Schon gar nicht nach dem Nordstream Desaster. Die Waehler sind noch eindeutiger, wie eine Umfrage aus dieser Woche in der NY Times zeigt.
https://www.currentaffairs.org/2023/02/democratic-voters-want-to-get-rid-of-biden-but-will-the-party-let-them
Bedenkt man wie knapp die Biden-Wahl verlaufen ist, koennte ein Regierungswechsel in greifbare Naehe ruecken.
Ebenso sinkt die Zustimmung fuer die “unbegrenzte” Ukrainehilfe.
https://www.businessinsider.com/ukraine-war-aid-not-forever-senior-biden-administration-official-2023-2?r=US&IR=T
Es waere ein Desaster fuer die EU, wenn sich Afghanistan wiederholte.
KK
17. Februar 2023 @ 14:53
Wer hier, übrigens seit Jahrzehnten schon, einen „imperialistischen Krieg“ führt, gerne auch durch Stellvertreter wie derzeit die Ukraine, sollte zweifelsfrei feststehen:
Unser sogenannter „Freund und Verbündeter“ USA, dem wir – Deutschland, die NAhTOd und die EU – dabei auch noch bis zur völligen Selbstaufgabe zu helfen bereit scheinen!
Helmut Höft
18. Februar 2023 @ 20:30
Sehr richtig! Vergiss‘ aber die Vasallen nicht, die „Koalitionen von Willigen“, die sich – wenn nicht direkt mit Militär – ggf. mit Kohle, Geheimdienst etc. beteiligen. Der Hegemon ist der natürliche Feind des Friedens, seine Vasallen sind kein Deut besser.
WBD
17. Februar 2023 @ 14:43
Also, kurz + drastisch gesagt: die neuen Sanktionen sind für’n Arsch!!
“Da man sich nicht auf Strafen gegen die russischen Atomindustrie einigen konnte, zielt die EU nun auf Toiletten…”