Das falsche Signal aus Kiew, Empörung über Musk – und Kahlschlag bei Goethe
Die Watchlist EUropa vom 03. Oktober 2023 –
Erst Ungarn, dann Polen, nun auch die Slowakei und sogar die USA: Die Unterstützung für die Ukraine wird immer öfter infrage gestellt. Macht sich im Westen eine gefährliche Ermüdung breit? Dieser Meinung sind viele Analysten und Kommentatoren, etwa in der Kölnischen Rundschau: Die innenpolitische Lage werde auch bei starken Unterstützern der Ukraine immer wackliger; umso mehr müsse die EU gegensteuern.
Doch geht es hier wirklich um eine innenpolitisch (sprich: “populistisch”) motivierte “Ermüdung” – und nicht um eine außen- und militärpolitisch durchaus nachvollziehbare Ernüchterung? Dies wäre meine Gegen-These.
Die ukrainische Gegenoffensive ist offensichtlich gescheitert, EU und Nato stellen sich auf einen langen Krieg ohne Exit-Strategie ein. Von Verhandlungen spricht keiner mehr, umso mehr sollen die Bürger die Gürtel enger schnallen.
Da ist es nur zu verständlich, dass sich Ernüchterung einstellt und der Widerstand größer wird. Es ist auch rational – denn ein “forever war” ohne gemeinsame Strategie und realistisches Ziel kann nicht im europäischen Interesse sein!
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Doch statt diesen bitteren Wahrheiten ins Auge zu sehen, haben die Außenminister bei einem “historischen” Treffen in Kiew “weiter so” geschworen. Symbolpolitisch mag dies wichtig sein – um der Ukraine im Krieg den Rücken zu stärken.
Bei nüchterner Betrachtung ist es jedoch das falsche Signal. Die Ukraine braucht keine Treueschwüre, sondern ein Ende des Krieges. Dem Land gehen nicht nur die Waffen, sondern auch die Soldaten aus, die EU kann die Lücken nicht schließen.
Höchste Zeit, dass die Außenminister sich ehrlich machen. Statt Symbolpolitik gilt es, endlich wieder Realpolitik zu machen. Sonst kann die Ernüchterung irgendwann in Verzweiflung und in Wut umschlagen – auf eine EU, die nicht weiß, was sie tut…
Siehe auch “Ukraine: die Solidarität bröckelt, die Einheit auch“
News & Updates
- Empörung über Musk. Der neue Twitter bzw. X-Eigner hat sich über die ukrainischen Finanz-Forderungen lustig gemacht und einen Tweet geteilt, in dem im Zusammenhang mit der deutschen Flüchtlingspolitik zur Wahl der AfD aufgerufen wird. Dies führt zu Empörung – von Kiew bis Berlin. Linken-Chef Schirdewan fordert gar eine Art Vergesellschaftung…
- Rekord-Rüstung für die Ukraine. Die Bundesregierung hat allein in den ersten drei Quartalen Rüstungsexporte im Wert von 8,76 Milliarden Euro genehmigt. Der bisherige Rekordwert dürfte damit bis Jahresende übertroffen werden. Größter Abnehmer der Waffen ist wenig überraschend: die Ukraine. Vor der Wahl wurde anderes versprochen… – Mehr beim “Spiegel”
- Belgier für harte Linie in Asylpolitik. Nicht nur Deutschland, auch Belgien streitet über die Asyl- und Flüchtlingspolitik. Eine Mehrheit unterstützt eine harte Linie – bis hin zum Unterbringungs-Verbot für allein reisende männliche Migranten. – Mehr im Blog
Das Letzte
Kahlschlag bei Goethe. Das Auswärtige Amt unter der Führung von A. Baerbock will die Goethe-Institute in Lille, Strasbourg und Bordeaux schließen. Damit würde der deutsch-französische Kulturaustausch, der ohnehin schon darnieder liegt, weiter geschwächt. Gleichzeitig sollen neue Standorte entstehen, etwa in Osteuropa. So soll in Polen zusätzlich zu den Präsenzen in Warschau und Krakau ein dritter Standort aufgebaut werden. Auch in der Republik Moldau will sich das Goethe-Institut künftig stärker engagieren. Doch die Hinwendung zu Osteuropa kann die Abkehr vom wichtigen EU-Partner Frankreich nicht kompensieren…
european
3. Oktober 2023 @ 14:36
Warum muss man Goethe in Frankreich schwächen, um ihn im Osten zu stärken?
MWn kann man Flöhe und Läuse haben. Warum geht hier nicht beides? Man könnte vermuten, dass Deutschland zeigen will, wer hier in der EU die Hosen anhat.
Passt zu Baerbock’s Elefanten-im-Porzellanladen-Politik.
ebo
3. Oktober 2023 @ 14:44
Sie versteht nichts von Frankreich, c’est tout
european
3. Oktober 2023 @ 15:34
@ebo: Sie haben Recht.
Ich stimme Ihnen voll und ganz zu und setze noch einen drauf. Sie versteht nicht nur nichts von Frankreich, sondern sie hat auch kein Gefuehl fuer andere Kulturen. Der Rest der Welt muss einfach so werden wie sie sich das denkt. Mit dieser Haltung ist sie nicht nur eine Fehlbesetzung als Aussenministerin, sondern sie schadet sowohl dem Amt als auch dem Land und zwar langfristig.
KK
3. Oktober 2023 @ 13:25
“EU und Nato stellen sich auf einen langen Krieg ohne Exit-Strategie ein.”
Die deutschen Nazis wollten ein tausendjähriges Reich, die Unterstützer der ukrainischen Nazis offensichtlich einen tausendjährigen Krieg.
ebo
3. Oktober 2023 @ 15:11
Es gibt Nazis in der Ukraine, sogar mehr als genug. Aber deshalb sollten wir nicht alle Ukrainer oder ihre Führung pauschal als Nazis bezeichnen!
Monika
3. Oktober 2023 @ 19:19
Ja, es gibt eine große Zahl aktive, sogar in die Regierung der Ukraine eingebundene Nazis. Und ja, die ukrainische Regierung wird von uns und den NATO-Mitgliedsländern militärisch und finanziell stark unterstützt. Mithin auch die Nazis in dieser Regierung. Sie haben recht mit ihrer Aussage, dass man/frau nicht alle Ukrainer*innen über den nazistischen Kamm scheren darf. Da sich jedoch die Nicht-Nazis in der ukrainischen Regierung sowie die nichtnazistischen Ukrainer*innen in keiner Weise von ihren Nazi-Koalitinären auch nur andeutungsweise oder themenbezogen abzugrenzen wagen, kann durchaus von einer durchgehend nazistischen Regierungslinie in der Ukraine gesprochen werden. Das ist bedauerlich.
Noch bedauerlicher ist es, dass wir mit unseren Hilfen weltweit die Vertreter des Nazismus bestärken in ihrem Wahn, sie müssten militärisch nur groß genug und brutal genug denken und handeln, dann folge -wie immer- die Macht auf dem Fuß der brutal durchgezogenen Ideologie.
Wir halten uns derweil, wie die drei Affen, Augen, Ohren und den Mund zu, selbst bei den krudesten Vorkommnissen wie Todeslisten, auf denen deutsche Bürger*innen, Journalist*innen undPolitiker*innen „zum Abschuss frei gegeben“ werden, oder einem staatsterroristischen Akt, der, wie die Nordstreamsprengung, eigentlich eine Kriegserklärung darstellt. In Kanada wagt man es sogar alte SS-Verbrecher als Helden auszustellen durch das dortige nazistische Klientel.
Und genau mit diesem feigen, indifferenten Verhalten fallen wir allen Nicht-Nazis in der Ukraine heimtückisch in den Rücken.
Die Nazis bei uns hier dürfen schon mal die nächste Flasche Schampus kaltstellen.
Kleopatra
3. Oktober 2023 @ 20:21
Wenn man im Ukrainekrieg Nazis sucht, findet man sie auf der russischen Seite. Zum Beispiel wirkt der Artikel von Putin über die „historische Einheit von Russen,Weißrussen und Ukrainern“ von Sommer 2021 wie eine Neuauflage von Hitlers Aussage zu Österreich „Gleiches Blut gehört in ein gemeinsames Reich“.
KK
4. Oktober 2023 @ 13:07
@ ebo:
Aber nur die nationalistischen Ukrainer mit mehr oder weniger starkem Hang zum rechtsextremen Faschismus wollen den Krieg bis zum “Endsieg” führen – die anderen Ukrainer wollen, so wie man das inzwischen auch in der Westpresse vereinzelt lesen kann, mehrheitlich endlich Frieden oder zumindest ein Ruhen der Kampfhandlungen, um zu einem Frieden zu finden. Aber nur die ersten werden vom Westen in ihren Zielen unterstützt!
Monika
4. Oktober 2023 @ 15:16
Liebe Kleopatra
ihren Beitrag möchte ich aus prinzipiellen Gründen nicht unwidersprochen “hinnehmen”. Das, was länderübergreifend heutzutage als “Nazismus” bezeichnet wird, betrifft nun wirklich nicht nur die russische Föderation. Nazismus blüht derzeit in vielen Ländern, auch und gerade in Ländern, die dem Denken der Wertbasierten Ordnung anhängen, erneut geradezu auf. (USA, Kanada, einigen Staaten Südamerikas, Lettland, und vielen mehr, durchaus in unterschiedlichen Facetten und unterschiedlicher Radikalität).
Es mag ihre persönlichen Vorstellungen von ukrainischem Nationalbewußtsein unangenehm berühren, aber die “Banderas” sind sehr radikal und “lupenrein” dem nazionalsozialistischen Rasse- und Klassemythen mit Haut und Haar verfallen, sind strenggläubige “Slawa Ukraijni”-Jünger, die sich ebenso “unverhandelbar” im Recht fühlen, wie vor 90 Jahren die Jünger des Hitlerschen “Heils”.
Wie gesagt, ich stelle nicht in Abrede, dass nicht nur in der Ukraine sondern weltweit eine Vervielfachung der Nazisten von den Regierungs”eliten” zugelassen wurde, die mittlerweile immer offener und unverhohlen das nazistische Gedankengut als neue Grundlage ihres machtpolitischen Handelns begreifen.
Volksgruppen und Staaten, die das eigene Mitwirken an ihrer Vergangenheit verleugnen und relativieren, sind mir suspekt. (ja, bitter, auch die Ukraine war Sowjetunion, auch Ukrainer haben jahrzehntelang die Umstände der Sowjetunion mitgestaltet, haben Staatschefs gestellt ect.)
Was wird die Ukrainische Regierung tun, wenn sie erkennen muss, dass sie, wie schon so viele “Staaten im Übergang” vor ihr vom Westen gründlich genasführt wurde? Vielleicht hätte sie sich eingehender mit der jüngeren Kriegs-Geschichte der USA beschäftigen sollen, als mit ausschließlich blindem Russenhass.
Helmut Höft
3. Oktober 2023 @ 12:12
„Goethe in Osteuropa stärken“!
Na endlich, jetzt rücken nach den USA und der NATO nun auch die Tschömens dem Kreml so richtig auf den Pelz. Konsequenz? Tschajkowski & Prokofieff, Dostojewski & Tolstoi verbieten! (Ironie off)
Man greift sich an den Kopf und greift ins Leere!
@Thomas Damrau
So isses. Besonders gefällt die Passage „Willkommen auf dem Weg …“
Thomas Damrau
3. Oktober 2023 @ 09:04
Wie so oft in der Repräsentativen Demokratie wird die Bevölkerung der EU in Geiselhaft genommen, wenn die Regierungen sich in Phantasmen verrannt haben, die an den realen Gegenheiten scheitern müssen: Willkommen auf dem Weg zum „Finalen Sieg über das Böse“, bei der „Transformation, die möglichst nichts ändern soll“, beim Projekt „Westliche Fettlebe ohne Ausbeutung anderer“ oder auf der „Suche nach der Versöhnung von Ökonomie und Ökologie“.
Das Problem: Da die BürgerInnen in konkrete Entscheidungen während der Wahlperiode nicht einbezogen werden (man hat ja bei der vorigen Wahl seine Stimme im wahrsten Sinne des Wortes „abgegeben“), bleibt ihnen nichts anderes übrig, als am nächsten Wahltermin der Regierung pauschal eins drauf zu geben. Und da die politische Rechte in vielen Ländern als einzige einen Gegenentwurf anbietet (auch wenn dieser Gegenentwurf genauso von der Realität entkoppelt ist), profitiert sie vom Unmut der WählerInnen.
Siehe auch https://redfirefrog.wordpress.com/2023/09/06/die-banker-von-der-afd/