Ukraine: Friedensgespräche im Nebel des Krieges (und im Schatten Trumps)
Der Nebel des Krieges hat auch die Friedensgespräche zwischen der Ukraine und Russland erfasst: Niemand blickt mehr durch. Dennoch gibt es einige wichtige neue Erkenntnisse.
Nach der zweiten Runde in Istanbul lässt sich festhalten:
- Sowohl die Ukraine als auch Russland schielen auf US-Präsident Trump. Die Gespräche wurden offenbar nur geführt, um Trump auf die eigene Seite zu ziehen – nicht jedoch, um in der Sache wirklich voran zu kommen.
- Die EU sitzt immer noch nicht am Verhandlungstisch. Statt eigene Diplomaten zu schicken, versucht sie, Druck auf Trump auszuüben, damit dieser massive Sanktionen gegen Russland verhängt – was wohl das Ende der Gespräche bedeuten würde.
- Auch die Ukraine hat versucht, die Gespräche zu torpedieren. Erst stellte sie ihre Teilnahme infrage. Dann führte sie massive Drohnenangriffe auf russische Stützpunkte durch. Sie waren von langer Hand geplant und offenbar auf den Punkt “getimt”.
- Russland hat sich nicht zum Rückzug aus den Gesprächen provozieren lassen. Allerdings haben sich die USA und die EU auch nicht von den Attacken distanziert. Dies dürfte die Ukraine zu neuen Angriffen auch jenseits der eigenen Grenzen ermuntern.
- In Istanbul haben beide Seiten ihre Maximalforderungen vorgelegt. Die russische Position hat sich seit den ersten Istanbul-Gesprächen im Frühjahr 2022 kaum verändert, die ukrainische auch nicht – obwohl Kiew seither viel Gelände verloren hat.
- Beide Seiten stellen Forderungen, die über die militärische Lage hinausgehen. Allerdings könnte Russland seine Ziele noch erreichen, die Ukraine nicht. Moskau hat daher allen Grund, den Krieg zu verlängern – und Kiew, “asymmetrisch” zu antworten.
- Abgesehen von den russischen Gebietsansprüchen kristallisieren sich Reparations-Zahlungen und der künftige Status der Ukraine als zentrale Streitpunkte heraus. Die Ukraine fordert Reparationen und eine starke Nachkriegsarmee, Russland lehnt beides ab.
- Ein Waffenstillstand zeichnet sich weiter nicht ab. Russland hat zwar zwei Optionen für eine Waffenruhe angeboten, die Ukraine hat jedoch beide abgelehnt. Der Krieg dürfte also weiter eskalieren, eine realistische Friedensperspektive ist nicht zu erkennen.
Mehr zum Krieg um die Ukraine hier
P.S. Ein Aspekt “am Rande”: Die Ukraine hat die Rückführung von 400 verschleppten ukrainischen Kindern aus Russland gefordert. Demgegenüber war früher von fast 20.000 die Rede – diese Zahl hat sich auch die EU zu eigen gemacht. Sie war vielleicht zu hoch gegriffen?
Kleopatra
4. Juni 2025 @ 08:37
Russland will letztlich erreichen, dass die USA ihm in Europa freie Hand zur Unterdrückung und Ausbeutung europäischer Staaten lassen. (Verbrämt als „gemeinsames europäisches haus von Lissabon bis Vladivostok“). Alle anderen Forderungen sind Zwischenziele.
Arthur Dent
4. Juni 2025 @ 11:41
Konventionell scheint Russland das nicht zu können und nuklear ist das sinnlos. Danach lässt sich auf Jahrzehnte nichts mehr ausbeuten.
Eric Hulsens
4. Juni 2025 @ 12:46
“Russland will letztlich erreichen, dass die USA ihm in Europa freie Hand zur Unterdrückung und Ausbeutung europäischer Staaten lassen.” Woher haben Sie das bloss, Kleopatra??? Offensichtlich streitet Russland für die eigene Sicherheit und für die Lösung des internen Konfliktes in der Ukraine, also des Bürgerkriegs. Die diskriminierten Donbassrepubliken haben sich als selbständige Staaten konstituiert, eine Mitgliedschaft der Russischen Föderation gefragt und diese bekommen, und werden jetzt von Russland geschützt, genauso wie ein NATO-land in einem Konflikt mit einem nicht-Natostaat geschützt würde. Fall gelöst. Für die eigene Sicherheit muss Russland die Garantie bekommen, dass es keine fremden Armeen, also keine NATO aber auch keine sonstigen Truppen in der Ukraine geben wird. Eigentlich eine Wiederherstellung der Neutralität der Ukraine die sowohl in der Autonomie-Erklärung des modernen Staates als in seinem Grundgesetz aufgenommen war. Das scheint mir, Kleopatra, alles sehr klug und redlich, und hat doch mit Ausbeutung und Unterdrückung nichts zu tun?
Guido B.
4. Juni 2025 @ 13:09
Ah, die gut unterrichtete Kleopatra kennt die langfristige Agenda der Russen. Wurden ihr die Protokolle der Sitzungen des Sicherheitsrates der Russischen Föderation zugespielt? Hat sie Putins Schlafgemächer verwanzt? Oder saugt sie sich einfach nur eine weitere Verschwörungserzählung aus den Fingern?
Also wenn ich Putin wäre, würde ich um EUropa einen großen Bogen machen. Zu viel Blasiertheit, zu viel Schwachsinn, zu viele Altersheime, zu viel Russenhass. Nichts, was das russische Herz begehrt.
KK
4. Juni 2025 @ 02:50
„Der Krieg dürfte also weiter eskalieren, eine realistische Friedensperspektive ist nicht zu erkennen.“
Das wusste Sönke Neitzel offenbar schon vor einigen Monaten… der Krieg wird eskalieren und auf den Rest EUropas übertgreifen, denn der mischt ja schliesslich auch immer mehr mit.
Das wird so sein wie mit der Ukraine und deren Angriffen auf den Donbas: Russland schaut lange zu, aber wenn es irgendwann zuviel ist, dann ist es zuviel – und es schlägt los.