Überwachen und strafen

Seit Januar vergeht kaum ein Tag, ohne dass EU-Kommissar Oettinger von „seinem“ neuen EU-Budget redet. Heute kommt nun endlich der fertige Entwurf für die Jahre 2021 bis 2027. Streit ist programmiert.

Denn sowohl die Höhe des neuen Sieben-Jahres-Plans als auch die Struktur ist heftig umstritten. CDU-Mann Oettinger fordert mehr Geld – nachdem Kanzlerin Merkel das letzte EU-Budget noch zusammengestrichen hatte (gemeinsam mit den Briten!).

Das Budget soll nun – trotz Brexit – um 1,1 Prozent „plus x“ erhöht werden, doch die Niederländer und andere wirtschaftsliberale EU-Länder sind strikt dagegen. Trotz der Erhöhung sollen Bauern und Regionen weniger Geld bekommen.

Das bringt die Landwirte auf die Barrikaden – erstmals zeichnet sich eine deutsch-französische Protestfront ab. Und natürlich laufen auch die Bundesländer gegen Kürzungen Sturm, vor allem im Osten macht man sich große Sorgen.

Doch das ist möglicherweise noch das geringste Problem. Noch mehr Ärger dürfte es wegen Oettingers Vorstoß geben, EU-Hilfen von Rechtsstaatlichkeit und der Umsetzung Brüsseler Vorgaben etwa zur Flüchtlingspolitik abhängig zu machen.

Der deutsche Budgetkommissar will überwachen und strafen (Foucault lässt grüßen) – und dabei vor allem nicht folgsame oder autoritär regierte Länder wie Polen und Ungarn am Portemonnaie packen – also da, wo es am meisten weh tut.

Doch wenn Oettinger es mit dem Rechtsstaat wirklich ernst meint, müsste er auch dem Mafiastaat Malta die EU-Hilfen kürzen – oder Spanien, wo demokratisch gewählte Politiker in Katalonien ins Gefängnis wandern.

Der offenbar unausgegorene Entwurf enthält so viele Fallstricke, dass noch bis zur Vorstellung am Mittwoch über Details gerungen werden dürfte. Danach beginnt erst die eigentliche Schlacht – mit den Mitgliedstaaten…

WATCHLIST:

  • Im Handelsstreit mit den USA treten die Risse zwischen Berlin, Brüssel und Paris, aber auch zwischen der EU-Kommission und dem Europaparlament offen zutage. Während Berlin für ein Zollabkommen („TTIP light“) wirbt, ist Paris gegen ein unkonditioniertes „Angebot“ an die USA, wie es Wirtschaftsminister Altmaier fordert.
  • Und das Europaparlament warnt die EU-Kommission davor, hinter seinem Rücken irgendwelche Zugeständnisse an die USA zu machen. Einen neuen TTIP-Geheimdeal dürfe es nicht geben, warnen die Grünen…

WAS FEHLT?

  • Transparenz. Auch nach der Verlängerung der Schonfrist für US-Zölle bis zum 1. Juni ist unklar, ob die EU-Kommission bereits mit den USA verhandelt, und über was genau. Handelskommissarin Malmström gab ein Statement heraus, das die Frage nach möglichen „Deals“ unbeantwortet lässt. Ihr US-Counterpart Ross sprach von „sehr produktiven Gesprächen“.
  • Sozialer Friede in Frankreich. Nach mehreren Streikwochen, die diverse Wirtschaftsbereiche treffen, gab es zum 1. Mai auch noch Randale in Paris. Ein „schwarzer Block“ mischte die Gewerkschafts-Demos auf, es gab rund 200 Festnahmen. Nun muss sich die Regierung den Vorwurf anhören, sie habe die Lage nicht mehr im Griff – und das 50 Jahre nach Mai 68…