Der letzte Trumpf im Türkei-Poker
Man könnte es schlechtes Timing nennen: Kaum dass Brüssel die Visa-Liberalisierung für die Türkei abgesegnet hat, stürzt Sultan Erdogan seinen Premier Davutoglu. Doch es steckt mehr dahinter.
Denn zum einen dürfte Kommissionsvize Timmermans kaum entgangen sein, dass in der Türkei ein harter Machtkampf tobt. Erdogans Coup war ja sogar öffentlich angekündigt worden.
Zum anderen weiß man in Brüssel nur zu gut, dass die Reisefreiheit der letzte Trumpf ist, den man gegenüber Erdogan noch ausspielen kann. Diese Karte hat Brüssel viel zu früh gezogen.
Deshalb hat die EU jetzt kein Mittel mehr in der Hand, um Erdogan zu stoppen. Nur das Europaparlament könnte noch die Notbremse ziehen – und die Visa-Liberalisierung stoppen.
Die Chancen für ein Nein aus Straßburg stehen allerdings nicht gut. Erdogan hat eine kritische Türkei-Erklärung des EU-Parlaments bereits für „null und nichtig“ erklärt.
Nun verlässt sich der Sultan auf seine beste Freundin: Kanzlerin Merkel: Sie soll – und wird – dafür sorgen, dass der Visa-Deal nicht an Straßburg scheitert.
Schließlich hat Merkel schon erklärt, dass die Türkei bis Ende Juni alle Bedingungen erfüllt. Nun muss sie nur noch CDU/CSU/SPD im Europaparlament überzeugen…
S.B.
6. Mai 2016 @ 09:01
„Zum anderen weiß man in Brüssel nur zu gut, dass die Reisefreiheit der letzte Trumpf ist, den man gegenüber Erdogan noch ausspielen kann. Diese Karte hat Brüssel viel zu früh gezogen.“
Die EU spielt, sicher von ihren Handlern so befohlen, den depperten Klassenclown. So blöd, wie die sich beim Verhandeln anstellen, kann eigentlich kein Mensch sein. Schon, dass überhaupt mit der Türkei über so etwas Essenzielles, wie die Visa-Freiheit verhandelt wird, zeigt, dass hier etwas nicht stimmt.
„Schließlich hat Merkel schon erklärt, dass die Türkei bis Ende Juni alle Bedingungen erfüllt. Nun muss sie nur noch CDU/CSU/SPD im Europaparlament überzeugen…“
Merkel regiert in D, also dem Führungsland in der EU und damit folgerichtig auch in der EU selbst, per Dekret. Selbst erhält sie ihre Anweisungen zweifelsfrei aus Washington, womit die Zielrichtung aller Maßnahmen klar wird. Im Europaparlament, das noch weniger zu entscheiden hat, als die DDR-Volkskammer (was eigentlich gar nicht geht), muss niemand überzeugt werden. Merkel setzt ihre Vorgaben aus überm großen Teich im Alleingang um. Parlamente, egal ob in Berlin oder in Brüssel, sind für sie keine Maßgabe.
ebo
6. Mai 2016 @ 09:05
Falsch, im Europaparlament sind noch alle dagegen. Die Schlüsselrolle fällt Schulz zu, der allerdings von Merkel abhängig ist…
S.B.
6. Mai 2016 @ 09:31
@ebo: Es ist völlig egal, ob im Europaparlament alle dagegen sind, weil es defacto nichts zu sagen hat. Schulz ist nur der Oberclown der vielen Parlamentsclowns. Deshalb hat auch er nichts zu sagen. Zweck des Europaparlaments ist es, der EU einen Anschein von Demokratie zu geben. Nicht mehr und nicht weniger. Nicht beabsichtigt ist, Entscheidungen – noch dazu wichtige aus Sicht der EU-Macher – von ihm beeinflussen zu lassen.
GS
6. Mai 2016 @ 12:08
Man fragt sich fast, was schlimmer ist. Von Merkels oder von Schulz‘ Gutdünken abhängig zu sein.
Christian
6. Mai 2016 @ 08:46
Müssen nicht auch die nationalen Parlamente zustimmen? Das dürfte das Vorhaben erheblich erschweren!
ebo
6. Mai 2016 @ 09:00
Nein, müssen sie nicht. Selbst der Bundestag bleibt aussen vor