Trumps erste Opfer, Auschwitz ohne Putin – und Chinas Sputnik-Moment
Die Watchlist EUropa vom 28. Januar 2025 – Heute mit News und Analysen zur neuen amerikanischen Außenpolitik, zu einer historischen Gedenkfeier in Polen und zum Wettlauf um die KI
Die EU wartet immer noch auf einen Deal mit dem neuen US-Präsidenten. Angesichts der Wirtschaftskrise in Deutschland geht es vor allem darum, neue US-Strafzölle auf deutsche und europäische Exporte zu verhindern. Andernfalls wäre die EU ökonomisch am Ende – ohne Deutschland geht gar nichts.
Doch Trump lässt sich Zeit. Statt auf die freundlichen Floskeln auf Brüssel einzugehen, knöpft er sich bereits die ersten Länder vor, die es wagen, gegen seinen nationalistischen und protektionistischen Kurs aufzumucken.
Das erste Opfer heißt Gustavo Petro. Der Staatschef von Kolumbien hatte versucht, die Abschiebung von Migranten aus den USA in sein Land zu verhindern. Trump sprach von einer “Gefahr für die Sicherheit” der USA und verhängte Strafzölle. Petro knickte ein.
Next stop Grönland?
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Das nächste Opfer könnte Mette Frederiksen werden. Trump hat die Regierungschefin von Dänemark am Freitag angerufen und ihr ebenfalls mit Zöllen und anderen Repressalien gedroht. Sein Ziel: Grönland, lange Zeit unter dänischer Kontrolle, soll an die USA gehen.
“Ich glaube, wir kriegen es”, erklärte der Imperator hinterher gegenüber mitreisenden Journalisten in der Air Force One. Zwar ist noch unklar, ob er sich Grönland mit “sanftem Druck” oder mit Gewalt einverleiben will. Aber an der Absicht besteht kein Zweifel mehr.
Wer nun gehofft hatte, dass die EU ihrem Mitglied Dänemark beispringt und Trump widerspricht, sieht sich getäuscht. Die skandinavischen Länder erklärten sich zwar solidarisch und hoben die historische Verbundenheit mit Dänemark und Grönland hervor.
Rubio lässt sich bitten
Doch beim Treffen der EU-Außenminister am Montag in Brüssel wurde das brisante Thema hinter verschlossenen Türen diskutiert. Statt auf den Putz zu hauen, hatte die Außenbeauftragte Kallas den neuen US-Außenminister Marco Rubio eingeladen. Der kam aber nicht, nicht mal virtuell.
Nur mit der deutschen Außenministerin Baerbock hat Rubio dann doch noch telefoniert – was den bösen Verdacht nährt, dass die neue US-Regierung in der Außenpolitik vor allem auf bilaterale Kontakte setzt und versuchen könnte, die EU zu spalten…
Mehr zum Treffen der Außenminister hier (taz) Siehe auch “Das Imperium schlägt zurück”
P.S. Einen auf den Deckel bekam offenbar auch Ungarns Regierungschef Orban. Er wollte die EU-Sanktionen gegen Russland blockieren und berief sich dabei auf vage Ankündigungen von Trump. Doch der hat es sich anders überlegt und pfiff seinen “Buddy” zurück. Orban knickte daraufhin auch ein…
News & Updates
- Auschwitz-Gedenken ohne Putin. Zum 80. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz in Polen hat Russlands Präsident Putin an die Verdienste der sowjetischen Soldaten erinnert. Sie hatten das KZ von den Nazis befreit – doch Putin war nicht zu den Gedenkfeiern eingeladen. Im offiziellen Statement der EU-Chefs wird Russland bzw. die Sowjetunion nicht einmal erwähnt. Ob man über den Ukraine-Krieg die historische Wahrheit “vergessen” hat?
- Wieder Ostseekabel beschädigt. Schweden hat ein verdächtiges Schiff in der Ostsee festgesetzt, nachdem erneut ein Unterseekabel zwischen Schweden und Lettland beschädigt wurde. Die Staatsanwaltschaft in Stockholm ermittelt nun wegen mutmaßlich “schwerer Sabotage”. Allerdings ist kein erkennbarer Schaden entstanden. Und ob man diesmal Spuren findet, die nach Russland weisen, ist auch nicht sicher. Bisher erwiesen sich alle Anschuldigungen als falsch…
- Winterhilfe für EU-Kandidat Moldau. Die EU will ihren Beitrittskandidaten Moldau in der Energiekrise mit 30 Millionen Euro unterstützen. Mit dem Geld soll etwa der Kauf und Transport von Erdgas in die abtrünnige Region Transnistrien finanziert werden. Bisher kam das russische Gas über die Ukraine – doch die hat am 1. Januar den Hahn zugedreht. Und weil Moldau angeblich seine Rechnungen nicht bezahlt, will Gazprom auch nicht mehr liefern…
Das Letzte
Chinas Sputnik-Moment. Überraschende Wende im Rennen um die so genannte Künstliche Intelligenz (KI): Kurz nach der Ankündigung der neuen US-Regierung, Milliarden in ein KI-Projekt namens “Stargate” pumpen zu wollen, um sich die Weltherrschaft über diese neue Technologie zu sichern, verblüfft China die Fachwelt mit einem eigenen, offenbar überlegenen System. Das chinesische Startup DeepSeek überflügelt sogar die US-Konkurrenz – und das zu einem Bruchteil der Kosten. Dies sei “Chinas Sputnik-Moment”, schreibt “telepolis” in Anspielung auf das Weltraumprojekt, mit dem die Sowjetunion die USA überrundete. Die Börse reagierte entsprechend – und bescherte den Tech-Brothers aus dem Silicon Valley einen Verlust von rund einer Billion Dollar. Nur auf die EU kann die USA noch hinabblicken – die lässt sich auch bei KI ganz leicht übertölpeln...
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european
28. Januar 2025 @ 12:53
Waehrend der Westen sich ausgeruht hat, haben Laender wie China, Russland, Indien investiert. Vor allem in ihre workforce, in Bildung, Schulen, Universitaeten. Russland hat wesentlich mehr Ingenieure als die USA obwohl sie nur ueber ca. 1/3 der Bevoelkerung verfuegen (Emmanuel Todd). Die deutsche Autoindustrie hat an China Milliarden verdient, deutsche Technologie exportiert und von billigen Loehnen profitiert. Nun koennen die Chinesen alles selbst, angefangen von Autobahnen in schwierigstem Umfeld, sehr komfortable Schnellzuege, die sich sehen lassen koennen und die sogar puenktlich ankommen. Und jetzt auch KI. Bingo!
All diese Laender schliessen sich nun lose zu den BRICS zusammen um gemeinsam wirtschaftlich zu prosperieren. Es ist kein Militaerbuendnis geplant, zumindest konnte man bisher nichts davon lesen. Es wird im grossen Stil investiert, wie auch jetzt mit DeepSeek. Tja, solange wir die Chinesen als unsere billigen Diener ansahen, war unsere Welt noch in Ordnung. Jetzt ziehen sie an uns vorbei und nun sind sie die boesen Chinesen, die eine Gefahr fuer uns sind und unsere Oekonomie “destabilisieren” und unser Weltbild einstuerzen lassen.
Hybris laesst Kulturen zerfallen. Waehrend wir uns zurueckgelehnt und in Niedrigloehnen, Schummelsoftware, Aktienrueckkaeufen und Austeritaet unsere prosperierende Zukunft gesehen haben, haben die sogenannten Drittlaender nicht geschlafen und ein paar Kohlen aufgelegt. Aber wie wir auf dem WEF von der EUCO-Praesidentin hoeren konnten, ist allein Putin an unserer Misere schuld, weil er uns den Gashahn abgedreht hat (was gelogen ist) und die hohen Preise sind eben der Preis, den WIR fuer die Freiheit zahlen muessen. (Soviel Unverfrorenheit muss wohl auch sein)
Das Transcript kann man hier nachlesen:
https://www.weforum.org/stories/2025/01/davos-2025-special-address-by-ursela-von-der-leyen-president-of-the-european-commission/
Es gibt auch ein Video mit ihrer Rede auf youtube. Ich kann mir das nicht anhoeren, weil ich sie schlicht nicht ertragen kann. Das Transcript, das nur so von Eigenlob und auch Falschaussagen strotzt, ist schon Herausforderung genug. Man hat grosse Muehe, bis zum Ende durchzuhalten.
KK
28. Januar 2025 @ 13:05
“Man hat grosse Muehe, bis zum Ende durchzuhalten.”
So ist das nunmal bei Hochämtern, wo ein vermeintlich höheres Wesen beweihräuchert wird. Wenn es das auch noch selbst tut, ist es nochmal schlimmer.
european
28. Januar 2025 @ 13:23
So ist es. Michael von der Schulenburg hat das in seinem neuesten Interview in etwa so ausgedrueckt: Ursula von der Leyen laeuft hier in Bruessel herum und benimmt sich als sei sie die Praesidentin der Vereinigten Staaten von Europa.
Ich finde sie unertraeglich, aber was weiss ich schon… 😉
KK
28. Januar 2025 @ 11:10
“Das chinesische Startup DeepSeek überflügelt sogar die US-Konkurrenz“
Das Imperium wird abgewatscht.
Guido B.
28. Januar 2025 @ 09:27
Es ist wieder Mode im Westen, Russland wie einen Paria zu behandeln. Dabei werden alle Russen in denselben Topf geworfen: Oligarchen, Machthaber, Soldaten, Athleten, Künstler, Wissenschaftler, Komponisten, Opernsänger, Schriftsteller usw. Der Russe steht heute in Bezug auf das Ansehen auf derselben Stufe wie der Jude im Dritten Reich. Hauptsache, wir “Guten” haben einen “Bösen” und einen “Schuldigen”, den wir mit Verachtung strafen und öffentlich demütigen können. Diese kollektive und bei jeder Gelegenheit zelebrierte Russenverachtung mag zwar davon ablenken, dass auch der Westen keine weisse Weste hat. Es stellt sich aber schon die Frage, was mit dieser primitiven Denkhaltung erreicht werden soll. Man könnte fast meinen, der Westen sehne sich wieder nach Gaskammern zurück, nur diesmal bitte für Russen. Wenn ich die Kommentare von Kleopatra hier lese, kann ich mir gut vorstellen, dass Russenpogrome und Neuauflagen des Unternehmens Barbarossa den bisherigen Sanktionsterror in naher Zukunft ergänzen können. Wer eine ganze Nation wie die Russische Föderation zum Paria macht, unterscheidet sich in meinen Augen nicht von den Nazis.
KK
28. Januar 2025 @ 13:00
“…kann ich mir gut vorstellen, dass Russenpogrome und Neuauflagen des Unternehmens Barbarossa den bisherigen Sanktionsterror in naher Zukunft ergänzen können.”
Die Vorstellung fällt wahrlich nicht schwer – sogar das Jahr wird ja schon offen herausposaunt, in dem es losgehen soll! Vorher braucht es freilich noch etwas Kriegsertüchtigung!
Kleopatra
28. Januar 2025 @ 08:50
Russland mag Rechtsnachfolger der Sowjetunion sein, aber in symbolischer Hinsicht wäre es absolut unangemessen, Russland – das mittlerweile gegen mehrere Teile der ehemaligen Sowjetunion Krieg führt und das sich mittlerweile stark russisch-national bzw. -imperial aufführt – als Repräsentanten der früheren Sowjetunion zu behandeln (deren Bevölkerung zur Hälfte nicht aus Russen bestand). Da müsste man schon andere Länder mit einladen (etwa die Ukraine und Kasachstan). Und nebenbei: Da gegen Putin ein Haftbefehl des Internationalen Gerichtshofs vorliegt, könnte er in Polen verhaftet und nach Den Haag überstellt werden.
Daran, dass die Sowjetunion im Jahr 1939 in brüderlichem Bündnis mit Hitlers Drittem Reich den Staat überfiel und besetzte, auf dessen Territorium sich Auschwitz befindet, will Putin begreiflicherweise nicht erinnern; jedenfalls hat er aber den Hitler-Stalin-Pakt verteidigt.
ebo
28. Januar 2025 @ 09:35
Gegen Netanjahu gibt es auch einen Haftbefehl, trotzdem ist er nicht gekommen. Dabei hatte die polnische Regierung (=EU-Vorsitz) ihm sogar freies Geleit versprochen!
Michael
28. Januar 2025 @ 07:03
Und wo war Netanyahu in Auschwitz?