So wird Deutschland zur Zielscheibe
Ist Deutschland das schwächste Glied der EU, wenn es um die USA geht? Präsident Trump scheint davon überzeugt. Er zielt bewußt auf deutsche Interessen – doch Berlin tut so, als sei nichts passiert.
Die letzte Breitseite feuerte Trump ausgerechnet am Rande eines Treffens mit NATO-Generalsekretär Stoltenberg. “Deutschland schüttet unser Land mit ihren Mercedes- und BMW-Fahrzeugen zu”, sagte er. “Das wird so nicht weitergehen.”
Trump warf Deutschland außerdem zu geringe Militärausgaben vor. Der NATO-Partner Deutschland kaufe von Russland Gas im Wert von Milliarden Dollar, gebe aber nicht genug für seine Streitkräfte aus, sagte er.
Zuvor hatte die US-Regierung Deutschland aufgefordert, die Gaspipeline Nord Stream 2 nach Russland fallen zu lassen. Gleichzeitig soll die EU Flüssiggasexporte aus den USA erleichtern.
Zudem drohen die Amerikaner jetzt auch noch mit Sanktionen gegen Airbus, nachdem die WTO einer US-Klage in Teilen Recht gegeben hatte. Auch damit sind deutsche Wirtschaftsinteressen gefährdet.
Mit dem Streit um Stahl- und Aluminiumzölle hat das alles nichts mehr zu tun. Es sieht eher wie ein Generalangriff auf Deutschland aus, mit dem Trump auch die EU in die Knie zwingen will.
Offenbar ist sich das Weiße Haus dessen bewußt, dass Deutschland wegen seines exorbitanten Exportüberschusses besonders verletzlich und erpressbar ist. Frankreich hat eine ausgeglichene Handelsbilanz.
In Paris gibt man sich auch wesentlich offensiver als in Berlin. Die Franzosen verkünden lautstark, die EU dürfe sich nicht zum “Vasallen” der USA machen lassen. Im Vergleich wirkt die Reaktion aus Berlin ängstlich.
Wirtschaftsminister Altmaier beschwört bei jeder Gelegenheit die “transatlantische Freundschaft”. Trumps Erpressungsversuche  ignoriert er – doch nur nach außen hin, hintenrum wird eifrig verhandelt.
In Brüssel hat man deshalb die Sorge, dass die Deutschen einknicken und die gesamte EU mitziehen könnten. Im Fall der US-Sanktionen gegen Iran zeichnet sich das ja bereits überdeutlich ab….
Siehe auch “Ist Deutschland (schon wieder) erpressbar?”
Peter Nemschak
19. Mai 2018 @ 22:12
ebo Sie gelten auch für die USA, welche zu wenig sparen und zu viel konsumieren. Was die Automobilindustrie im Speziellen betrifft, sollen die Amerikaner bessere Autos als die Europäer bauen statt zu jammern. Die USA wollen nicht wahrhaben, dass sie seit dem Zweiten Weltkrieg relativ an Macht verloren haben. Trump ist nicht die USA. Er ist ein Symptom für deren Machtverlust und darf nicht überschätzt werden. Europa braucht langfristige Strategien, um die Macht der USA zu relativieren. Wichtig wäre, die Abrechnung des Energiehandels schrittweise von Dollar auf Euro und Renminbi umzustellen, das Dollarmonopol zu brechen. Ziel der EU muss es sein, die USA langfristig zu einem wichtigen Spieler unter anderen, aber nicht zum dominanten zu machen. Das schließt nicht aus, dass sich taktisch eine Zusammenarbeit mit den USA anbietet, wenn sie Europa kurzfristig nützt. Mir gefällt der lange politische Atem von China und missfällt das kurzfristige Denken westlicher Politiker, deren Horizont bei den nächsten Wahlen endet.
Peter Nemschak
19. Mai 2018 @ 17:47
@ebo Die Lira wurde abgewertet und Zinsen im Abwertungsland erhöht, was dort die Nachfrage dämpfte, Importe verteuerte und Exporte verbilligte. Eine Verpfändung von Vermögenswerten war damals nicht erforderlich, weil sich das System automatisch stabilisierte, was jetzt nicht der Fall ist. Was haben sie gegen den Vorschlag liberaler Ökonomen? Er dient der wirtschaftspolitischen Disziplin und hat mit Bevormundung nichts zu tun.. Warum sollen sich wohlhabende Länder wie die Niederlande und Deutschland eine permanente Umverteilung zugunsten der wirtschaftlich schwachen Länder in der Eurozone gefallen lassen? Austrittsregeln aus der Eurozone wären eine Alternative zu der von der Mehrheit abgelehnten Haftungs- und Transferunion.
ebo
19. Mai 2018 @ 18:08
Deutschland könnte weniger exportieren und eine ausgeglichene Leistungsbilanz anstreben, wie im Grundgesetz gefordert (Staatsziel des Gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts). Stattdessen werden Exporte systematisch gefördert – und dann will man den Defizitländern Vorschriften machen…
Peter Nemschak
19. Mai 2018 @ 19:34
Eine ausgeglichene Leistungsbilanz lässt sich auch durch Maßnahmen der Defizitländer erreichen. Damit wäre dem Grundgesetz Rechnung getragen. Es ist eher unwahrscheinlich, dass sich Deutschland anpassen wird. Es gab auch unter nationalen Währungen Asymmetrien zwischen Überschuss- und Defizitländer, wobei die Anpassung in der Regel auf die Defizitländer fiel, weil sie Gefahr liefen, dass ihnen die Devisenreserven ausgingen bzw. ihre sinkende Kreditwürdigkeit eine Änderung ihrer Wirtschaftspolitik erzwang. Für Italien waren Währungskrisen seit den 1970-iger Jahren ein regelmäßig wiederkehrendes Ereignis.
ebo
19. Mai 2018 @ 20:05
Darf ich daran erinnern, dass wir hier über die Maßnahmen der USA gegen Deutschland diskutieren? Trump attackiert explizit den deutschen Handelsbilanzüberschuss. Und sie fordern, die Defizitländer zu bestrafen, also auch die USA? Oder gelten Ihre “liberalen” Weisheiten nur für Italien?
Baer
19. Mai 2018 @ 08:52
@Ebo,
Welche Überschüsse meinen Sie?Wenn Sie sich mal die Target II Salden ansehen,dann wissen Sie, das unsere Überschüsse auch unsere Forderungen sind.
Auf gut deutsch,:“ wir bezahlen unsere Exporte selbst,bzw.wir verschenken unsere Waren!“
Wo also Schaden unsere Überschüsse den anderen EU Ländern?
Peter Nemschak
19. Mai 2018 @ 11:40
Diese Argumentation stimmt natürlich nur in soweit als unsere Forderungen nicht realisiert werden können. Daher der Vorschlag liberaler Ökonomen, negative Targetsalden mit Vermögenswerten der Defizitländer zwingend unterlegen zu müssen. Das würde Druck auf die Defizitländer machen, ihre Wirtschaftspolitik zu ändern. Das war früher zur Zeit der nationalen Währungen selbstverständlich, wenn den Defizitländern die Währungsreserven ausgingen. Heute ist Deutschland de facto gezwungen, das verrottete italienische politische System mit zu finanzieren ohne es ändern zu können. Das stößt naturgemäß auf wenig Verständnis in Deutschland. Bedingungslose Solidarität führt zur Verantwortungslosigkeit.
ebo
19. Mai 2018 @ 17:10
@Nemschak Früher war es keineswegs selbstverständlich, zwischen EU-Partnern Vermögenswerte zu belasten oder gar zu beschlagnahmen. Als es noch keinen Euro gab, hat die Lira abgewertet, deutsche Waren wurden teurer, die deutschen Exporte wurden entsprechend gedämpft. Mit Liberalismus hat Ihr Vorschlag nichts zu tun, es ist Bevormundung.
Thomas
18. Mai 2018 @ 16:07
Was wir sehen ist der Anfang vom Ende. Vom politischen Ende Merkels. Vom Ende des deutschen Parteiensystems. Vom Ende der Nachkriegsordnung. Vom Ende des Globalismus. Vom Ende des Multikulturalismus. Vom Ende der EU. Vom Ende des Euro. Vom Ende des Friedens in Europa.
Dieser Einschnitt ist mit Wucht und Wirkung mit 1945 vergleichbar. Besser den Kopf einziehen. Wie lange der Todeskampf der Nachkriegsordnung dauert weiss ich nicht. Hängt wie immer vom Geld ab. Denke 6-8 Jahre.
Peter Nemschak
18. Mai 2018 @ 17:55
Die Nachkriegsordnung ist zum Ende gekommen, weil sich die Welt seitdem verändert hat. Im übrigen war auch die pax britannica nach 70 Jahren zu Ende. Das bedeutet nicht notwendigerweise Krieg oder den Zusammenbruch unserer pluralistischen Demokratie und Marktwirtschaft. Die Bedeutung des Westens ist nicht absolut aber relativ durch das Aufkommen neuer Akteure zurückgegangen. Die Gewichte haben sich verschoben.
Peter Nemschak
18. Mai 2018 @ 13:43
Dass Deutschland zu wenig für die Rüstung tut stimmt (die Linken haben es bis heute nicht begriffen), ebenso dass sich Deutschland seit seiner Wiedervereinigung beharrlich weigert, die führende Rolle in der EU zu übernehmen. Vor China scheint Trump mehr Respekt zu haben. Unter den gegebenen Machtverhältnissen hat die EU wenig Möglichkeiten Trumps Ambitionen zu unterlaufen. Sie muss sich überdies darauf einstellen, dass Trump wiedergewählt wird.
ebo
18. Mai 2018 @ 14:52
@Nemschla Wenn Deutschland “Führung” übernehmen soll (was die meisten Deutschen nicht wollen), dann muss es mit gutem Beispiel vorangehen und seine “beggar my neighbour”-Politik beenden. Das heißt vor allem Abbau der Ãœberschüsse, die nicht nur den USA, sondern auch den Euroländern schaden. Es heißt auch höhere EU-Beiträge und ein eigenes Euro-Budget (wo sonst gibt es eine Währung ohne Budget?). Ohne Solidarität keine “Führung”. Die Rüstung ist eine ganz andere Frage, da geht es um die Nato und nicht um die EU. Deshalb wäre Berlin gut beraten, beides nicht miteinander zu vermischen. Und Brüssel wäre gut beraten, sich nicht von Berlin zu unnötigen Zugeständnissen gegenüber Trump hinreißen zu lassen.
Peter Nemschak
19. Mai 2018 @ 09:06
Ihre Sicht der Dinge ist nicht die einzig erstrebenswerte Antwort auf Trump.