Trump trifft einen wunden Punkt
Nun ist er auf allen Kanälen, der künftige US-Präsident Trump. Seine Aussagen zu Kanzlerin Merkel, zu ihrer Flüchtlingspolitik und zu BMW laufen überall. Nur eine wichtige Aussage wird kaum zitiert – weil sie weh tut?
Es ist der Satz, mit dem die “Financial Times” ihre Online-Ausgabe aufmacht. Genau dieser Satz fehlt in den meisten deutschen Berichten, oder er wird sorgfältig versteckt.
“The EU is a vehicle for Germany” – die “EU ist Mittel zum Zweck für Deutschland”, sagt der President elect. Die “FT” liefert dazu noch folgendes Zitat:
“You look at the European Union and it’s Germany. Basically a vehicle for Germany. That’s why I thought the UK was so smart in getting out.”
Das tut weh, sogar doppelt. Denn Trump paraphrasiert ja nicht nur Kauders “Europa spricht deutsch”. Er nennt die deutsche Dominanz auch als Grund für den Austritt Großbritanniens.
Damit trifft er einen wunden Punkt. Denn die deutsche Rolle beim Brexit wurde in Berlin und Brüssel nie diskutiert. Dabei war sie problematisch – vor allem Merkels Flüchtlingspolitik spielte den Brexiteers in die Hände.
Zudem ist der deutsche Umgang mit der EU in der Tat problematisch. Trump täuscht sich zwar, wenn er Europa kurzerhand auf Deutschland verkürzt. Die EU ist weit mehr als ein “Vehikel”.
Das Problem ist vielmehr, dass Berlin die Dynamik und Dialektik in Europa stillgelegt hat. Es sollen nur noch deutsche Regeln gelten, die EU-Kommission soll deutsche Interessen legitimieren.
Das macht sie aber nicht von selbst, denn sie ist eben kein Vehikel des größten EU-Landes, sondern immer noch ein Bund von 28 selbständigen Staaten. Damit Berlin profitiert, muss Brüssel mitspielen.
Genau deshalb wird Kommissionschef Juncker mehr denn je gebraucht...
Mehr zum deutschen EUropa hier
Hans-Jürgen Lorenz
17. Januar 2017 @ 08:19
ésterreich plant viel und palavert viel,Durchsetzen können sie es nicht. In der Regel innenpolitisches Verwirrspiel der Rechten.Warum hat es denn protestiert, als Deutschland die Grenzkontrollen zu Österreich weiterführte?
Peter Nemschak
17. Januar 2017 @ 07:00
Erstaunlich, dass sich alle Blicke auf die Globalisierung und den internationalen Personen-,Güter- und Kapitalverkehr als Ursache für den relativen Wohlstandsverlust des Westens richten. Der Großteil der gesellschaftlichen Veränderung, die von vielen als negative Dynamik empfunden wird, kommt aus dem rasanten technischen Fortschritt. Die Digitalisierung ist über uns in einer Geschwindigkeit hereingebrochen, die viele überfordert. Witzig, wie Trump die in Davos versammelte politische und wirtschaftliche Elite beschäftigt, China als Hüterin des Freihandels – köstlich. Gefühlte Bedrohung ist offenbar ein mächtiger Antriebsfaktor für die Menschen und löst Fluchtreaktion oder Gegenwehr aus. Man wird sehen, was stärker ist.
S.B.
17. Januar 2017 @ 11:25
@Peter Nemschak: “Witzig, wie Trump die in Davos versammelte politische und wirtschaftliche Elite beschäftigt, …”
Das Beste an Trump ist bisher seine Kommunikationsstrategie, die ganz überwiegend auf sozialen Medien aufbaut und damit den Mainstream-Medien zeigt, wie unwichtig sie in der heutigen Zeit sind. Diese dürfen jetzt mal beim Machthaber anklopfen und gnädigst anfragen, ob es ein Interview für sie gibt. Deshalb speien sie gegen ihn Gift und Galle, was natürlich keinen Erfolg haben wird. Ihr Erfolgsfaktor war bisher, dass sie das willige Sprachrohr für das politische Establishment gegeben haben. Dieser Faktor fällt nun weg, da dieses politische Establishment auf der Verliererseite steht. Die Mainstream-Medien müssen erkennen, dass sie nicht alternativlos und sogar ganz und gar ersetzbar sind. Und das zeigt ihnen ein Mann, der 70 (in Worten: siebzig) Jahre alt ist. Chapeau!
Das Zweitbeste an Trump ist seine Art und Weise, wie er kommuniziert: direkt und ganz und gar politisch unkorrekt. Eine wahre Freude für Liebhaber des klaren Wortes.
Andres Müller
21. Januar 2017 @ 10:08
“…. kommt aus dem rasanten technischen Fortschritt.”
Herr Nemschak, da schrammen Sie wieder mal scharf an der Politik vorbei. Ein Fortschritt, egal aus welcher Richtung, kann nur dann von Nachteil sein wenn die Regulierung durch die Politik versagt. Merkels beharren auf freien Wettbewerb ohne Regulierungen war eine sehr problematische und folgenreiche Haltung, die im übrigen die Politik der vergangenen Jahre im ganzen Westen dominiert hatte und zu den massiven Vermögens-Ungleichgewichte geführt hat.
S.B.
16. Januar 2017 @ 20:11
Trump wird in Sachen EU recht behalten:
Österreich plant Abkehr von der Freizügigkeit
https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2017/01/16/oesterreich-plant-abkehr-von-der-freizuegigkeit-in-der-eu/?ls=ap
Herzlichen Glückwunsch an die Ösis!
Diese “Freiheit” ist nichts anderes als eine Geisel für Arbeitnehmer im (zahlreich vertretenen) niedrig qualifizierten Segment. Sie entwurzelt Menschen, indem sie Familien auseinanderreißt und erzeugt Lohndruck. Sie verstärkt das sozial schwache Segment in den Zielländern.
In neoliberalen Zeiten, die offenbar dem Ende entgegengehen, wird so etwas als “Freiheit” propagiert
F.D.
16. Januar 2017 @ 15:37
@S.B: was denn für Vorteile? Was hat denn zB Italien für Vorteile im Euro? Die ganze Flassbecksche Kritik weist doch immer wieder darauf hin, dass der Euro zB Italien stranguliert. Ähnlich in Bezug auf Frankreich. Vorteile an der Teilnahme am Euro können es nicht sein, weswegen noch kein weiteres Land ausgetreten ist. Eher will sich wohl keiner vorwerfen lassen, das europäische Friedensprojekt zum definitiven Scheitern gebracht zu haben. Hinzu kommen Berge von Verfahrensunsicherheiten, die Auswege sind verregelt. So trudelt man vereint weiter, obwohl das Ding innerlich schon gescheitert ist.
S.B.
16. Januar 2017 @ 19:28
@F.D.: Sie haben grundsätzlich Recht. Aber denken Sie auch an die (absurd) rekordtiefen Zinsen für Staatsschulden. Die gibt es für die Südländer aus einem einzigen Grund: weil D im Euro ist. Ohne hätten die Südländer schon längst offiziell Staatsbankrott anmelden können. Scheinbar haben Sie sich für einen Schrecken ohne Ende entschieden.
Die Begründung mit dem Friedensprojekt, kann ihrerseits auch nicht wirklich überzeugen. GB ist schon aus der EU ausgetreten. Da wäre es für Nachahmer eher der leichtere Schritt, hinterherzugehen.
Hans-Jürgen Lorenz
17. Januar 2017 @ 08:16
Nach dem Bankrott der Briten wird es wohl kaum Nachahmer geben.Und wenn…selber schuld.
Peter Nemschak
16. Januar 2017 @ 13:04
@ebo Warum lassen sich die anderen EU-Mitglieder die von Ihnen kritisierte Vorgangsweise von Deutschland gefallen? Gemeinsam sind sie doch ungleich stärker als Deutschland allein: Sie haben dafür bisher keine plausible Erklärung geliefert.
ebo
16. Januar 2017 @ 13:37
Gegen Alleingänge des größten EU-Landes kann man wohl nicht viel tun, oder? Und gegen Mauscheleien mit Juncker, wie bei der Maut und bei Oettinger, auch nicht. Aber lesen Sie doch, was Macron sagt, was Renzi sagte, was May macht – all das zeigt doch schon einigen Widerstand!
Peter Nemschak
16. Januar 2017 @ 13:45
Wenn es Widerstand gibt, ist er vielschichtig, keineswegs bloß aus nationalem Interesse. Die im Verhältnis zur rechtsliberalen Politik Deutschlands unterschiedliche Ideologische Ausrichtung ist ein aber nicht der einzige Erklärungsfaktor. In Summe sind sich die anderen EU-Mitglieder untereinander uneins, so dass kein konzertierter Widerstand außer periodisch auftretendes Gemurre gegen deutsche Maßnahmen zustande kommt. Ein überzeugendes Gegenmodell hat bisher niemand angeboten, schon gar nicht in der Flüchtlingsfrage und Terrorbekämpfung.
S.B.
16. Januar 2017 @ 14:01
@ebo: Widerstand: ja. Aber nicht unbedingt (nur) gegen D. EU und Euro haben sich als Fehlkonstruktionen erwiesen, an denen alle Mitglieder bzw. Teilnehmer mitgewirkt haben, ob durch Tun oder Unterlassen. Und selbstverständlich könnten alle EU-Länder etwas gegen D tun, wenn sie denn wollten. Wenn sie D dagegen gewähren lassen und selbst nicht (gegen)steuern und sei es durch ihren Austritt aus EU und bzw. oder Euro, dann werden sie einen Grund dafür haben.
Einschränkend sei angemerkt, dass es auch bei den verbleibenden EU/Euro-Ländern “Separationsbewegungen” gibt: Sei es in der “Flüchtlings”krise, wo (berechtigterweise) kein einziges Land Merkels Befehl nachkommt, bei der Bankenrettung (siehe Italien), wo sich über die Bail-in-Regeln hinweggesetzt wird oder in Portugal, wo die Linksregierung den -EU-Austeritäts-Befehl (und komme er auch aus D) missachtet.
Das ist aus meiner Sicht auch o.k. Dann braucht man aber erstens keine EU (welche die gemeinsamen Regeln bestimmt) und zweitens keinen Euro (über den D für alle haftet, wobei es ohnehin schon der mit Abstand größte Nettozahler ist).
Ich glaube die Vorteile an der Teilnahme am Euro sind es, warum noch kein weiteres Land aus der EU ausgetreten ist. Der Brexit ist ein Indiz für diese Sichtweise, denn GB war nicht im Euro und konnte sich so auch leichter von der EU entfesseln.
Peter Nemschak
16. Januar 2017 @ 12:29
Von deutschen Regeln zu sprechen, bezieht sich wohl nur auf die Eurozone. Um Druck von Deutschland zu nehmen, wäre eine geordnete Austrittsmöglichkeit für jene Länder vorzusehen, die mit dem EURO nichts anfangen können. Ein innerhalb der EU wirksamer Finanzausgleich ist eine Illusion solange die EU nicht die Funktion einer von allen Bürgern gewählten europäischen Bundesregierung ausüben kann. Trump spricht wie bereits im Wahlkampf sichtbar, die Sprache rechtsnationaler Populisten. Ob seine Rezepte gut für seine Anhänger und die USA sind, wird sich erst weisen.
ebo
16. Januar 2017 @ 12:33
@Nemschak. Aber nein. Die deutschen Regeln gelten auch in der Flüchtlingspolitik, der Energiepolitik (Energiewende), der Russland-Politik (Sanktionen), der Verkehrspolitik (Maut), der Budgetpolitik (Oettinger) etc. pp. Alle haben an Deutschland zu knabbern. Aber sie können sich widersetzen – wenn sie es denn wollen. Bei Juncker scheint das nicht der Fall zu sein, er ist wohl in der inneren Emigration…
Peter Nemschak
16. Januar 2017 @ 12:40
Eben, weil sie sich nicht widersetzen, signalisieren sie stillschweigend Zustimmung. So schlecht können die Regeln also nicht sein sonst hätten die anderen bessere Regeln erfunden. Man darf nicht vergessen, dass die EU keine Regierung hat und dass der Staatenbund letztlich von den Mitgliedsstaaten regiert wird. Solange Deutschland das wirtschaftlich erfolgreichste Land der EU ist, wird sich an der Haltung der anderen Mitgliedsländer nichts ändern. Man wird eher versuchen Deutschland nachzuahmen.
ebo
16. Januar 2017 @ 12:48
Leider falsch. Energiewende und Flüchtlingspolitik hat Merkel im Alleingang durchgezogen – und dann die EU darauf eingeschworen. Die Maut wurde mit Juncker ausgekungelt, hinter dem Rücken der Partner. Dito die Oettinger-Ernennung zum Energiekommissar. Und die Russland-Sanktionen treffen auf wachsenden Widerstand…
Oudejans
16. Januar 2017 @ 12:45
Luxemburg ist einfach zu klein für einen Kommissionschef mit preußischem Namen. Ein geringfügiger Irrtum des Schicksals, der sich aber leicht korrigieren läßt…
S.B.
16. Januar 2017 @ 12:39
@Peter Nemschak: Trump benennt die Fakten beim Namen. Nicht mehr und nicht weniger und allemal besser, als das politisch korrekte Geschwafel von Merkel und ihrem Globalisten-Tross.
Im Übrigen Zustimmung.
Hans-Jürgen Lorenz
17. Januar 2017 @ 08:13
Trump benennt keine Fakten sondern verbreitet sein irreales Weltverständlich.
Hans-Jürgen Lorenz
17. Januar 2017 @ 08:12
Das ist ein Irrtum, es gelten nur die Regeln, denen alle zustimmen. Schlimmere wäre es, wenn die EU nach britischen Regeln funktionieren würde. Besser sie gehen, auch wenn es sie in den Bankrott reisst.