Trump nützt EUropa – noch
Schon ein Jahr. Kaum zu glauben, dass sich US-Präsident Trump so lange im Weißen Haus gehalten hat. Als er anfing, machte sich in Brüssel ein Hauch von Panik breit. Dabei nützt der Dilettant der EU – noch. English version here
Was hatten wir für Sorgen! Trump könnte den Brexit nutzen, um eine Bresche in die Reihen der EU zu schlagen. Das ist ihm nicht gelungen. Nur Polen schwenkt aus, bleibt aber (vorerst) im Club.
Auch der Handelskrieg, den man vor allem in Deutschland fürchtete, ist ausgeblieben. Stattdessen verzeichnet die EU größere Nachfrage nach Freihandelsabkommen, sie sollen künftig alle sechs Monate kommen.
Okay, TTIP ist tot. Das Klimaabkommen von Paris wankt. Das Atomabkommen mit Iran steht in Frage. Weltweit wächst die Kriegsgefahr. Doch EUropa hat all das nicht getroffen – noch nicht.
Bisher wirkt die Angst vor einem “Ende der Welt, wie wir sie kannten” (“Spiegel”) eher wie eine Klammer. Wegen Trump, Putin und Erdogan rücken die EUropäer enger zusammen – gut so!
Manches geht nun sogar leichter als bisher, z.B. die gemeinsame Verteidigung. Allerdings ist die EU weit davon entfernt, sich von den USA und der Nato unabhängig zu machen.
Auch Kanzlerin Merkel, die die EU “ein Stück weit unabhängig” machen wollte, wird das nicht ändern. Im Herzen ist sie immer noch Atlantikerin. Sie will keinen Gegenpol zu den USA, wie manche in Paris und Brüssel.
Doch auf Dauer wird es nicht reichen, auf den “äußeren Feind” zu zeigen, und ihn (trotz allem) wie einen guten alten Freund zu behandeln. Irgendwann müssen Merkel & Co. Farbe bekennen.
Der französische Staatschef Macron hat dies begriffen. Er hat eine kohärente Vision für das postamerikanische Zeitalter vorgelegt: Ein nach innen und außen souveränes EUropa.
Doch in Berlin sind sie schon dabei, Macron auszubremsen und weich zu kochen. Derweil bereitet Trump in Washington den nächsten “Coup” vor. Irgendwann wird es auch die EU treffen…
Peter Nemschak
9. November 2017 @ 18:34
Macht die EU keine Allianz mit den USA, werden die östlichen Mitgliedsländer bilaterale Allianzen mit den USA machen. Je einiger die EU und politisch so wie militärisch stärker sie wird, desto größer wird der Handlungsspielraum gegenüber den USA. Umgekehrt erzeugt eine durch nichts unterfütterte nach außen gezeigte Unabhängigkeit keine politische Einheit und militärische Stärke der EU. Ursache und Folge dürfen nicht vertauscht werden. Außerdem ist Trump die USA. Langfristiges Denken ist notwendig.