Orbans Trump-Moment, Scholz feuert Lindner – und EU wird kriegstüchtig
Die Watchlist EUropa vom 07. November 2024 – Heute mit News und Analysen zu den Folgen der US-Wahl und dem EU-Sondergipfel in Budapest, der Regierungskrise in Berlin und der Anhörung des neuen KriegsVerteidigungskommissars.
Auf diesen Moment hat Viktor Orban lange hingearbeitet. “Ich weiß, was wir tun werden. Wir werden mehrere Flaschen Champagner öffnen“, erklärte der ungarische Regierungschef Anfang Oktober im Europaparlament in Straßburg, als er auf einen möglichen Wahlsieg von Donald Trump angesprochen wurde.
Nun ist es soweit – und der amtierende EU-Ratspräsident Orban lässt es sich nicht nehmen, Trump als Erster zu gratulieren. Der Rechtsnationalist aus Budapest bescheinigte dem Populisten aus Washington am Mittwoch “das größte Comeback” in der Geschichte der USA.
Für Orban ist das Timing perfekt. Am Donnerstag leitet er einen EU-Sondergipfel in seiner Hauptstadt, dort will er Europa auf Trump-Kurs bringen. Vor allem die Ukraine-Politik müsse neu justiert werden, fordert Orban, die EU könne die Kosten des Krieges nicht allein tragen.
Kein Transatlantiker
___STEADY_PAYWALL___
Zur Unzeit kommt Trumps Triumph dagegen für Kommissionspräsidentin von der Leyen. Sie bastelt immer noch an ihrem Team. Fünf Monate nach der Europawahl haben gerade erst die Anhörungen der neuen Kommissare begonnen, die EU-Behörde ist noch nicht arbeitsfähig.
Doch das ist nicht das einzige Problem. Während Orban über einen direkten Draht zu Trump verfügt, muß von der Leyen erst noch Kontakt suchen. Sie versucht es mit „herzlichen“ Glückwünschen und einer ziemlich direkten Aufforderung: „Lassen Sie uns gemeinsam an einer starken transatlantischen Agenda arbeiten“, fordert sie.
Es dürfte ein frommer Wunsch bleiben. Denn Trump ist alles, nur kein Transatlantiker. Und ein EU-Fan ist er auch nicht – im Gegenteil: Europa sei eine Art „Mini-China“, klagte er vor der Präsidentschaftswahl. „Sie nehmen unsere Autos nicht, sie nehmen unsere landwirtschaftlichen Produkte nicht, sie nehmen gar nichts“.
Handelskrieg 2.0
Um das zu ändern und Amerika wieder „great“ zu machen, hat Trump bereits Strafzölle von zehn oder 20 Prozent auf alle Importe aus der EU ins Spiel gebracht. Sollte ein Zoll von 20 Prozent kommen, würde das allein für Deutschland einen wirtschaftlichen Schaden von 33 Milliarden Euro bedeuten, schätzt das Ifo-Institut.
Kommt ein Handelskrieg? In Wahrheit ist er längst da. Die Strafzölle auf europäischen Stahl sind nur ausgesetzt, der “Inflation Reduction Act” hat den Wettbewerb verzerrt. Nun kommt die nächste Stufe. Von der Leyen hat bereits eine Arbeitsgruppe eingesetzt, um zurückschlagen zu können, wenn Trump Ernst macht.
Eine Liste mit US-Produkten, die mit europäischen Gegenzöllen belegt werden könnten, liegt fix und fertig in den Schubladen der EU-Kommission. Dass sie Trump abschreckt, glaubt von der Leyen vermutlich selbst nicht…
News & Updates
- Scholz feuert Lindner. Der Kanzler hat Finanzminister Lindner entlassen, nachdem dieser vorgezogene Neuwahlen gefordert hatte. Das dürfte wohl das Ende der Ampel-Regierung bedeuten. Ich vermute, dass sich Lindner und seine FDP nun in die Arme der CDU werfen werden. Was das außenpolitisch bedeutet, haben wir hier beschrieben... – Siehe auch unsere Meldung zur “Scholz-Dämmerung im letzten Newsletter.
- Selenskyj zu Gast bei
FreundenOrban. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj reist nach eigenen Angaben zum Gipfel der Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG) in die ungarische Hauptstadt Budapest. Die EPG, der insgesamt 47 europäische Staaten angehören, war nach der russischen Invasion in der Ukraine 2022 gegründet worden. Sie hat jedoch keine formale Funktion. - Nach Milliardensegen: Neuwahlen in Irland. Ministerpräsident Simon Harris hst Neuwahlen für den 29. November angekündigt. Harris hätte zwar bis kommenden März warten können. Er will aber offenkundig den Rückenwind aus unerwarteten Einnahmen von 13 Mrd. Dollar aus Steuernachzahlungen des US-Konzerns Apple nutzen, die die EU für Irland erstritten hatte.
Das Letzte
Kubilius will die EU kriegstüchtig machen. Der designierte neue “Verteidigungskommissar” Kubilius (was will er verteidigen, die EU ist kein Staat und hat keine Armee!?) will EUropa kriegstauglich machen. Dies sagte er bei seiner Anhörung im Europaparlament. Man werde noch enger mit der Nato zusammenarbeiten und die EU “für extreme militärische Notfälle wappnen”, so der konservative Litauer. Wie das gehen soll, ließ er offen. Offenbar rechnet er mit “gemeinsamen Investitionen” – doch wer soll das bezahlen? Kommen doch noch Kriegsanleihen?
Mehr Newsletter hier
KK
7. November 2024 @ 11:57
„Der designierte neue „Verteidigungskommissar“ Kubilius …“
Allein die Existenz eines solchen „Verteidigungskommissars“ ist rechtswidrig – und damit alles, was er so tun wird!
Michael
7. November 2024 @ 08:49
Man könnte meinen dass Europa – aus globaler Perspektive – zwischen BRICS+ und Globalem Süden einerseits, und qua Vasallentum und Trump andererseits, nurmehr eine Beute ist!
Kleopatra
7. November 2024 @ 08:48
Ich erinnere daran, dass die EU-Verträge durchaus eine gegenseitige militärische Beistandspflicht vorsehen. (Artikel 42 Absatz 7 EUV). Insofern ist eine verteidigungspolitische Zusammenarbeit alles andere als abwegig.
Monika
7. November 2024 @ 10:48
„Verteidigungspolitische Zusammenarbeit“ ist aber nur mit Staaten sinnvoll, und möglich, denen nicht der Sinn nach Eskaltion ihrer Rachegelüste steht. Zuviele Staaten sind in der EU aufgenommen worden, die nun Russland für das erlittene Unrecht durch die Sowjetunion mit Rache überziehen wollen, obwohl sie innerhalb der Sowjetunion an der Rechtssetzung beteiligt waren!
Die psychologische Projektion des Eigenanteils auf einen Sündenbock kann nicht der Weisheit letzter schluss sein.