Trotz Krieg und Vertreibung: Brüssel gibt Millionenhilfe für Türkei frei
Die EU-Kommission verkauft es als „humanitäre Hilfe“. Doch mit neuen Türkei-Hilfen in Höhe von 663 Millionen Euro unterstützt Brüssel indirekt auch Krieg und Vertreibung in Syrien.
Das muss man erst einmal bringen: Während Sultan Erdogan seinen völkerrechtswidrigen Krieg in Nordsyrien fortsetzt und die Vertreibung von Flüchtlingen aus der Türkei plant, zückt die EU-Kommission das Scheckbuch.
Schlappe 663 Millionen Euro wurden freigegeben, um Schulen zu bauen, Lehrer zu bezahlen und andere humanitäre Hilfen zu finanzieren. Das klingt gut – und soll Erdogan besänftigen, der der EU mit neuen Flüchtlingsströmen droht.
Doch das Timing ist mehr als fragwürdig. Gerade wurde bekannt, dass mehr als 40.000 Flüchtlinge aus Istanbul abgeschoben wurden. Zudem wird die Türkei bezichtigt, Syrer illegal zurück nach Syrien zu schicken.
Die Türkei ist schon lange kein „sicherer Hafen“ für Kriegsflüchtlinge mehr, im Gegenteil: Erdogan möchte sie loswerden und – wenn möglich – in eine neue „Sicherheitszone“ in den besetzten Gebieten Nordsyriens abschieben.
Damit entfällt aber auch die Grundlage für den Flüchtlingsdeal, den Kanzlerin Merkel 2016 im Alleingang ausgehandelt wird – und der, obwohl er keinerlei Rechtsbasis hat – weiter als Basis für Millionenhilfen dient.
Mehr noch: Indirekt macht sich die EU nun mitschuldig an Erdogans Kurs in Syrien. Auf Krieg und Vertreibung antwortet Brüssel nicht mit Sanktionen, sondern mit noch mehr Geld. Ist das die neue „Geopolitik„, von der alle sprechen?
Oder geht es – wieder einmal – um Appeasement?
Siehe auch „Die Selbstkastrierung der europäischen Außenpolitik“
P.S. Während die EU die Spendierhosen anhat, spitzt sich die Lage der Flüchtlinge auf den griechischen Inseln zu. Die Lage sei „explosiv“ und stehe „am Rand einer Katastrophe“, warnte die Menschenrechtskommissarin des Europarats, Dunja Mijatovic, am Donnerstag während eines Besuchs in der Region. – War die Türkei-Hilfe nicht eigentlich dazu gedacht, genau das zu verhindern – und den Zustrom von Flüchtlingen über die Ägäis zu stoppen?
Peter Nemschak
1. November 2019 @ 17:40
Wenn Sie die EU zum Auffangbecken für syrische Kriegsflüchtlinge machen wollen, arbeiten Sie der AfD und anderen rechten Parteien in die Hände. Die Mehrheit der Europäer will von der Politik, dass sie ihre Interessen wahrnimmt und vom utopischen und selbstzerstörerischen Vorhaben Abstand nimmt die Welt retten zu wollen.
Peter Nemschak
1. November 2019 @ 13:26
Das zentrale Interesse der EU gegenüber der Türkei besteht darin, dass Erdogan Flüchtlinge aus dem Bürgerkrieg in Syrien bei sich aufnimmt und nicht nach Europa weiterschickt. Immerhin beherbergt die Türkei bereits mehr als 3 Millionen Flüchtlinge, eine spürbare Belastung der einheimischen Bevölkerung. Wenn sich die EU nicht bald zu einer realistischen, d.h. jährlich zahlenmäßig begrenzten Flüchtlings- und Migrationspolitik durchringt, werden Parteien wie die AfD weiter Zulauf bekommen. Ob die Türkei autokratisch oder demokratisch regiert wird, ist für die EU von sekundärer Bedeutung.