Transatlantisches Debakel unter deutscher Führung
Was für eine Ironie der Geschichte: Ausgerechnet unter deutschem EU-Vorsitz erreicht die transatlantische Krise einen neuen Tiefpunkt. Dabei wollte die Bundesregierung die USA doch besonders pflegen.
Die transatlantischen Beziehungen lägen ihnen besonders am Herzen, erklärten Außenminister Maas und Kanzlerin Merkel vor Beginn des deutschen Ratsvorsitzes. Bei allem Streit müsse man das Gemeinsame betonen.
Doch nun erreicht die Krise einen neuen, unsäglichen Tiefpunkt. Die USA machen den Weg für Strafmaßnahmen gegen deutsche Unternehmen frei, die Geschäfte mit Russland, aber auch Staaten wie dem Iran und Nordkorea machen.
US-Außenminister Pompeo hatte zuvor angekündigt, die umstrittene Ostsee-Pipeline Nord Stream 2, die Gas von Russland nach Deutschland transportieren soll, werde unter ein Gesetz aus dem Jahr 2017 fallen. Dieses Gesetz dient als eine Art Freibrief für Sanktionen.
Als wenn das nicht schon schlimm genug wäre, gibt es nun auch noch Spannungen wegen Facebook & Co. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die Datenschutzvereinbarung „Privacy Shield“ gekippt, die die USA und die EU getroffen haben.
Zugrunde liegt eine Klage des Aktivisten M. Schrems. Er klagte, weil Facebook in den USA dazu verpflichtet sei, US-Behörden wie der NSA und dem FBI Zugang zu den Daten zu gewähren – ohne dass Betroffene dagegen vorgehen können.
Der EuGH gab ihm nun Recht. Das bedeutet zwar noch nicht das Ende des Datenaustauschs. Doch die USA werden nun „einfach in den Status eines Landes ohne besonderen Zugang zu EU-Daten zurückversetzt“, sagte Schrems.
Die USA attackieren die EU und Deutschland, die EU stuft die USA herunter – und im Hintergrund steht die Drohung mit Sanktionen und Gegen-Sanktionen: Viel tiefer kann man eigentlich kaum noch sinken – oder?
Bleibt die Frage, wie der deutsche EU-Vorsitz mit den Spannungen umgeht.
Werden Merkel und Maas endlich einsehen, dass die transatlantischen Beziehungen zu einer Belastung geworden sind, wenn nicht zu einer Gefahr für die deutsche und europäische Souveränität?
Siehe auch „Berlin setzt auf die USA – und den Freihandel“ und „Wie souverän ist der deutsche EU-Vorsitz?“
P.S. Wie üblich, schießt auch diesmal Außenminister Maas den Vogel ab. Er protestiert zwar gegen die US-Sanktionen wegen Nord Stream, wendet den Skandal aber gleich wieder gegen Russland. Eigentlich bräuchte man einen amerikanisch-europäischen Schulterschluss bei Sanktionen gegen Russland, so Maas. „Dieses Bemühen wird durch die heutige US-Entscheidung noch schwieriger“, sagte der Außenminister.
AM @HeikoMaas: Sich unter Partnern mit Sanktionen zu belegen, halten wir für falsch. Was wir brauchen ist eine gemeinsame transatlantische Haltung zu #Sanktionen gegen Russland. Dieses Bemühen wird durch die gestrige US-Entscheidung noch schwieriger. #CAATSA pic.twitter.com/MZ61bvrHoV
— Auswärtiges Amt (@AuswaertigesAmt) July 16, 2020
Hans-Willy Tillig
17. Juli 2020 @ 14:14
Die USA führen einen harten Wirtschaftskrieg gegen Deutschland und damit auch gegen
die gesamte EU. Es ist eine Schande daß unsere Regierung nicht hart dagegen protestiert. Unsere angeblichen Verbündeten sind unsere größten Gegner und versuchen durch Aufrüstung der Ukraine und Polens Unruhe an der Ostgrenze der EU zu stiften und der EU zu schaden.
European
17. Juli 2020 @ 16:11
@Hans-Willy Tillig
Naja, den Wirtschaftskrieg kann man aus zwei Seiten sehen. Die europäische Union erwirtschaftet massive Exportüberschüsse und braucht dafür Länder, die ins Defizit gehen. Das hat selbst Donald Trump erkannt und mit entsprechenden Zöllen reagiert. Die USA ist nicht willens, dieses Defizit zu übernehmen. Also mindert Trump die Einfuhren, indem er die Kosten für die Produkte erhöht.
https://www.destatis.de/Europa/DE/Thema/Aussenhandel/EU-Exportueberschuss2016.html
Heißt nicht, dass ich Trump unterstütze, aber den Begriff Wirtschaftskrieg kann man so oder so sehen. Innerhalb der EU läuft so etwas ähnliches ab, ohne dass die betroffenen Länder mit Zöllen oder Abwertung der Währung reagieren können. Deutschland kann nur deshalb so enorme Exportüberschüsse innerhalb der EU und der Eurozone erwirtschaften, weil andere Länder unfreiwillig in die Defizite gehen und damit Schulden machen müssen, um ihre Haushalte auszugleichen.
Wir teilen uns mit Russland den gleichen Kontinent und sollten schon von daher eine friedliche Zusammenarbeit anstreben. Der Vorschlag kam mal von Putin selbst, als er im Bundestag eine wirklich einmalige Rede hielt. Aber außer tosendem Beifall kam da nichts mehr, denn schließlich hatten wir den kalten Krieg gewonnen.
Peter Eschke
17. Juli 2020 @ 09:49
Wie lange noch will sich D und die EU von den USA „schulmeistern“ lassen?? Die EU und D sollten sich auf IHRE Interessen in der Außenpolitik besinnen. Diese weichen von den Interessen der USA ab. Wegen der nahen, räumlichen Lage zu Russland und der problematischen gemeinsamen Geschichte, sollte es an der Zeit sein, diese Zeit zu bewältigen und ein gutes nachbarliches Nebeneinander zu bewirken. Mit Frankreich haben wir das auch geschafft. Weshalb sollte das mit RUS nicht möglich sein?
ebo
17. Juli 2020 @ 10:28
Richtig, eine geopolitische Betrachtung kommt unweigerlich zu dem Schluß, dass die EUropäer ein gutes Verhältnis zu Russland brauchen. Macron hat dies eingesehen und bemüht sich um eine Annäherung. Maas hingegen lässt jede geopolitische Weitsicht vermissen, wie auch sein Appeasement gegenüber der Türkei zeigt. Und Merkel? Sie wird erst handeln, wenn es gar nicht mehr anders geht, wie immer…