Green Deal wackelt, Deutschland bremst – und das Parlament soll größer werden
Die Watchlist EUropa vom 12. September 2023 –
Es wird einsam um die deutsche EU-Chefin Ursula von der Leyen. Ihre beiden wichtigsten Stützen – der niederländische Klimakommissar Frans Timmermans und die dänische Wettbewerbskommissarin Margrete Vestager – haben der EU-Kommission vorzeitig den Rücken gekehrt.
Beide galten als politische Schwergewichte, beide haben wichtige EU-Gesetze auf den Weg gebracht. Doch vor allem Timmermans hinterlässt ein schwieriges Erbe.
Der „European Green Deal“, den der prominente Sozialdemokrat verantwortet hat, soll Europa bis 2050 klimaneutral machen. Timmermans umfangreiches Gesetzeswerk wird die EU also noch Jahre nach seinem Abgang nach Den Haag beschäftigen, wo er bei der vorgezogenen Parlamentswahl im Herbst antritt.
Kein Grund zur Sorge, beteuert der „Klimazar“: Die meisten EU-Gesetze seien unter Dach und Fach, der Green Deal bereits irreversibel.
Doch so einfach ist es nicht. Trotz der beispiellosen EU-Gesetzgebung steigen die kritischen CO2-Emissionen weiter an. Deutschland wird wohl sogar seine Klimaziele für 2030 und 2045 verfehlen.
Zudem zeichnet sich ab, dass das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens kaum noch zu erreichen ist. Waldbrände in Griechenland, Dürren in Frankreich und Überschwemmungen in Spanien zeigen, was Europa droht.
Der Green Deal zeigt noch keine nachhaltige Wirkung. Gleichzeitig bröckelt der politische Konsens, auf den Timmermans und von der Leyen sich bei ihrem gemeinsamen Start 2019 stützen konnten.
Damals wurden sie von den „Fridays for Future“ und der jungen Klimabewegung getrieben. Heute kommt der Backlash – in Gestalt einer konservativen und nationalen Revolte und massiven Brems- und Ausweichmanövern aus der Industrie.
Doch von der Leyen schweigt. Statt ihre konservativen Parteifreunde zur Ordnung zu rufen, weicht sie den “Green Deal” nach und nach auf – natürlich im Sinne der (deutschen) Industrie…
Dieser Beitrag erschien unter dem Titel “Scheitert der Green Deal?” zuerst im “Makroskop”. Die vollständige Fassung steht hier (Paywall)
News & Updates
___STEADY_PAYWALL___
- Deutschland wird zur Wachstumsbremse. Die EU-Kommission hat sich lange geweigert, die Krise der deutschen Wirtschaft anzuerkennen. Doch nun sieht auch Brüssel das größte EU-Land auf Schrumpfkurs. Das trifft ganz EUropa. – Mehr hier (Blog)
- EU erlaubt keine Koffer aus Russland. Russische Touristen dürfen keine privaten Autos nach Europa einführen, stellt die EU-Kommission klar. Private Smartphones, Laptops und Kosmetik sind auch von Sanktionen betroffen, berichtet die “Berliner Zeitung”
- Deutsche und französische Helfer müssen draußen bleiben. Marokko ist von einem schweren Erdbeben mit fast 3.000 Toten heimgesucht worden. Doch das nordafrikanische Land lässt längst nicht alle Helfer ins Land. Während die spanischen und britischen Hilfsorganisationen zum Einsatz kamen, mussten die deutschen und die französischen draußen bleiben. – Mehr hier (Web.de)
Das Letzte
Das Europaparlament soll größer werden. Der Ausschuss für konstitutionelle Fragen hat grünes Licht für eine Vergrößerung von bisher 705 auf 720 Sitze gegeben. Die Entscheidung muss noch in einer für Mittwoch angesetzten Abstimmung bestätigt werden.Von den 15 zusätzlichen Sitzen sollen jeweils zwei an Frankreich, Spanien und die Niederlande gehen. Österreich, Dänemark, Belgien, Polen, Finnland, die Slowakei, Irland, Slowenien und Lettland sollen je einen weiteren Sitz erhalten. Deutschland , das mit 96 Vertretern die meisten Abgeordneten stellt, geht leer aus.
Der nächste Newsletter erscheint wie gewohnt am Donnerstag. Alle Newsletter hier
KK
12. September 2023 @ 14:26
@ Arthur Dent:
“Zu heiß, zu kalt, zu nass, zu trocken, zuviel oder zu wenig Schnee, die schlechte Ernte… stets ist es der Klimawandel.”
Ja, und mich hätte nicht überrascht, wenn das Erdbeben in Marokko auch dem Klimawandel zugeschrieben worden wäre. Da konnten sie sich wohl gerade noch zurückhalten.
Und keiner kommt offenbar auf die Idee, auch mal El Nino in die Überlegungen einzubeziehen.
Inzwischen gilt als sicher, dass dieses Phänomen vor der Westküste Südamerikas in der Weltgeschichte – weit vor der industriellen Zeit – schon mehrfach für lange Perioden erheblicher Klimaveränderungen weltweit verantwortlich war. Den Untergang des Reiches Akkad zB schreibt man einem ca. 300jährigen massiven Klimawandel zu, der mit gehäuft auftretenden Naturkatastrophen wie Dürren einerseits und Überschwemmungen andererseits einhergegangen sei und der nach allen Erkenntnissen recht sicher durch häufiges Auftreten von El Nino ausgelöst wurde (Bohrkerne haben da in den letzten Jahren recht überzeugende Bezüge herstellen können). Menschengemacht war daran ganz sicher nichts.
Und, Überraschung, in den letzten Jahrzehnten ist auch wieder ein gehäuftes Auftreten von El Nino zu beobachten – und gerade jetzt seit (Nord-)Sommer 2023 tritt El Nino aktuell wieder in Erscheinung. Einhergehend mit den Wetterkapriolen, die alle ausschliesslich dem Klimawandel zugeschrieben werden. Es kann davon ausgegangen werden, dass dieser die Phänomene verstärkt, ob er aber der alleinige Auslöser der diesjährigen Ereignisse – nicht nur in EUropa – ist, daran habe ich meine erheblichen Zweifel.
Katla
12. September 2023 @ 17:49
@KK: den selben Gedanken wie Sie hatte ich auch beim Erdbeben – wann fängt das Geraune an, dass das auch klimabedingt…? Wir werden sicher noch die Geburt einer neuen (Pseudo-)Wissenschaftsdisziplin erleben: Meteoseismologie oder Klimatoseismologie (ich lasse mal beide Begriffe gleich urheberrechtlich schützen 🙂 )
Monika
12. September 2023 @ 12:24
Wenn jemand den direkten Zusammenhang zwischen Demokratie und neoliberalem Kapitalismus verstanden und zum eigenen Vorteil verinnerlicht hat, dann Ursula von der Leyen!
Erst lässt sie sich als Schmied*in des new green deal feiern, die “im Sinne der Allgemeinheit” heldenhaft und mit vollem Einsatz gegen die Klimakatastrophe ankämpft und dann -wenns erwartungsgemäß (und nach Plan) leider nix wird mit dem “deal”- lässt sie sich ein weiteres Mal feiern, diesmal “im Sinne der Gemeinheit” der Gewinnler, die ihren Einsatz für diesen Erfolgsfall mit Gewinnbeteiligung belohnen. Ein Geschäftsmodell, das unter der Bezeichnung demokratische Wertegemeinschaft die Bevölkerungen halbwegs ruhig und mit sich selbst beschäftigt hält (also WIN), das neue Geschäftsfelder zum schnellen Geldverdienen eröffnet (ein weiterer WIN), das den Mitwirkenden eine angenehmes zusätzliches Salär beschert (schon wieder ein WIN) und … bei soviel WIN muss das Ganze ja dann auch GUT für alle sein! (außer für die Bevölkerungen natürlich, aber auf die kommts eh nicht an, …egal was meine Wähler denken…)
Solange den Bevölkerungen der Glaube an die Alternativlosigkeit dieser Gesellschaftsordnung nicht vollends verloren geht, ist für sie das Modell sozusagen Dauerhaft. Für manche sogar Tod sicher, siehe die armen Schweine, die in den diversen “unvermeidlichen” Kriegen verheizt werden.
Arthur Dent
12. September 2023 @ 08:57
Blackrock (federführend beim Green Deal) bewahrt die Schöpfung und rettet nachhaltig die Welt mit Big Data, KI, Digitalisierung und dergleichen mehr – wer soll das glauben? Der Green Deal ist kein sanfter Kapitalismus, er gräbt die Welt nach neuen Rohstoffen zusätzlich um. Es müssten weltweit jährlich 37 Gigatonnen CO2 eingespart werden, die komplette EU schafft idealerweise bei größtmöglicher Anstrengung und irren Investitionskosten vielleicht 4 – 6 Gigatonnen, wer macht den Rest? Bei den Brics-Staaten hat Klimaschutz nicht den Stellenwert, die werden nicht aufhören Kohle und Öl zu verfeuern, das ist für die lebenswichtig – in Indien boomt die Kohle. Und Afrika hat noch nicht mal angefangen. Für die Afrikaner sind Russland und China Vorbilder. Russland ist Schutzmacht vor den ehemaligen europäischen Kolonialherren, China war nach 1945 ein bettelarmes Land und hat einen grandiosen wirtschaftlichen Aufstieg hingelegt – praktisch erst nach Maos Tod 1976.
Wenn Deutschland seine eigenen Klimaschutz-Ziele erreicht, sind dann Ereignisse wie die Ahrtal-Flut, Stürme wie Kyrill und Ela ausgeschlossen? Wird das CO2 an unseren Grenzen haltmachen? Klimawandel ist mittlerweile eine bequeme Standardbegründung für jedes Ungemach. Zu heiß, zu kalt, zu nass, zu trocken, zuviel oder zu wenig Schnee, die schlechte Ernte… stets ist es der Klimawandel. Das ist dann keine Wissenschaft, sondern Voodoo. Und um den Klimawandel einzuhegen, gilt es Verzicht zu üben… das ist magisches Denken.
Ziel des Klimaschutzes ist die Begrenzung des Temperaturanstiegs auf einen politisch festgelegten Referenzwert. Dieser stellt dann das Idealklima dar, von dem tunlichst nicht abgewichen werden soll. Wir haben kein Welteinheitsklima, wir leben in verschiedenen Klimazonen von polar bis tropisch. Ob eine Erwärmung sich positiv oder negativ auswirkt, dem müsste eigentlich immer eine eigene wissenschaftliche Fragestellung vorangestellt werden. Und ob die Maßnahmen, die wir ergreifen überhaupt geeignet sind, die vorgegebenen Ziele zu erreichen, die Frage stellt auch kaum jemand.
Thomas Damrau
12. September 2023 @ 07:55
Ein Parlament, das wenig Einfluss hat, vergrößern …….. ???
Was ist die Begründung für diese Maßnahme?
Hoffentlich nicht, dass wieder einige verdiente Alt-Politiker ein Gnadenbrot brauchen.