Tiefschwarze Wolken über dem „Green Deal“
Im Europaparlament fällt ein wichtiges Umweltschutzgesetz durch. Und der europäische Rechnungshof zweifelt an den Klimazielen.
Scheitert die ehrgeizige Umwelt- und Klimaschutzpolitik der Europäischen Union? Vier Jahre nach dem Startschuss für den „European Green Deal“ sind tiefschwarze Wolken aufgezogen. Die EU drohe ihre ehrgeizigen Klimaziele zu verfehlen, warnt der Europäische Rechnungshof in Luxemburg. Auch im Europaparlament in Brüssel herrscht Krisenstimmung – dort ist das umstrittene Renaturierungs-Gesetz durchgefallen.
Bei einer Kampfabstimmung im Umweltausschuss fand sich keine Mehrheit für den Entwurf der EU-Kommission. Deutsche Christdemokraten, Konservative und Rechtsextreme stimmten dagegen; der Entwurf fiel mit 44 zu 44 Stimmen durch.
Damit wankt nicht nur eine zentrale Säule des europäischen „Green Deal“. Auch EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen gerät in Bedrängnis. Die CDU-Politikerin wird von ihren eigenen Parteifreunden bedrängt, eine Kehrtwende zu vollziehen und den Entwurf zurückzuziehen.
Das Gesetz sei zwar gut gemeint, aber schlecht gemacht, sagt der umweltpolitische Sprecher der konservativen EVP-Fraktion, Peter Liese (CDU). Die Vorlage sei “rückwärtsgewandt und ideologisch”, erklärt seine Parteifreundin Christine Schneider. “Er wird zu einem Rückgang der land- und forstwirtschaftlichen Flächen führen und damit unsere Ernährungssicherheit gefährden.“
Druck und Drohungen
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Noch weiter geht Manfred Weber (CSU). Der EVP-Chef hat seine Truppen auf ein „Nein“ eingeschworen. Befürwortern des Entwurfs soll Weber sogar mit dem Rauswurf aus der Fraktion gedroht haben. Nur mit massivem Druck und Drohungen, so heißt es im Europaparlament, habe Weber das umstrittene Renaturierungs-Gesetz zu Fall bringen können.
Das endgültige „Aus“ bedeutet die Schlappe im Umweltausschuss jedoch nicht. Das letzte Wort hat das Plenum. Bei der für Mitte Juli geplanten Abstimmung droht ein Showdown zwischen den Befürwortern – Sozialdemokraten, Grüne, Linke und Liberale – auf der einen und den konservativen und rechten Gegnern auf der anderen Seite.
Ein Fragezeichen muss man wohl jetzt schon hinter die EU-Klimaziele machen. Das EU-Programm „Fit for 55“ sei intransparent und schlecht finanziert, kritisiert der Europäische Rechnungshof in einem Sondergutachten. Auch die nationalen Energie- und Klimapläne seien zu vage.
“Wir brauchen mehr Transparenz”, forderte die Leiterin der Prüfung, Joëlle Elvinger. Die Datenlage sei zu schlecht. Wie so oft, wenn von der Leyen EU-Politik macht…
Siehe auch Backlash beim Klima. Mehr zur Klimapolitik hier
KK
28. Juni 2023 @ 11:59
@ european:
“Wenn ich mir allein Deutschland ansehe, dann wurde im Zuge des Ukraine-Konflikts alles über Bord geworfen, was Umweltschutz angeht.”
Richtig – und die ganzen dadurch entstehenden Mehrkosten für diesen ideologischen Blödsinn soll der Bürger tragen, während sich die gepamperten Lobbyisten und ganz besonders US-Finanzkraken wie Blackrock und wie sie alle heissen die Taschen vollstopfen.
Der deutsche Mindestlohn wird angesichts einer Teuerungsrate bei Energie und Lebensmitteln deutlich jenseits der 20% (das , worauf keiner verzichten kann) – und mit den Klimaschutzmassnahmen einhergehend auch eine deutliche Verteuerung des Wohnens – um sage und schreibe 3% erhöht, und das auch schon für die kommenden zwei Jahre festgeschrieben. Und auch alle anderen Erwerbstätigen haben Reallohnverluste wie seit Jahrzehnten nicht mehr.
Es geht hier in Wirklichkeit gar nicht um das Klima, sondern um eine weitgehende ökonomische Versklavung des allergrössten Teils der Menschheit!
Thomas Damrau
28. Juni 2023 @ 08:57
The Impire strikes back.
Je klarer wird, dass die Rettung der Welt nicht so einfach nebenbei zwischen Aufstehen und Frühstück erledigt werden kann, desto mehr wächst der Widerstand in einer Bevölkerung, der (auch von den Grünen) immer wieder erklärt wurde, man werde schon weit vor dem Frühstück fertig sein.
Stichworte dazu sind “Grünes Wachstum” und “Versöhnung von ökonomie und Ökologie”: Man hat einfach so getan, also könne die Logik des Immer Mehr durch bloße Substitutionen “fossile Energie -> erneuerbare Energie”, “Verbrennerauto -> eAuto”, “Fleisch -> veganes Fleischsubstitut”, etc. fortgesetzt werden. Und wo es Immer Mehr gibt, wird auch keiner etwas verlieren:
– Mögliche ZIel-Konflikte? “Ach was, wo sollen die herkommen.”
– Was passiert, wenn das eh schon teure Wohnen durch neue Bauvorschriften noch teurer wird? “Das Problem lösen wir, wenn wir es haben.”
– Wo sollen die ganzen erneuerbaren Energien herkommen? “Da wird bei uns einfach der Ausbau beschleunigt und die verbleibende Lücke wird der globale Süden für uns schließen, indem er eine Wasserstofffabrik neben die andere stellt.”
Und jetzt stellt sich raus, dass diese Weltsicht ziemlich blauäugig ist. Folglich schlägt jetzt die Stunde der Populisten, die die Enttäuschung der Bevölkerung in Wählerstimmen verwandeln wollen. Und vor allem wittern die Wirtschaftzweige Morgenluft, deren Gewinne durch die Rettung der Welt gefährdet wäre und schicken ihre Lobbyisten an die Front.
Man muss sich nur den Eiertanz zum Thema Wasserstoff beim gerade beschlossenen Entwurf zum deutschen “Heizungsgesetz” reinziehen:
– Neue Gasheizung möglich, wenn die Heizung Wasserstoff verbrennen kann.
– Falls sich herausstellt, dass mittelfristig kein Wasserstoff verfügbar ist, dann eben Bio-Gas.
– Und falls das Biogas fehlt, dann … dann … dann
Kaum ist der alte “schon vor dem Frühstück”-Scheck geplatzt, werden neue ungedeckte Schecks ausgestellt. Die Enttäuschung, wenn auch die neuen Schecks platzen, ist vorprogrammiert.
Wir werden über das Thema “Grüne Transformation” noch viel in diesem Forum diskutieren.
Kleopatra
28. Juni 2023 @ 08:16
Dass in einem Parlament gegen einen „Regierungsentwurf“ massiv mobil gemacht wird, ist normale parlamentarische Praxis. Genau dafür ist ein Parlament da.
Man muss sich auch genau anschauen, wie das ordentliche Gesetzgebungsverfahren funktioniert. Vereinfacht gesagt, kann das Parlament einen Vorschlag, den der Rat unterstützt, nur mit der Mehrheit seiner Mitglieder ablehnen oder Änderungen durchsetzen. In der gegenwärtig anstehenden ersten Lesung allerdings ist noch keine Mehrheit der Mitglieder erforderlich.
ebo
28. Juni 2023 @ 08:36
Dem Europaparlament stünde es gut an, schlechte Entwürfe der EU Kommission zurück zu weisen, statt sie (wie üblich) zu verschlimmbessern. Beim Renaturierung-Gesetz spielen allerdings nicht nur sachliche Motive eine Rolle, hier wird der Wahlkampf eröffnet
european
28. Juni 2023 @ 08:14
Wenn ich mir allein Deutschland ansehe, dann wurde im Zuge des Ukraine-Konflikts alles über Bord geworfen, was Umweltschutz angeht. Angefangen von diesem LNG-Schiff, das von den Australiern wegen der Umweltschädlichkeit abgelehnt wurde, bis hin zur Kohle aus Kolumbien, LNG aus USA, Gas aus Aserbaidschan. Langfristige Verträge über 15-10 Jahre. Für unseren Bedarf wurde die Schattenflotte wieder aktiviert, alte, teilweise bereits ausrangierte Tanker, weil die existierenden Tanker der Welt überall Verträge und keine Kapazitäten haben.
Die deutsche Politik sollte ganz einfach den Mund halten und sich um Deutschland kümmern. Da sieht es wirklich nicht gut aus. Von anderen Ländern der Eurozone muss man sich die Daten ansehen.
Dann lese ich heute dieses
https://www.lemonde.fr/en/international/article/2023/06/21/biden-macron-lula-we-must-prioritize-a-just-and-inclusive-transition_6034584_4.html?random=2078050424&random=771963421
Wir haben unser Herz für den Globalen Süden wieder entdeckt und wollen „Armut bekämpfen“. Wenn man sich den Auftritt der EUCO-Präsidentin in Südamerika ansieht, dann weiß man auch wie. In bewährter IWF-Manier werden natürlich wir den Weg diktierenÖ Erst anfixen, dann ausplündern. 50 Teilnehmer gab es auf diesem Gipfel, darunter die üblichen Verdächtigen. Die sehen ihre Felle davonschwimmen und haben jede Menge Kreide gefressen.
Ich hoffe, die Länder des globalen Südens erkennen die Heuchler und schlagen andere Wege ein.