The good, the bad and the ugly (IV): Verratene Werte

Die Legislaturperiode ist zu Ende, die “heiße” Phase des Europa-Wahlkampfs hat begonnen. Zeit für eine Bilanz: Was hat Junckers “Kommission der letzten Chance” geschafft, was bleibt zu tun – und wo tun sich neue Brüche und Krisen auf? – Teil 4 und Schluss.

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Die EU will nicht nur eine Wirtschaftsunion, sondern auch eine Wertegemeinschaft sein. Sie will nicht nur Regeln setzen, sondern auch Grundwerte schützen. Doch in den letzten fünf Jahren ist dies gründlich schief gegangen. Die Regeln wurden gebrochen, die Werte mißachtet. EUropa hat ein hässliches Gesicht bekommen.

Zuerst hat sich dies in der Flüchtlingskrise gezeigt. Es bedurfte erst einer Schiffs-Katastrophe, damit die EU überhaupt aufwachte. Dann kamen die Bilder von dem toten Jungen an einem türkischen Strand. Der Aufschrei des Entsetzens hinderte Ungarns Viktor Orban jedoch nicht, seinen Zaun zu errichten.

Ein halbes Jahr später schloß dann Kanzlerin Angela Merkel ihren bis heute umstrittenen Türkei-Deal. Damit hat sich die EU nicht nur von einem unberechenbaren islamischen Alleinherrscher abhängig gemacht. Sie hat auch griechische Inseln wie Samos in Flüchtlingslager und Freiluftgefängnisse verwandelt.

Überfüllte Flüchtlingslager, verzweifelte Migranten und hilflose Helfer: Seit drei Jahren hat sich kaum etwas verbessert an der Lage in Griechenland. Dabei hatten sowohl Verantwortliche als auch die EU Hilfen versprochen. Griechenlands Regierung lässt jedoch Kritik an sich abprallen. Und Europa schaut weg.

Quelle: Deutschlandfunk

Noch schlimmer ist die Lage in Libyen. Doch obwohl man in Brüssel und Berlin um das humanitäre Desaster in den libyschen Lagern weiß, tut die EU alles, um die Flüchtlinge an einer Flucht übers Mittelmeer zu hindern. Sie bildet sogar die libysche “Küstenwache” aus, damit diese Schlepperboote abfängt.

Die EU hat die Gelder für libysche “Grenzschützer” im vergangenen Jahr sogar noch einmal aufgestockt. Europas Regierungschefs behaupten, dass mit dem Geld die Standards in Libyen verbessert würden. Das Gegenteil ist der Fall: Die Lebensbedingungen für Flüchtlinge in Libyen erodieren immer weiter.

Quelle: SPON

Dass es mit den Grundwerten nicht weit her ist, zeigt auch die Lage in vielen EU-Staaten. Die Rede ist nicht nur von Polen und Ungarn, wo der Rechtsstaat in Gefahr ist.

Es geht auch um Malta und die Slowakei, wo Journalisten um ihr Leben fürchten müssen – oder um Spanien und UK, wo es politische Gefangene gibt: Puigdemont und Assange lassen grüßen.

Sogar Rassismus, Antisemitismus und Faschismus breiten sich in Europa wieder aus. Auch Deutschland ist betroffen, wie die Krawalle im Chemnitz, die Neonazi-Aufmärsche in Sachsen und die braunen Netzwerke in Polizei und Bundeswehr zeigen. Auch Frankreich und Italien geben Grund zu Sorge.

Und dann wäre da noch die neue EU-Außenpolitik. Sie ist nicht mehr auf Vermittlung und Ausgleich angelegt, sondern wird immer mehr auf “Weltpolitikfähigkeit” (Juncker) getrimmt, was u.a. eine massive Aufrüstung gegen Russland und ein Appeasement gegen US-Präsident Donald Trump bedeutet.

Neuerdings lässt sich die EU sogar auf Trumps Erpressungsversuche ein, wie die Gespräche über ein Industriezollabkommen zeigen. Die noch 2018 ausgegebene Devise, dass man nicht “mit vorgehaltener Pistole” verhandele, gilt nicht mehr. Juncker und Merkel haben die eigenen Grundsätze verraten.

Vor fünf Jahren wäre all dies noch undenkbar gewesen…

Siehe auch “The good, the bad and the ugly (III): Das ging schief”

Photo by Markus Spiske on Unsplash