Taktische Spielchen in der Handelspolitik

Muß Handelskommissar Hogan zurücktreten? Rückt Kanzlerin Merkel vom Mercosur-Abkommen ab? Und warum will die EU mehr Hummer aus den USA importieren? – In die Handelspolitik ist überraschend Bewegung gekommen.

Wochenlang tat sich nichts in der Handelspolitik. Der Streit zwischen den USA und EU schien hoffnungslos festgefahren, Merkel klammerte sich an das Mercosur-Abkommen, Handelskommissar Hogan war abgetaucht.

Nun steht der Ire plötzlich im Rampenlicht – weil er am Mittwoch mit 81 anderen Gästen an einem Dinner der parlamentarischen Golf-Gesellschaft in Irland teilgenommen hatte. Wegen Corona waren aber nur sechs Gäste erlaubt.

Premierminister Martin legte Hogan daraufhin nahe, “sein Amt zu überdenken”. Doch der EU-Kommissar hofft, mit einer einfachen Entschuldigung davonzukommen. Schließlich werde er in Brüssel noch gebraucht.

Jüngster “Leistungsnachweis”: Überraschend einigte sich Hogan am Freitag mit den USA auf ein Ende der Abgaben auf Hummer. Die USA wollen im Gegenzug ihre Abgaben auf Einfuhren von Glas- und Keramikwaren sowie Fertiggerichten halbieren.

Das Mini-Handelsabkommen (Volumen: 168 Mio. Dollar) ist kaum mehr als ein taktisches Manöver, um US-Präsident Trump bei Laune zu halten. Bisher hatte die EU es stets abgelehnt, sich auf solch symbolische Deals einzulassen.

Doch Kanzlerin Merkel und der deutsche EU-Vorsitz wollen unbedingt eine Einigung mit den USA. Zudem will Merkel das umstrittene Mercosur-Abkommen mit Südamerika retten. Um das zu erreichen, griff sie nun zu einem Trick.

Es gebe “aus heutiger Sicht erhebliche Zweifel, ob das Abkommen so wie intendiert auch umgesetzt werden könnte, wenn man auf (…) die schrecklichen Waldverluste, die es dort zu beklagen gibt, schaut”, ließ Merkel ihren Sprecher erklären.

Doch das ist nicht die Trendwende, die manche erhoffen. Vielmehr sind die Äußerungen – kurz nach einem Treffen mit G. Thunberg – offenbar dazu gedacht, die Fridays for Future-Bewegung zu umgarnen und die Mercosur-Kritiker zu besänftigen.

Es handelt sich aus meiner Sicht um ein taktisches Spielchen, um Druck auf Brasilien zu machen und das Abkommen doch noch zu retten. Schließlich gehört der Mercosur-Deal zu den Prioritäten des deutschen EU-Vorsitzes…

Siehe auch Berlin setzt auf die USA – und den Freihandel

P.S. Der Fall Hogan beschäftigt nun auch Kommissionschefin von der Leyen. Sie prüfe die Angelegenheit, sagte eine Kommissionsprecherin. Sie verwies auch auf eine Entschuldigung des Iren – doch bisher wurde sie wohl nur auf Twitter ausgesprochen. Ob das reicht?