Taiwan: Borrell schweigt, Baerbock droht
Mit einem Besuch in Taiwan könnte die hochrangige US-Politikerin Nancy Pelosi eine schwere Krise mit China auslösen. Doch die EU schweigt – wieder einmal.
Schon im Vorfeld des Ukraine-Kriegs hat die EU durch Abwesenheit geglänzt. Chefdiplomat Borrell folgte der amerikanischen Linie und ergriff keine eigenen Initiativen.
Auch jetzt schweigt sich Borrell wieder aus. Er geht weder auf Pelosi noch auf die chinesischen Drohungen mit einer militärischen Reaktion ein.
Die China-Experten der EU sind abgetaucht. Aktuelle Erklärungen zur Taiwan-Krise sucht man auf der Webseite des Auswärtigen Dienstes vergebens (Stand 1. August).
Auch Kommissionschefin von der Leyen und Ratspräsident Michel, die in der Außenpolitik sonst immer das erste (und letzte) Wort haben wollen, klammern das brisante Thema aus.
Umso lauter spricht die deutsche Außenministerin. Baerbock hat China vor einer Eskalation der Spannungen gewarnt und sich hinter Taiwan gestellt, meldet der “Spiegel”.
“Wir akzeptieren nicht, wenn das internationale Recht gebrochen wird und ein größerer Nachbar völkerrechtswidrig seinen kleineren Nachbarn überfällt – und das gilt natürlich auch für China”, sagte Baerbock in New York.
Mit Blick auf den “brutalen russischen Angriffskrieg” gegen die Ukraine sei es wichtig, klarzumachen, dass die Weltgemeinschaft solches Verhalten nicht akzeptiere.
Da ist sie wieder – die Parallele zur Ukraine. Dabei kann von einem militärischen “Überfall” bisher keine Rede sein. Die aktuellen Spannungen provoziert Pelosi – wenn sie denn nach Taiwan reist…
Siehe auch “Krieg um Taiwan? Biden sorgt wieder für Unruhe“. Mehr zu Taiwan hier
P.S. Es gibt noch eine Parallele zur Ukraine – die Drohung mit Sanktionen. “In the event of a military invasion, we have made it very clear that the EU, with the United States and its allies, will impose similar or even greater measures than we have now taken against Russia,” the EU’s incoming ambassador to China, Jorge Toledo, said.
P.P.S. Baerbocks Drohungen haben ein Nachspiel. Der Abteilungsleiter für Europa im chinesischen Außenministerium, Wang Lutong, protestierte offiziell bei der neuen deutschen Botschafterin in Peking, Patricia Flor. Er sprach von “falschen Kommentaren” Baerbocks, wie aus einem Tweet des hohen chinesischen Diplomaten hervorging. Die Taiwan-Frage sei eine “innere Angelegenheit Chinas”.
Alexander
7. August 2022 @ 14:04
“Doch die EU schweigt – wieder einmal.”
Dafür äußert sich ja ein Mitglied des litauischen Parlamentes:
https://twitter.com/MatasMaldeikis/status/1554695526121181184
https://de.wikipedia.org/wiki/Matas_Maldeikis
Herbert72
4. August 2022 @ 12:11
Na ja, ob man jetzt wirklich kommentarlos die Drohungen Chinas bezüglich Taiwans hinnehmen sollte. Aber das Kriegsgeschrei von Frau Baerbock ist sicherlich nicht angebracht. Mittlerweile halte ich sie für eine aussenpolitische Brandbeschleunigerin. Aber Haltung zu Taiwan darf man schon einnehmen. Im Gegensatz zur Ukraine eine gewachsene und erwachsene Demokratie. Das Selbstbestimmungsrecht einer Volksgemeinschaft, zumal auf einer abgegrenzten Insel, sollte schon vom Völkerrecht legitimiert sein. Und Tibet ist doch wohl auch gegen seinen Willen unterjocht worden. Da muß man natürlich keine Brandsätze werfen. Während das korrupte Regime in der Ukraine, mit einem Präsidenten Selensky, der bekanntermaßen mindestens 41 Millionen Dollar vor der ukrainischen Steuer in Sicherheit gebracht hat. Dessen Gönner, natürlich ein Oligarch, dessen Namen ich mir nicht merken will, vor Selenskis Amtsantritt wegen begründeter Strafverfolgung die Ukraine verlassen musste….und erst in der Regierungszeit des besten Realkomikers unserer Zeit wieder zurückkehren konnte….ohne weiter juristisch belangt zu werden. Und dann noch der aussenpolitische Hooligan, Herr Melnyk, ein bekennender Neonazi, der sich ohne großen Widerspruch der Medien und der Gemeinsamschaft unserer Palamentarier erblöden kann, unsere altgedienten wie aktiven Politiker von Frau Merkel bis zu Herrn Scholz öffentlich zu beleidigen. Auch wenn ich Frau Merkel nie gewählt habe, aber sie war auch meine Bundeskanzlerin. Eine Unverschämtheit, wenn so ein dahergelaufener Rüpel, der auch noch indirekt auf unserer Gehaltsliste steht, ungestraft sich austoben kann.
Wenn die Yankies nicht die Ukrainer seit Jahren in die Nato drängten, könnte die ukrainische Bevölkerung in Frieden leben, sofern sie auch den Seperatisten nicht mit Kanonen, sondern mit einer wie auch immer gearteten Autonomie entgegenkommen würden.
Was will ich eigentlich sagen, Haltung bewahren und zeigen erwarte ich auch von unseren Politikern. Aber eben diplomatisch und mit sanftem Druck. Wahlkampfreden wie sie unsere Außenministerin hält, haben mit Diplomatie wohl sehr wenig gemein. An unserem gutem, vorbildhaftem Wesen (Vietnam, Irak, Afghanistan, Kosovo….) wird die Welt sich nicht ausrichten, wenn man davon absieht, daß die Natostaaten und einige wenige mehr nicht wirklich die Welt repräsentieren.
ebo
4. August 2022 @ 12:52
Das Problem ist, dass sich die EU weder mit China noch mit den USA anlegen will. Frau Beer vom Europaparlament hat sich für die Demokratie in Taiwan eingesetzt, wurde aber sogar von Borrell ignoriert. So wird die europäische Außenpolitik irrelevant
european
3. August 2022 @ 14:55
Die unterschiedliche Sicht der Dinge sehr gut beschrieben in diesem Artikel von Mark Leonard, Director of the European Council on Foreign Relations.
https://www.project-syndicate.org/commentary/china-view-of-russia-war-in-ukraine-by-mark-leonard-2022-07?utm_source=Project+Syndicate+Newsletter&utm_campaign=9dad42b78b-covid_newsletter_08_03_2022&utm_medium=email&utm_term=0_73bad5b7d8-9dad42b78b-107403314&mc_cid=9dad42b78b&mc_eid=52fb18fa28
Klaus von Dohnanyi hat mal in einem Interview beschrieben, wie wichtig es in der internationalen Politik ist, die Sicht des anderen zu verstehen, während in Politik und Medien das Wort “verstehen” fälschlicherweise mit Zustimmung gleichgesetzt wird.
Es gibt eben viele Wahrheiten auf dieser Welt. So auch meine persönliche Erfahrung.
Sehr lesenswerter Artikel. Ich wünschte, es gäbe mehr davon.
Alexander
3. August 2022 @ 17:53
Ein kleiner Tipp @all: Die Angabe von “https://www.project-syndicate.org/commentary/china-view-of-russia-war-in-ukraine-by-mark-leonard-2022-07” genügt völlig! Alles, was hinter einem “?” steht, sind Angaben, die man normalerweise weglassen kann. Zu den wenigen Ausnahmen gehören Aufrufe von Seiten, bei denen zum Beispiel eine Such- oder Filterfunktion eine Übergabe von Parametern erwartet (z.B. “https://www.google.com/search?q=Plapperlenchen”).
european
3. August 2022 @ 22:27
@Alexander
Danke. Der link stammt aus einer App und diese links sind oft so lang.
Gut, dass es auch wesentlich kürzer geht 🙂
Thomas Damrau
2. August 2022 @ 17:03
Zumindest Nicola Beer (FDP), Vizepräsidentin des EU-Parlaments hat sich im DLF geäußert ( https://www.deutschlandfunk.de/interview-mit-nicola-beer-ep-vizepraesidentin-fdp-dlf-900a42b3-100.html ). Tenor: Wir dürfen nicht wieder wie in der Ukraine zu spät reagieren. Also Stoß in dasselbe Horn wie Baerbock – und volle Unterstützung der US-Linie.
Wobei sich zwei Fragen stellen:
1) Gäbe es überhaupt einen Taiwan-Konflikt, wenn die Biden-Administration nicht permanent behaupten würde, es gäbe einen. Ich habe in den letzten Jahre keine Änderung der Haltung Chinas zu Taiwan wahrgenommen: “Taiwan ist Teil Chinas und demonstrieren wir zwischendurch mal – aber im Augenblick ist eine Änderung des Status Quo nicht geplant.”
2) Beim Ukraine-Krieg können wir natürlich endlos diskutieren, ob frühere Waffenlieferung an die Ukraine Russland vom Einmarsch abgehalten hätten. Bei Taiwan ist mir nicht klar, was Beer und Baerbock pro-aktiv tun könnten – außer Biden mal zur Seite zu nehmen und zu fragen, ob er von allen guten Geistern verlassen sei, da er ernsthaft den Konflikt mit China suche. Aber das trauen sich unsere heldenmütigen europäischen PolitikerInnen natürlich nicht. Da ist ein Bekenntnis “Joe, wir folgen wir bis in den Tod” alle mal karrierfördernder.
ebo
2. August 2022 @ 18:22
Beer war ja vor zwei Wochen selbst in Taiwan. Aber davon hat kaum jemand Kenntnis genommen, obwohl sie Vizepräsidentin des Europaparlaments ist. Das zeigt, dass Beer und das EU-Parlament in der Kreisklasse spielt, Pelosi hingegen in der Champions League – allerdings offenbar im Rugby 🙂
european
2. August 2022 @ 11:27
Welche Weltgemeinschaft? Und womit möchte sie denn diesmal drohen? Mit Sanktionen gegen China?
Ernsthaft?
Deutschland als Exportnation und Oberlehrmeister der Eurozone gehen gerade die Ressourcen UND die Kunden gleichzeitig floeten.
Ich hoffe doch, dass sie einen brauchbaren Plan B in der Tasche hat.
Varoufakis hat einen sehr guten Artikel darüber geschrieben.
https://www.project-syndicate.org/commentary/germany-needs-new-economic-model-by-yanis-varoufakis-2022-07
Und: BP meldet 7 Mrd Profit.
Doppelte Buchführung sollte unbedingt in den deutschen Lehrplan aufgenommen werden.
Erst jubelt man über die Milliardengewinne durch BionTech und die Steigerung des BIP und jetzt kommt das Wehklagen über steigende KK-Beitraege.
😉
AstraZeneca hat als einziger Anbieter den Impfstoff zum Selbstkostenpreis angeboten und wurde gerade in Deutschland so verdammt.
Warum wohl?