Tabubruch im Thalys

LIVEBLOG VOM EU-SONDERGIPFEL (19h)

Gleich bei seinem ersten EU-Gipfel bricht Frankreichs neuer Staatschef Hollande mit den deutsch-französischen Ritualen. Statt mit Kanzlerin Merkel, die erst später kommt, trifft er sich mit Spaniens Premier Rajoy – im Thalys-Schnellzug von Paris nach Brüssel. Das ist nicht nur ein Zeichen, das Hollande – wie im Wahlkampf versprochen – ein “normaler” Präsident sein will. Damit nimmt Hollande auch Merkels Spindoktoren den Wind aus den Segeln, die gestern noch in Berlin behauptet hatten, Rajoy stünde fest an deutscher Seite.

Auch Belgien bricht mit einem Tabu: Finanzminister Vanackere räumt offen ein, dass die Euroländer an einem Notfallplan für den “Grexit” arbeiten. Alles andere wäre unverantwortlich, sagt er bei seiner Ankunft im Brüsseler Ratsgebäude. Ganz nebenbei dementiert er damit die Behauptung aus Brüssel und Athen, die Meldungen über europäische Notpläne seien falsch.

Derweil betont Merkel nochmals, es werde heute Abend keine Beschlüsse geben – trotz der Panik an den Märkten. 

 Außerdem zieht sie ein neues Argument aus dem Ärmel: Auf dem Sondergipfel solle es um Wachstum gehen – und Eurobonds könnten die Konjunktur nicht ankurbeln. Das ist ja mal ein orgineller Gedanke. Kann etwa der Fiskalpakt das Wachstum ankurbeln? Liegen IWF, OECD und EU-Kommission falsch, und nur Merkel weiß, wie es geht? Und wenn ja, wieso hat die deutsche Therapie dann nicht verfangen?

Beim letzten EU-Gipfel behauptet Merkel noch, jetzt hätten die Krisenländer drei Jahre Atempause, dank ihrer genialen Rettungsstrategie. Und nun greift schon wieder Angst um sich…


Bundesbank schürt Angst (17h)

Kurz vor Beginn des EU-Sondergipfels in Brüssel, der eigentlich über Wachstumsinitiativen sprechen soll, schürt die Bundesbank die Angst vor einem Grexit. Die Währungshüter in Frankfurt warnen Griechenland davor, die europäischen Sparauflagen anzutasten, drohen mit einer Einstellung der europäischen Hilfszahlungen und bezeichnen einen Austritt aus der Währungsunion zugleich als “beherrschbar”.

Das ist Öl auf das Feuer, das an den Märkten seit den Wahlen in Athen Ende April brennt. Der Euro kommt weiter unter Druck, an den Börsen geht es rasant abwärts.  

Das größte Risiko geht jetzt nicht mehr von einem deutsch-französischen Streit über die Wachstumspläne aus, wie SPON behauptetDas größte Risiko ist, dass dieser Gipfel wieder einmal ohne Ergebnisse endet. Vor allem zu Griechenland und zur Bankenkrise in Spanien erwarten die Märkte klare Signale. Bleiben sie aus – und die Verhandlungstaktik von Kanzlerin Merkel und Ratspräsident Van Rompuy läßt dies erwarten – könnte es zu einem Ausverkauf und neuen spekulativen Attacken auf den Euro kommen.

Der Nullzins für deutsche Bundesanleihen, mit dem ich heute in den EU-Gipfeltag einstieg, war ein erstes Warnsignal…

 

Notfallpläne (15h)

Nach der EU-Kommission arbeitet nun offenbar auch die Eurogruppe Notpläne für den “Grexit” aus. Dies berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Jedes Land solle sich individuell auf einen möglichen Ausstieg Griechenlands aus dem Euro vorbereiten, zitiert die Agentur drei nicht näher bezeichnete Quellen aus der Eurozone. Auf EU-Ebene gebe es aus Angst vor Leaks noch keine Notpläne, heißt es weiter.

Derweil beraten sich die EU-Spitzen und die EZB in einer Videokonferenz, die bereits um 14.30 Uhr beginnen sollte. Nach Angaben von Ratspräsident Van Rompuy nehmen an der Krisenkonferenz neben EZB-Chef Draghi auch Eurogruppenchef Juncker und Kommissionspräsident Barroso teil. Hauptthema dürfte auch hier der Grexit sein.

Barroso hatte zuvor den griechischen Interims-Premier Pikkramenos getroffen, der offenbar eigens nach Brüssel gereist ist. Genau wie die Bundesbank fordert er die strikte Einhaltung der Sparauflagen. Hier das Presse-Statement:

 

I have just met with the interim Prime Minister of Greece, Mr Panagiotis Pikrammenos. His government has a clearly defined yet vital role to play in the coming weeks.

I reiterated the Commission’s strong desire that Greece should remain a member of the euro area and that we will continue to do everything in our power for this to happen.

The euro area has shown unprecedented solidarity to Greece and its people. It has made a commitment to maintain financial support for Greece as long as is necessary, assuming Greece maintains its commitment to implement the structural reforms that are essential for a return to growth. Without this solidarity, Greece will not be able to return to growth and prosperity. I therefore underlined the importance of Greece maintaining the commitments it has made.

The Greek people have made huge sacrifices. I wish there were an easier way out of the crisis Greece is facing. The fact is that the least difficult way is the full implementation of the second programme agreed by Greece and its international partners. This is the quickest way for Greece to return to growth and job creation and we stand ready to help the Greek people on this path.

 

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