Streit über neues Klimaziel, EUropa fällt zurück – und Polen spricht von Krieg
Die Watchlist EUropa vom 06. Februar 2024 – Heute mit Rechenübungen für 2040, Wirtschaftsprognosen für 2024 und düsteren Szenarien von der Ostfront
Die Klimapolitik hat sich zum Zankapfel entwickelt. Bauern protestieren gegen zu harte und zu viele Umwelt- und Klimaauflagen, “Fridays for Future” und andere Gruppen fordern mehr davon. Jetzt droht auch noch Streit über ein neues Klimaziel für 2040.
Die EU-Kommission will die Treibhausgase bis zu dahin um 90 Prozent gegenüber 1990 reduzieren. Dieses Ziel soll allerdings lediglich „netto“ erreicht werden, heißt es in einem Entwurf. Brutto läge die Entlastung weit niedriger.
Bisher hat sich die EU nur ein Ziel für 2030 gesetzt. Es sieht die Senkung der Treibhausgase um mindestens 55 Prozent vor. Die EU-Kommission ist allerdings verpflichtet, bis Mai ein neues Ziel für 2040 vorzuschlagen.
Deutschland, Frankreich und neun weitere EU-Staaten fordern, “ein starkes politisches Signal mit Vorbildcharakter für andere Staaten mit hohen Treibhausgasemissionen” zu setzen. Die neue Vorgabe soll auch sicherstellen, dass „die gesamte EU“ auf dem Weg zur Klimaneutralität ist.
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Bisher ist dies nicht gesichert. Deutschland droht sogar seine eigenen, nationalen Klimaziele zu verfehlen. Gleichzeitig spitzt sich die Klimakrise zu. Der wissenschaftliche Beirat der Kommission empfiehlt deshalb eine Reduktion um 90 bis 95 Prozent, die europäischen Grünen fordern sogar 100 Prozent.
Mit einer Entscheidung wird erst nach der Europawahl im Juni gerechnet. Die EU-Kommission will zunächst nur Optionen skizzieren. Dazu zählt laut dem Entwurf, die Emissionen nur um 82 Prozent zu drücken – und die restlichen acht Prozent durch CO2-Lagerung im Boden (CCS) anzustreben.
Allerdings ist diese Technik noch nicht ausgereift. Offenbar ist selbst das entschärfte “Netto”-Szenario nicht sehr realistisch! Wäre es daher nicht besser, sich auf 2030 zu konzentrieren – und auf die Anpassung an die Klimakrise?
Da liegen wir nämlich noch weiter zurück als bei der Entkarbonisierung…
Siehe auch Neue, unrealistische Klimaziele
News & Updates
- EUropa fällt wirtschaftlich weiter zurück. Die Ökonomen der OECD gehen davon aus, dass die deutsche Wirtschaft im neuen Jahr nur um 0,3 Prozent wächst. Die Prognose hat sich damit halbiert. Die Krise im größten EU-Land dämpft auch die Konjunktur in der Eurozone. Sie soll nur um 0,6 Prozent wachsen – während die USA mit 2,6 Prozent davonziehen… Siehe auch Deutschland wird zur Wachstumsbremse
- Selenskyjs Offenbarungseid. Der ukrainische Staatschef Selenskyj hat erstmals öffentlich eingeräumt, dass sein Land im Krieg gegen Russland in die Defensive geraten ist und ein Kurswechsel nötig ist. Er will gleich mehrere „Führer“ feuern. Kommt nun die befürchtete autoritäre Wende in Kiew? EU-Chefdiplomat Borrell scheint es nicht zu stören – er reist gerade nach Kiew… – Mehr dazu im Blog
- Neue Fragen zum Katargate. Der bisher größte Korruptionsskandal im Europaparlament wirft immer mehr Fragen auf. Wie mehrere belgische Medien berichten, soll der wichtigste Kronzeuge der Justiz, P. A. Panzeri, die Unwahrheit gesagt haben. “Wir wissen, dass Panzeri lügt”, wird ein Ermittler zitiert. Wenn dem so ist – was bleibt dann von den Ermittlungen und Vorwürfen? – Mehr hier (Le Soir, französisch)
Das Letzte
Polen bereitet sich auf angeblich drohenden Krieg mit Russland vor. Bisher hat Polen alles getan, um der Ukraine zum “Sieg” über Russland zu verhelfen. Doch nun glaubt man in Warschau offenbar nicht mehr an einen Erfolg. So erklärte Präsident Duda, eine Rückeroberung der Krim sei unrealistisch. Noch weiter geht der neue Verteidigungsminister Kosiniak-Kamysz. Auf die Frage, ob er eine militärische Niederlage der Ukraine und einen Angriff Russlands auf Polen für möglich halte, antwortete der konservative Politiker: “Ich rechne mit jedem Szenario und nehme die schlimmsten am ernstesten. Das ist die Aufgabe eines Verteidigungsministers in der Situation, in der wir uns heute befinden.” Sein Ministerium habe bereits konkrete Vorbereitungen begonnen. Warum Moskau das Nato-Land angreifen sollte, sagte er nicht… – Siehe auch “Unselige Kriegs-Rhetorik”
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KK
6. Februar 2024 @ 16:00
„Polen bereitet sich auf angeblich drohenden Krieg mit Russland vor. “
Wie konkret? Gibt es etwa polnische Pläne zu einer Aktion „Sender Kaliningrad“ – damit Artikel 5 greifen kann?
Monika
6. Februar 2024 @ 12:43
“ein starkes politisches Signal mit Vorbildcharakter für andere Staaten mit hohen Treibhausgasemissionen“ — als ob irgendein europäisches Land, am wenigsten Deutschland, noch bei irgendetwas „Vorbildcharakter“ hätte! Oder irgendwelche westlichen Industriestaaten, am wenigsten die USA, Lust hätten, ernsthaft Klimaschutz zu betreiben, wenn sie dann als Allererstes den pathologisch überambitionierten aber äußerst gewinnträchtigen Aufrüstungs- und Kriegswahnsinn stoppen müssten (der bekanntermaßen ja nichteinmal in die derzeitigen Berechnungen zum Klimaschutz einbezogen ist)!
Oder sollen jetzt, durch das Aufmachen immer weiterer horrifizierender Krisenfässer (die seriös nicht annähernd real gelöst werden können und sollen, dann wären ja die Bevölkerungen nicht mehr durch Angst und Schrecken lenkbar) die Menschen so weit getrieben werden in ihrer Angst, dass sie Krieg als Erlösung empfinden, in der trügerischen Hoffnung eines „Neustarts“?
Die machtgeilen Gierschlünde dieses Planeten beginnen gerade in großem Stil ihre „Bauern“ zu opfern…Danach bricht bestimmt das Paradies aus. Sarkasmus aus.
KK
6. Februar 2024 @ 13:33
“…in ihrer Angst, dass sie Krieg als Erlösung empfinden, in der trügerischen Hoffnung eines „Neustarts“?”
Wir dürfen nicht vergessen: So eine nukleare Auseinandersetzung in EUropa und Nahost/Asien schafft Milliarden Emittenten von CO2 auf einen Schlag ab… So geht globale CO2-Reduktion auf amerikanisch!
Karl
6. Februar 2024 @ 08:24
Noch spekulativer sind die Ideen rund um die Wasserstofftechnologie…
Das leere Geschwätz wird bei dem wichtigen – und sehr lukrativen – Thema der Energieversorgung und der großen Öl-Multis niemals enden!
Deshalb ist wichtig, dass endlich etwas passiert: Ursachen bekämpfen! Auch Teilen Deutschlands droht die Versteppung. Den Hitzestau im Sommer spüren wir alle. Das Gärtnern ist in Dürregebieten schon heute schwierig.
Also: Die Klimaziele nicht immer weiter verschieben, sondern sie erreichen!
KK
6. Februar 2024 @ 13:38
Fast lustig wirkte schon die Meldung von gestern, in D zur Netzstabilität 10 GW Kapazität durch neu zu errichtende Gaskaraftwerke, die später auf Wasserstoff umgerüstet werden können, zu schaffen. Und den Wasserstoff könne man dann, solange nicht genug davon aus erneuerbaren Energien hergestellt werden könne, ja aus – tata – Gas gewinnen.
Aber vielleicht hab ich das ja auch nur nicht richtig verstanden, denn die wissen ja, was sie tun, oder?