Streik in Belgien, Aufstand in Frankreich (III)
Rien ne va plus in Belgien. Nach dem “nationalen Streik” der letzten Woche sind nun die öffentlichen Dienste dran. Genau wie in Frankreich geht es gegen Arbeitsmarktreformen und Sozialkürzungen.
“Bleiben Sie wenn möglich zu Hause”, forderte der belgische ADAC (Touring) die Bürger auf. Denn nach der Bahn werden nun auch Busse, Metros und Trams bestreikt. Brüssel steht still.
In Frankreich ist die Lage so ernst, dass Premier Valls eine lange geplante Kanada-Reise verschoben hat. Wenige Tage vor der Fussball-EM will er sich persönlich um den Aufstand kümmern.
Allerdings schließt der Salon-Sozialist Valls einen Rückzug der umstrittenen Reformen aus – genau wie sein liberaler Amtskollege Michel in Brüssel. Beide stehen unter Druck der EU.
Denn die fordert mehr denn je neoliberale Strukturreformen nach dem “Vorbild” Deutschlands. Wohn das führt, zeigt Berlin: Dort ist schon jedes dritte Kind auf Hartz IV angewiesen…
Johannes
31. Mai 2016 @ 14:54
“Wohn das führt, zeigt Berlin: Dort ist schon jedes dritte Kind auf Hartz IV angewiesen… ”
Aber Deutschland hat doch am meisten vom Euro profitiert 😉 *hahahahahahahahaha
Es gibt daher keine Armut in Deutschland, weil, ja weil wir doch den Euro haben.
Skyjumper
31. Mai 2016 @ 16:13
“„Wohn das führt, zeigt Berlin: Dort ist schon jedes dritte Kind auf Hartz IV angewiesen… “
Bitte nicht jede Information so unreflektiert übernehmen. Ich werde sicher nicht bestreiten dass die Agenda 2010 in erster Linie den Niedriglohnsektor zum Anschwellen gebracht hat. Wenn man die Folgen der Agenda 2010 bestaunen möchte muss man sich den vehement gestiegenen Anteil der sogenannten Aufstocker ansehen. Aber das hat mit Hartz IV nur bedingt was zu tun. Im Gegenteil: Ohne den Niedriglohnsektor wäre die Anzahl der H4-Empfänger vermutlich noch höher.
Im übrigen sollte man sich bei der Zahl “….jedes dritte Kind …..” auch zur Kenntnis nehmen dass dies eben die Berlin-Zahl ist. Bundesweit sind es knapp 15 %. Schaut man sich den Bericht aus dem BEIDE Zahlen stammen (Eine Datenauswertung von Frau Zimmermann – Die Linke) an, wird auch eine gewisse Tendenz (auch in Bremen ist es fast jedes 3. Kind) deutlich wo denn die Ursachen liegen könnten:
In Berlin liegt der Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund bei rund 30 %. Und das Männer und Frauen mit Migrationshintergrund überproportional von Arbeitslosigkeit (—> Hartz4) betroffen sind sollte bekannt sein. Aufgrund der Tatsache dass diese Familien weitaus mehr Kinder haben als Familien ohne Migrationshintergrund beträgt in Berlin der Anteil von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund schon rund 45 %. Und damit erklärt sich auch warum in Berlin der Anteil der H4 abhängigen Kinder/Jugendlichen doppelt so hoch ist wie im Bundesdurchschnitt.
S.B.
31. Mai 2016 @ 16:51
„„Wohn das führt, zeigt Berlin: Dort ist schon jedes dritte Kind auf Hartz IV angewiesen… “
Man muss es auch mal nüchtern betrachten: Fördert man eine Gruppe (per Sozialhilfe), die selbst ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten kann, legt man den (künstlichen) Grundstein zur Vergrößerung dieser Gruppe. Subventionen führen eben nahezu immer zu Fehlentwicklungen. Das künstlich per Subventionierung herbeigeführte Problem wird unter Aufrechterhaltung der Subventionierung zwangsläufig immer größer. Das Geschrei der Umverteiler nach noch mehr Umverteilung, das deren Daseinsberechtigung ist, dementsprechend auch. Ein super Geschäftsmodell.
Peter Nemschak
31. Mai 2016 @ 13:27
Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Warum sollte das nicht auch für den Arbeitsmarkt gelten? Ohne Reformen wird die Arbeitslosigkeit hoch bleiben oder sogar steigen. Im übrigen wäre auch die Treffsicherheit der Sozialpolitik zu überprüfen. Wenn der Abstand zwischen Sozialhilfe und Arbeitsentgelt zu groß wird, gibt es zu wenig Anreiz Arbeit anzunehmen. Viele, die heute streiken, übersehen, dass wir in offenen Wirtschaften leben. Belgien und Frankreich sind übrigens traditionell streikfreudige Länder. Vielleicht bedarf es einer Gewerkschaftsreform wie seinerzeit in Großbritannien, das auf Grund von Dauerstreiks am wirtschaftlichen Abgrund stand.
Alfy Singer
1. Juni 2016 @ 21:09
Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich nicht einfach so verändert, sie wurden verändert. Ökonomische Verhältnisse sind keine Naturgesetze, sondern das Produkt von gesellschaftlichen Machtverhältnissen. Wir leben auch nicht in “offenen” Wirtschaften, sondern in investorenfreundlichen mit weitgehenden Freiheiten für Kapitalanleger, denen Menschen gegenüber stehen, deren Flexibilität durch ihre Lebensumstände und sozialen Bindungen Grenzen gesetzt ist. Ihr Vorschlag, die Gewerkschaften wie unter Thatcher geschehen einfach per Gesetz auszuschalten, wenn die Arbeitnehmer ihre Interessen zu hartnäckig verteidigen, spricht für sich. Ein weiteres Beispiel für die Durchsetzung ökonomischer Interessen durch Macht- und Wirtschaftseliten.
kaush
31. Mai 2016 @ 11:45
Ich kann den Kollegen in Frankreich oder Belgien nur viel Erfolg wünschen, denn sie kämpfen letztendlich auch für Deutsche Arbeitnehmer.
Oder könnte man etwa die auf der Couch sitzenden Deutschen motivieren, auch mal den Hintern hoch zu bekommen?
Ist natürlich etwas schwierig hier, bei Gewerkschaften, die 2% Lohnsteigerung als Erfolg verkaufen und System-Medien, die das als kaum finanzierbar hinstellen.
Neoliberale Dauer-Propaganda eben.
Für die Motivation mal Daten von Joachim Jahnke zusammengestellt, die die verheerende Entwicklung der letzten vier Jahrzehnte belegen.
Dem Fazit von Jahnke kann ich nur beipflichten. Entweder wie bewegen uns schleunigst auf in die von ihm (und anderen) beschriebene Richtung, oder uns fliegt der Laden demnächst um die Ohren:
“…Es ist höchste Zeit, daß die Regierungen ihrer eigenen Verantwortung für das Wohl ihrer Länder endlich gerecht werden. Die Hebel dafür haben sie, auch wenn das nicht den besser Betuchten in der Gesellschaft gefallen kann.
Die Alternative ist eine Auflösung des gesellschaftlichen Konsenses mit noch schlimmeren Folgen. Das droht mit dem Erstarken der AfD auch in Deutschland.
Also noch einmal: Wiedereinführung der Vermögenssteuer und Erhöhung der Erbschafts- und Kapitalertragssteuern zur Finanzierung angemessener Mindestrenten und eines bedingungslosen Grundeinkommens, Anhebung des Mindestlohns bei Abwehr von lohnunterbietendem Dumping aus dem Ausland (über Importe oder Wirtschaftsflüchtlinge), sowie Maschinensteuern, falls die Arbeitgeber Lohnerhöhungen durch Einsatz von mehr Automaten auszuhebeln versuchen.
Nur so wird das System wieder einigermaßen auf die Beine zu stellen sein und nur so wird ein soziales Chaos verhindert werden können.”
http://www.jjahnke.net/rundbr118.html#3474